Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Woher aber rührt es, daß nicht jede Schönheit die nehmliche Wirkung auf alle Menschen macht: woher die Verschiedenheit des Geschmacks? - Plato begegnet diesem Einwurfe auf folgende Art: "Eine jede Seele verehrt denjenigen Gott, ahmt demjenigen Anführer nach, in dessen Gefolge sie den Kreislauf vorhin gemacht hat. Sie nimmt seine Natur an, und Eros wirkt ganz anders auf den ehemahligen Genossen des Zevs, als des Mars oder eines andern Gottes. Dieß hat zugleich den größten Einfluß auf die Art, wie der Geliebte behandelt wird. Denn je nachdem die Seele des Liebhabers diesen oder jenen Gott zum Anführer hatte, wird sie in dem Geliebten andere Vorzüge achten, und ihn nach einem verschiedenen Ideale auszubilden suchen. 16) Bey dieser Bemühung wird sie aufmerksamer auf sich selbst, ruft die vorigen Erinnerungen deutlicher zurück, und indem sie den Gott, dem sie vorher gefolgt war, unverwandt ins Auge faßt, wird sie ihm in seinen Sitten und Neigungen immer ähnlicher. So schreibt sie dem Geliebten den Grund ihrer eigenen Veredlung zu, und dieser wird ihr dadurch immer theurer."

"Die edlere Seele sucht folglich den Geliebten zur vollkommensten Aehnlichkeit mit sich selbst und mit ihrem Gotte zu bringen. Dieß ist der schöne Zweck der Vollendung, dem sie nachstrebt, und der auch den Geliebten beglückt, wenn er von dem leidenschaftlich Liebenden gefangen wird.

Nun folgt eine schöne Beschreibung von der Art, wie der Wagenführer in der Seele das eine trotzige,

16) Wahrscheinlich liegt hier die Idee von dem Einfluße der Planeten unter.

Woher aber rührt es, daß nicht jede Schönheit die nehmliche Wirkung auf alle Menschen macht: woher die Verschiedenheit des Geschmacks? – Plato begegnet diesem Einwurfe auf folgende Art: „Eine jede Seele verehrt denjenigen Gott, ahmt demjenigen Anführer nach, in dessen Gefolge sie den Kreislauf vorhin gemacht hat. Sie nimmt seine Natur an, und Eros wirkt ganz anders auf den ehemahligen Genossen des Zevs, als des Mars oder eines andern Gottes. Dieß hat zugleich den größten Einfluß auf die Art, wie der Geliebte behandelt wird. Denn je nachdem die Seele des Liebhabers diesen oder jenen Gott zum Anführer hatte, wird sie in dem Geliebten andere Vorzüge achten, und ihn nach einem verschiedenen Ideale auszubilden suchen. 16) Bey dieser Bemühung wird sie aufmerksamer auf sich selbst, ruft die vorigen Erinnerungen deutlicher zurück, und indem sie den Gott, dem sie vorher gefolgt war, unverwandt ins Auge faßt, wird sie ihm in seinen Sitten und Neigungen immer ähnlicher. So schreibt sie dem Geliebten den Grund ihrer eigenen Veredlung zu, und dieser wird ihr dadurch immer theurer.“

„Die edlere Seele sucht folglich den Geliebten zur vollkommensten Aehnlichkeit mit sich selbst und mit ihrem Gotte zu bringen. Dieß ist der schöne Zweck der Vollendung, dem sie nachstrebt, und der auch den Geliebten beglückt, wenn er von dem leidenschaftlich Liebenden gefangen wird.

Nun folgt eine schöne Beschreibung von der Art, wie der Wagenführer in der Seele das eine trotzige,

16) Wahrscheinlich liegt hier die Idee von dem Einfluße der Planeten unter.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0181" n="181"/>
          <p>Woher aber rührt es, daß nicht jede Schönheit die nehmliche Wirkung auf alle Menschen macht: woher die Verschiedenheit des Geschmacks? &#x2013; Plato begegnet diesem Einwurfe auf folgende Art: &#x201E;Eine jede Seele verehrt denjenigen Gott, ahmt demjenigen Anführer nach, in dessen Gefolge sie den Kreislauf vorhin gemacht hat. Sie nimmt seine Natur an, und Eros wirkt ganz anders auf den ehemahligen Genossen des Zevs, als des Mars oder eines andern Gottes. Dieß hat zugleich den größten Einfluß auf die Art, wie der Geliebte behandelt wird. Denn je nachdem die Seele des Liebhabers diesen oder jenen Gott zum Anführer hatte, wird sie in dem Geliebten andere Vorzüge achten, und ihn nach einem verschiedenen Ideale auszubilden suchen. <note place="foot" n="16)">Wahrscheinlich liegt hier die Idee von dem Einfluße der Planeten unter.</note> Bey dieser Bemühung wird sie aufmerksamer auf sich selbst, ruft die vorigen Erinnerungen deutlicher zurück, und indem sie den Gott, dem sie vorher gefolgt war, unverwandt ins Auge faßt, wird sie ihm in seinen Sitten und Neigungen immer ähnlicher. So schreibt sie dem Geliebten den Grund ihrer eigenen Veredlung zu, und dieser wird ihr dadurch immer theurer.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Die edlere Seele sucht folglich den Geliebten zur vollkommensten Aehnlichkeit mit sich selbst und mit ihrem Gotte zu bringen. Dieß ist der schöne Zweck der Vollendung, dem sie nachstrebt, und der auch den Geliebten beglückt, wenn er von dem leidenschaftlich Liebenden gefangen wird.</p>
          <p>Nun folgt eine schöne Beschreibung von der Art, wie der Wagenführer in der Seele das eine trotzige,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0181] Woher aber rührt es, daß nicht jede Schönheit die nehmliche Wirkung auf alle Menschen macht: woher die Verschiedenheit des Geschmacks? – Plato begegnet diesem Einwurfe auf folgende Art: „Eine jede Seele verehrt denjenigen Gott, ahmt demjenigen Anführer nach, in dessen Gefolge sie den Kreislauf vorhin gemacht hat. Sie nimmt seine Natur an, und Eros wirkt ganz anders auf den ehemahligen Genossen des Zevs, als des Mars oder eines andern Gottes. Dieß hat zugleich den größten Einfluß auf die Art, wie der Geliebte behandelt wird. Denn je nachdem die Seele des Liebhabers diesen oder jenen Gott zum Anführer hatte, wird sie in dem Geliebten andere Vorzüge achten, und ihn nach einem verschiedenen Ideale auszubilden suchen. 16) Bey dieser Bemühung wird sie aufmerksamer auf sich selbst, ruft die vorigen Erinnerungen deutlicher zurück, und indem sie den Gott, dem sie vorher gefolgt war, unverwandt ins Auge faßt, wird sie ihm in seinen Sitten und Neigungen immer ähnlicher. So schreibt sie dem Geliebten den Grund ihrer eigenen Veredlung zu, und dieser wird ihr dadurch immer theurer.“ „Die edlere Seele sucht folglich den Geliebten zur vollkommensten Aehnlichkeit mit sich selbst und mit ihrem Gotte zu bringen. Dieß ist der schöne Zweck der Vollendung, dem sie nachstrebt, und der auch den Geliebten beglückt, wenn er von dem leidenschaftlich Liebenden gefangen wird. Nun folgt eine schöne Beschreibung von der Art, wie der Wagenführer in der Seele das eine trotzige, 16) Wahrscheinlich liegt hier die Idee von dem Einfluße der Planeten unter.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/181
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/181>, abgerufen am 27.11.2024.