Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

ging, als die gewöhnlichsten Metzen in Paris, Venedig, London u. s. w. die sich selbst den Vorübergehenden anbiethen, es nur immer thun können.

In der That! ich kann mir keinen großen Begriff von dieser Kunst zu gefallen der atheniensischen Hetären machen. Dürfte man der Schilderung eines jüngeren Komikers, des Alexis, trauen, so wäre ihre Erziehung ganz darauf ausgegangen, die Reitze ihres Körpers zu heben, und ihr Zweck einzig der gewesen, Geld zu gewinnen. 19)

Inzwischen gebe ich gern zu, daß in Athen, in einer Stadt, wo ein großer Luxus herrschte, wo der Geschmack an sinnlichen Freuden verfeinert war, unter diesen Hetären manche Virtuosin in der Kunst gewesen sey, die gröbere Wollust mannigfaltiger und schmackhafter zu geben, und die Zeitverkürzung, die man im kosenden Geschwätze sucht, durch Talente einer geistigern Unterhaltung interessanter zu machen. Einige Wenige haben sich sogar in den Geschmack der Weisen im Volke geschickt, sich auf Philosophie, Politik, Rhetorik, u. s. w. gelegt, und diese Kenntnisse, verbunden mit Scharfsinn und Klugheit, genutzt, den Reitz ihres Umgangs zu erhöhen, und allgemeine Bewunderung zu erwecken.

Aber haben diese ausgezeichneten Personen unter den Hetären dem ganzen Stande eine Achtung zugezogen, die über derjenigen stand, welche die gute Sitte in Athen der Matrone zollte? Ist der Umgang mit der Hetäre von dem Vorwurfe der Unanständigkeit frey, ein ganz erlaubtes, ja, dazu besonders ausersehenes Mittel gewesen, neben den Pflichten der Ehe, denen man bey der

19) Aethenäus XIII. 3.

ging, als die gewöhnlichsten Metzen in Paris, Venedig, London u. s. w. die sich selbst den Vorübergehenden anbiethen, es nur immer thun können.

In der That! ich kann mir keinen großen Begriff von dieser Kunst zu gefallen der atheniensischen Hetären machen. Dürfte man der Schilderung eines jüngeren Komikers, des Alexis, trauen, so wäre ihre Erziehung ganz darauf ausgegangen, die Reitze ihres Körpers zu heben, und ihr Zweck einzig der gewesen, Geld zu gewinnen. 19)

Inzwischen gebe ich gern zu, daß in Athen, in einer Stadt, wo ein großer Luxus herrschte, wo der Geschmack an sinnlichen Freuden verfeinert war, unter diesen Hetären manche Virtuosin in der Kunst gewesen sey, die gröbere Wollust mannigfaltiger und schmackhafter zu geben, und die Zeitverkürzung, die man im kosenden Geschwätze sucht, durch Talente einer geistigern Unterhaltung interessanter zu machen. Einige Wenige haben sich sogar in den Geschmack der Weisen im Volke geschickt, sich auf Philosophie, Politik, Rhetorik, u. s. w. gelegt, und diese Kenntnisse, verbunden mit Scharfsinn und Klugheit, genutzt, den Reitz ihres Umgangs zu erhöhen, und allgemeine Bewunderung zu erwecken.

Aber haben diese ausgezeichneten Personen unter den Hetären dem ganzen Stande eine Achtung zugezogen, die über derjenigen stand, welche die gute Sitte in Athen der Matrone zollte? Ist der Umgang mit der Hetäre von dem Vorwurfe der Unanständigkeit frey, ein ganz erlaubtes, ja, dazu besonders ausersehenes Mittel gewesen, neben den Pflichten der Ehe, denen man bey der

19) Aethenäus XIII. 3.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0129" n="129"/>
ging, als die gewöhnlichsten Metzen in Paris, Venedig, London u. s. w. die sich selbst den Vorübergehenden anbiethen, es nur immer thun können.</p>
          <p>In der That! ich kann mir keinen großen Begriff von dieser Kunst zu gefallen der atheniensischen Hetären machen. Dürfte man der Schilderung eines jüngeren Komikers, des Alexis, trauen, so wäre ihre Erziehung ganz darauf ausgegangen, die Reitze ihres Körpers zu heben, und ihr Zweck einzig der gewesen, Geld zu gewinnen. <note place="foot" n="19)">Aethenäus XIII. 3.</note></p>
          <p>Inzwischen gebe ich gern zu, daß in Athen, in einer Stadt, wo ein großer Luxus herrschte, wo der Geschmack an sinnlichen Freuden verfeinert war, unter diesen Hetären manche Virtuosin in der Kunst gewesen sey, die gröbere Wollust mannigfaltiger und schmackhafter zu geben, und die Zeitverkürzung, die man im kosenden Geschwätze sucht, durch Talente einer geistigern Unterhaltung interessanter zu machen. Einige Wenige haben sich sogar in den Geschmack der Weisen im Volke geschickt, sich auf Philosophie, Politik, Rhetorik, u. s. w. gelegt, und diese Kenntnisse, verbunden mit Scharfsinn und Klugheit, genutzt, den Reitz ihres Umgangs zu erhöhen, und allgemeine Bewunderung zu erwecken.</p>
          <p>Aber haben diese ausgezeichneten Personen unter den Hetären dem ganzen Stande eine Achtung zugezogen, die über derjenigen stand, welche die gute Sitte in Athen der Matrone zollte? Ist der Umgang mit der Hetäre von dem Vorwurfe der Unanständigkeit frey, ein ganz erlaubtes, ja, dazu besonders ausersehenes Mittel gewesen, neben den Pflichten der Ehe, denen man bey der
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0129] ging, als die gewöhnlichsten Metzen in Paris, Venedig, London u. s. w. die sich selbst den Vorübergehenden anbiethen, es nur immer thun können. In der That! ich kann mir keinen großen Begriff von dieser Kunst zu gefallen der atheniensischen Hetären machen. Dürfte man der Schilderung eines jüngeren Komikers, des Alexis, trauen, so wäre ihre Erziehung ganz darauf ausgegangen, die Reitze ihres Körpers zu heben, und ihr Zweck einzig der gewesen, Geld zu gewinnen. 19) Inzwischen gebe ich gern zu, daß in Athen, in einer Stadt, wo ein großer Luxus herrschte, wo der Geschmack an sinnlichen Freuden verfeinert war, unter diesen Hetären manche Virtuosin in der Kunst gewesen sey, die gröbere Wollust mannigfaltiger und schmackhafter zu geben, und die Zeitverkürzung, die man im kosenden Geschwätze sucht, durch Talente einer geistigern Unterhaltung interessanter zu machen. Einige Wenige haben sich sogar in den Geschmack der Weisen im Volke geschickt, sich auf Philosophie, Politik, Rhetorik, u. s. w. gelegt, und diese Kenntnisse, verbunden mit Scharfsinn und Klugheit, genutzt, den Reitz ihres Umgangs zu erhöhen, und allgemeine Bewunderung zu erwecken. Aber haben diese ausgezeichneten Personen unter den Hetären dem ganzen Stande eine Achtung zugezogen, die über derjenigen stand, welche die gute Sitte in Athen der Matrone zollte? Ist der Umgang mit der Hetäre von dem Vorwurfe der Unanständigkeit frey, ein ganz erlaubtes, ja, dazu besonders ausersehenes Mittel gewesen, neben den Pflichten der Ehe, denen man bey der 19) Aethenäus XIII. 3.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/129
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/129>, abgerufen am 26.05.2024.