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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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niedrigen. Nach ihrem Tode aber erheben sie sich auf dem erlangten Gefieder, und haben den Kampf der ersten Probezeit von den Dreyen, die sie durchlaufen müssen, um wieder zum Olymp zu gelangen, glücklich bestanden. Ein größeres Glück kann weder menschliche Weisheit noch göttliche Begeisterung gewähren.

Ergaben sie sich aber einer unweisen Lebensart: wurden vielleicht ihre Seelen beym Trunk, oder durch Sorglosigkeit von den unbändigen Rossen zu einer Lust hingerissen, die nur augenblicklich und dem Scheine nach befriedigt: wiederhohlten sie diesen Genuß aber selten und nicht mit Zustimmung ihres ganzen Willens; so leben sie zwar gleichfalls während der Zeit ihrer Liebe und nachher vereinigt, aber minder eng als jene, und im Tode verlassen sie ihre Leiber zwar mit wachsendem Gefieder, aber nicht beflügelt. Sie tragen also gleichfalls einen nicht geringen Kampfpreis aus ihrer leidenschaftlichen Liebe davon. Sie werden nicht in die Finsterniß der Unterwelt hinabfahren, sondern es wartet ihrer ein glänzendes Leben, in dem sie seelig mit einander wallen. - Dieß sind die Vortheile, welche die leidenschaftliche Liebe mit sich führt. Die Verbindung mit dem leidenschaftlosen Freunde hingegen erkennt nur sterbliche Weisheit als Führerin an, und streut nur sterbliche Vortheile mit kärglicher Hand über das Leben aus. Die Gesinnungen, die sie der Seele des Freundes einflößt, sind unedel, und obwohl sie das Volk als Tugend preist, so werden sie doch den Umlauf, den die gefallene Seele neuntausend Jahre hindurch auf und unter der Erde zu machen hat, nicht abkürzen."

So weit Plato's Ideen über die Liebe im Phädrus. Man würde von einem ganz falschen Standorte ausgehen,

niedrigen. Nach ihrem Tode aber erheben sie sich auf dem erlangten Gefieder, und haben den Kampf der ersten Probezeit von den Dreyen, die sie durchlaufen müssen, um wieder zum Olymp zu gelangen, glücklich bestanden. Ein größeres Glück kann weder menschliche Weisheit noch göttliche Begeisterung gewähren.

Ergaben sie sich aber einer unweisen Lebensart: wurden vielleicht ihre Seelen beym Trunk, oder durch Sorglosigkeit von den unbändigen Rossen zu einer Lust hingerissen, die nur augenblicklich und dem Scheine nach befriedigt: wiederhohlten sie diesen Genuß aber selten und nicht mit Zustimmung ihres ganzen Willens; so leben sie zwar gleichfalls während der Zeit ihrer Liebe und nachher vereinigt, aber minder eng als jene, und im Tode verlassen sie ihre Leiber zwar mit wachsendem Gefieder, aber nicht beflügelt. Sie tragen also gleichfalls einen nicht geringen Kampfpreis aus ihrer leidenschaftlichen Liebe davon. Sie werden nicht in die Finsterniß der Unterwelt hinabfahren, sondern es wartet ihrer ein glänzendes Leben, in dem sie seelig mit einander wallen. – Dieß sind die Vortheile, welche die leidenschaftliche Liebe mit sich führt. Die Verbindung mit dem leidenschaftlosen Freunde hingegen erkennt nur sterbliche Weisheit als Führerin an, und streut nur sterbliche Vortheile mit kärglicher Hand über das Leben aus. Die Gesinnungen, die sie der Seele des Freundes einflößt, sind unedel, und obwohl sie das Volk als Tugend preist, so werden sie doch den Umlauf, den die gefallene Seele neuntausend Jahre hindurch auf und unter der Erde zu machen hat, nicht abkürzen.“

So weit Plato’s Ideen über die Liebe im Phädrus. Man würde von einem ganz falschen Standorte ausgehen,

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[184/0184] niedrigen. Nach ihrem Tode aber erheben sie sich auf dem erlangten Gefieder, und haben den Kampf der ersten Probezeit von den Dreyen, die sie durchlaufen müssen, um wieder zum Olymp zu gelangen, glücklich bestanden. Ein größeres Glück kann weder menschliche Weisheit noch göttliche Begeisterung gewähren. Ergaben sie sich aber einer unweisen Lebensart: wurden vielleicht ihre Seelen beym Trunk, oder durch Sorglosigkeit von den unbändigen Rossen zu einer Lust hingerissen, die nur augenblicklich und dem Scheine nach befriedigt: wiederhohlten sie diesen Genuß aber selten und nicht mit Zustimmung ihres ganzen Willens; so leben sie zwar gleichfalls während der Zeit ihrer Liebe und nachher vereinigt, aber minder eng als jene, und im Tode verlassen sie ihre Leiber zwar mit wachsendem Gefieder, aber nicht beflügelt. Sie tragen also gleichfalls einen nicht geringen Kampfpreis aus ihrer leidenschaftlichen Liebe davon. Sie werden nicht in die Finsterniß der Unterwelt hinabfahren, sondern es wartet ihrer ein glänzendes Leben, in dem sie seelig mit einander wallen. – Dieß sind die Vortheile, welche die leidenschaftliche Liebe mit sich führt. Die Verbindung mit dem leidenschaftlosen Freunde hingegen erkennt nur sterbliche Weisheit als Führerin an, und streut nur sterbliche Vortheile mit kärglicher Hand über das Leben aus. Die Gesinnungen, die sie der Seele des Freundes einflößt, sind unedel, und obwohl sie das Volk als Tugend preist, so werden sie doch den Umlauf, den die gefallene Seele neuntausend Jahre hindurch auf und unter der Erde zu machen hat, nicht abkürzen.“ So weit Plato’s Ideen über die Liebe im Phädrus. Man würde von einem ganz falschen Standorte ausgehen,

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/184>, abgerufen am 27.11.2024.