Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

vom Amor beseelten Liebhaber nicht widerstehen könne, und Lykurg, der seine Gesetze von den Kretensern entlehnte, Lykurg, der einen kriegerischen Staat bildete, empfahl die Liebe der Männer unter einander als die schönste Anleitung zu derjenigen Tugend, die er seinen Landsleuten, den Spartanern, einzuflößen suchte.

Aber nicht bloß im Kriege war diese zärtliche und leidenschaftliche Paarung der Männer wichtig. Sie stand in genauer Beziehung mit der republikanischen Verfassung, worunter die Griechen, und besonders die Athenienser lebten. In Staaten, deren Bestehen so ganz auf persönlicher Anhänglichkeit der Bürger an einander beruht, wo das Gute oft nicht anders bewirkt werden kann, als durch enthusiastisches Vertrauen zu der Person des einzelnen Bürgers: wo selbst Partheygeist nothwendig wird, um den Freyheitssinn stets wach und rege zu erhalten; wie wichtig war es da, das Herz früh und ununterbrochen zu gewöhnen, der Liebe alles, und nichts dem Zwange aufzuopfern!

Endlich war diese Männerliebe sehr nützlich für die Erziehung der Jugend. Diese ward zu Leibesübungen, zur Kenntniß der Muttersprache und der Volksdichter durch Lehrer angeführt, die besonders dazu bestellt waren. Aber die Staatswissenschaft, das Privatrecht, die Behandlung der Geschäfte überhaupt, scheint sie in dem Umgange mit erfahrnen und thätigen Männern diesen praktisch abgelernt zu haben; und selbst der Unterricht über die Pflichten des Menschen und des Bürgers, der keinen Theil der gottesdienstlichen Verehrung ausmachte, scheint ihr mehr bey zufälligen Gelegenheiten und Veranlassungen im

vom Amor beseelten Liebhaber nicht widerstehen könne, und Lykurg, der seine Gesetze von den Kretensern entlehnte, Lykurg, der einen kriegerischen Staat bildete, empfahl die Liebe der Männer unter einander als die schönste Anleitung zu derjenigen Tugend, die er seinen Landsleuten, den Spartanern, einzuflößen suchte.

Aber nicht bloß im Kriege war diese zärtliche und leidenschaftliche Paarung der Männer wichtig. Sie stand in genauer Beziehung mit der republikanischen Verfassung, worunter die Griechen, und besonders die Athenienser lebten. In Staaten, deren Bestehen so ganz auf persönlicher Anhänglichkeit der Bürger an einander beruht, wo das Gute oft nicht anders bewirkt werden kann, als durch enthusiastisches Vertrauen zu der Person des einzelnen Bürgers: wo selbst Partheygeist nothwendig wird, um den Freyheitssinn stets wach und rege zu erhalten; wie wichtig war es da, das Herz früh und ununterbrochen zu gewöhnen, der Liebe alles, und nichts dem Zwange aufzuopfern!

Endlich war diese Männerliebe sehr nützlich für die Erziehung der Jugend. Diese ward zu Leibesübungen, zur Kenntniß der Muttersprache und der Volksdichter durch Lehrer angeführt, die besonders dazu bestellt waren. Aber die Staatswissenschaft, das Privatrecht, die Behandlung der Geschäfte überhaupt, scheint sie in dem Umgange mit erfahrnen und thätigen Männern diesen praktisch abgelernt zu haben; und selbst der Unterricht über die Pflichten des Menschen und des Bürgers, der keinen Theil der gottesdienstlichen Verehrung ausmachte, scheint ihr mehr bey zufälligen Gelegenheiten und Veranlassungen im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0147" n="147"/>
vom Amor beseelten Liebhaber nicht widerstehen könne, und Lykurg, der seine Gesetze von den Kretensern entlehnte, Lykurg, der einen kriegerischen Staat bildete, empfahl die Liebe der Männer unter einander als die schönste Anleitung zu derjenigen Tugend, die er seinen Landsleuten, den Spartanern, einzuflößen suchte.</p>
          <p>Aber nicht bloß im Kriege war diese zärtliche und leidenschaftliche Paarung der Männer wichtig. Sie stand in genauer Beziehung mit der republikanischen Verfassung, worunter die Griechen, und besonders die Athenienser lebten. In Staaten, deren Bestehen so ganz auf persönlicher Anhänglichkeit der Bürger an einander beruht, wo das Gute oft nicht anders bewirkt werden kann, als durch enthusiastisches Vertrauen zu der Person des einzelnen Bürgers: wo selbst Partheygeist nothwendig wird, um den Freyheitssinn stets wach und rege zu erhalten; wie wichtig war es da, das Herz früh und ununterbrochen zu gewöhnen, der Liebe alles, und nichts dem Zwange aufzuopfern!</p>
          <p>Endlich war diese Männerliebe sehr nützlich für die Erziehung der Jugend. Diese ward zu Leibesübungen, zur Kenntniß der Muttersprache und der Volksdichter durch Lehrer angeführt, die besonders dazu bestellt waren. Aber die Staatswissenschaft, das Privatrecht, die Behandlung der Geschäfte überhaupt, scheint sie in dem Umgange mit erfahrnen und thätigen Männern diesen praktisch abgelernt zu haben; und selbst der Unterricht über die Pflichten des Menschen und des Bürgers, der keinen Theil der gottesdienstlichen Verehrung ausmachte, scheint ihr mehr bey zufälligen Gelegenheiten und Veranlassungen im
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0147] vom Amor beseelten Liebhaber nicht widerstehen könne, und Lykurg, der seine Gesetze von den Kretensern entlehnte, Lykurg, der einen kriegerischen Staat bildete, empfahl die Liebe der Männer unter einander als die schönste Anleitung zu derjenigen Tugend, die er seinen Landsleuten, den Spartanern, einzuflößen suchte. Aber nicht bloß im Kriege war diese zärtliche und leidenschaftliche Paarung der Männer wichtig. Sie stand in genauer Beziehung mit der republikanischen Verfassung, worunter die Griechen, und besonders die Athenienser lebten. In Staaten, deren Bestehen so ganz auf persönlicher Anhänglichkeit der Bürger an einander beruht, wo das Gute oft nicht anders bewirkt werden kann, als durch enthusiastisches Vertrauen zu der Person des einzelnen Bürgers: wo selbst Partheygeist nothwendig wird, um den Freyheitssinn stets wach und rege zu erhalten; wie wichtig war es da, das Herz früh und ununterbrochen zu gewöhnen, der Liebe alles, und nichts dem Zwange aufzuopfern! Endlich war diese Männerliebe sehr nützlich für die Erziehung der Jugend. Diese ward zu Leibesübungen, zur Kenntniß der Muttersprache und der Volksdichter durch Lehrer angeführt, die besonders dazu bestellt waren. Aber die Staatswissenschaft, das Privatrecht, die Behandlung der Geschäfte überhaupt, scheint sie in dem Umgange mit erfahrnen und thätigen Männern diesen praktisch abgelernt zu haben; und selbst der Unterricht über die Pflichten des Menschen und des Bürgers, der keinen Theil der gottesdienstlichen Verehrung ausmachte, scheint ihr mehr bey zufälligen Gelegenheiten und Veranlassungen im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/147
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/147>, abgerufen am 21.11.2024.