Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.der Aufopferung, der jeder Leidenschaft eigen ist, verleitet, Ehrbegierde mit Liebe zu verwechseln. Er belehrt uns nachher durch den Mund der Diotima weiter, daß es mehrere Arten gebe, nach Unsterblichkeit zu streben. "Einige Menschen, bey welchen mehr körperlicher Bildungstrieb herrscht, und die eben darum eine stärkere Neigung gegen das weibliche Geschlecht fühlen, hoffen Unsterblichkeit, Nachruhm und Glückseligkeit durch Kinderzeugen zu erlangen. Andere, bey welchen sich mehr geistiger als körperlicher Bildungstrieb zeigt, fühlen mehr einen Drang, etwas zu erzeugen, was der Natur des Geistes gemäß ist, d. h. was auf Weisheit und Tugend Beziehung hat. Zu diesen gehören nicht nur alle Dichter, die Schöpfer ihres Stoffes, sondern auch von den Künstlern alle diejenigen, die Selbsterfinder sind. Die schönsten Früchte aber, mit denen man schwanger geht, und die man gebähren kann, sind jene Weisheit und Gerechtigkeit, mit deren Hülfe man der öffentlichen Verwaltung und dem Hauswesen vorstehet. Wer nun aus diesem edleren Theile der Menschen den Keim zu einem solchen Produkte des Geistes schon von seiner Kindheit an in sich trägt, der hat etwas Göttliches in seiner Natur. Der Trieb zum Erzeugen erwacht in ihm, sobald er zu einiger Reife gedeiht. Auch in ihm entsteht dann ein Streben nach einem schönen Gegenstande, (denn ein häßlicher ist dazu gar nicht tauglich,) durch welchen der in seiner Seele vorhandene Stoff entbunden werde. Sein Zustand bringt es also mit sich, daß er auch Körper, und zwar die schönen mehr als die häßlichen, liebt. Findet er aber einen schönen Körper mit einer schönen, edlen, fähigen Seele vereint, so wird seine ganze Zuneigung von der Aufopferung, der jeder Leidenschaft eigen ist, verleitet, Ehrbegierde mit Liebe zu verwechseln. Er belehrt uns nachher durch den Mund der Diotima weiter, daß es mehrere Arten gebe, nach Unsterblichkeit zu streben. „Einige Menschen, bey welchen mehr körperlicher Bildungstrieb herrscht, und die eben darum eine stärkere Neigung gegen das weibliche Geschlecht fühlen, hoffen Unsterblichkeit, Nachruhm und Glückseligkeit durch Kinderzeugen zu erlangen. Andere, bey welchen sich mehr geistiger als körperlicher Bildungstrieb zeigt, fühlen mehr einen Drang, etwas zu erzeugen, was der Natur des Geistes gemäß ist, d. h. was auf Weisheit und Tugend Beziehung hat. Zu diesen gehören nicht nur alle Dichter, die Schöpfer ihres Stoffes, sondern auch von den Künstlern alle diejenigen, die Selbsterfinder sind. Die schönsten Früchte aber, mit denen man schwanger geht, und die man gebähren kann, sind jene Weisheit und Gerechtigkeit, mit deren Hülfe man der öffentlichen Verwaltung und dem Hauswesen vorstehet. Wer nun aus diesem edleren Theile der Menschen den Keim zu einem solchen Produkte des Geistes schon von seiner Kindheit an in sich trägt, der hat etwas Göttliches in seiner Natur. Der Trieb zum Erzeugen erwacht in ihm, sobald er zu einiger Reife gedeiht. Auch in ihm entsteht dann ein Streben nach einem schönen Gegenstande, (denn ein häßlicher ist dazu gar nicht tauglich,) durch welchen der in seiner Seele vorhandene Stoff entbunden werde. Sein Zustand bringt es also mit sich, daß er auch Körper, und zwar die schönen mehr als die häßlichen, liebt. Findet er aber einen schönen Körper mit einer schönen, edlen, fähigen Seele vereint, so wird seine ganze Zuneigung von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0211" n="211"/> der Aufopferung, der jeder Leidenschaft eigen ist, verleitet, Ehrbegierde mit Liebe zu verwechseln.</p> <p>Er belehrt uns nachher durch den Mund der Diotima weiter, daß es mehrere Arten gebe, nach Unsterblichkeit zu streben. „Einige Menschen, bey welchen mehr körperlicher Bildungstrieb herrscht, und die eben darum eine stärkere Neigung gegen das weibliche Geschlecht fühlen, hoffen Unsterblichkeit, Nachruhm und Glückseligkeit durch Kinderzeugen zu erlangen. Andere, bey welchen sich mehr geistiger als körperlicher Bildungstrieb zeigt, fühlen mehr einen Drang, etwas zu erzeugen, was der Natur des Geistes gemäß ist, d. h. was auf Weisheit und Tugend Beziehung hat. Zu diesen gehören nicht nur alle Dichter, die Schöpfer ihres Stoffes, sondern auch von den Künstlern alle diejenigen, die Selbsterfinder sind. Die schönsten Früchte aber, mit denen man schwanger geht, und die man gebähren kann, sind jene Weisheit und Gerechtigkeit, mit deren Hülfe man der öffentlichen Verwaltung und dem Hauswesen vorstehet. Wer nun aus diesem edleren Theile der Menschen den Keim zu einem solchen Produkte des Geistes schon von seiner Kindheit an in sich trägt, der hat etwas Göttliches in seiner Natur. Der Trieb zum Erzeugen erwacht in ihm, sobald er zu einiger Reife gedeiht. Auch in ihm entsteht dann ein Streben nach einem schönen Gegenstande, (denn ein häßlicher ist dazu gar nicht tauglich,) durch welchen der in seiner Seele vorhandene Stoff entbunden werde. Sein Zustand bringt es also mit sich, daß er auch Körper, und zwar die schönen mehr als die häßlichen, liebt. Findet er aber einen schönen Körper mit einer schönen, edlen, fähigen Seele vereint, so wird seine ganze Zuneigung von </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [211/0211]
der Aufopferung, der jeder Leidenschaft eigen ist, verleitet, Ehrbegierde mit Liebe zu verwechseln.
Er belehrt uns nachher durch den Mund der Diotima weiter, daß es mehrere Arten gebe, nach Unsterblichkeit zu streben. „Einige Menschen, bey welchen mehr körperlicher Bildungstrieb herrscht, und die eben darum eine stärkere Neigung gegen das weibliche Geschlecht fühlen, hoffen Unsterblichkeit, Nachruhm und Glückseligkeit durch Kinderzeugen zu erlangen. Andere, bey welchen sich mehr geistiger als körperlicher Bildungstrieb zeigt, fühlen mehr einen Drang, etwas zu erzeugen, was der Natur des Geistes gemäß ist, d. h. was auf Weisheit und Tugend Beziehung hat. Zu diesen gehören nicht nur alle Dichter, die Schöpfer ihres Stoffes, sondern auch von den Künstlern alle diejenigen, die Selbsterfinder sind. Die schönsten Früchte aber, mit denen man schwanger geht, und die man gebähren kann, sind jene Weisheit und Gerechtigkeit, mit deren Hülfe man der öffentlichen Verwaltung und dem Hauswesen vorstehet. Wer nun aus diesem edleren Theile der Menschen den Keim zu einem solchen Produkte des Geistes schon von seiner Kindheit an in sich trägt, der hat etwas Göttliches in seiner Natur. Der Trieb zum Erzeugen erwacht in ihm, sobald er zu einiger Reife gedeiht. Auch in ihm entsteht dann ein Streben nach einem schönen Gegenstande, (denn ein häßlicher ist dazu gar nicht tauglich,) durch welchen der in seiner Seele vorhandene Stoff entbunden werde. Sein Zustand bringt es also mit sich, daß er auch Körper, und zwar die schönen mehr als die häßlichen, liebt. Findet er aber einen schönen Körper mit einer schönen, edlen, fähigen Seele vereint, so wird seine ganze Zuneigung von
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |