Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.einzuschränken, und alle Leidenschaft zu verdammen. 1) Nichts war auch der Lage der mehrsten spätern Staatsverfassungen angemessener. Denn nach dieser konnte die Ausbildung des Bürgers zur Begeisterung und leidenschaftlichen Aufopferung seiner selbst theils wenig Nutzen schaffen, theils nur auf Rechnung gröberer Triebe gesetzt werden. Wir werden sehen, daß alle spätern Systeme in diesem Punkte zusammentreffen. Die neueren Platoniker haben sich viel mit dem Schönen und mit der Liebe beschäftigt, und dabey die bilderreichen Ideen ihres Stifters auf mancherley Art erklärt. Allein sie konnten in ihren wahren Geist nicht eindringen, und ihre Untersuchungen beschäftigten sich daher nicht sowohl mit der Liebe zum Geschlecht, als mit jener allgemeinen Anziehungskraft, wodurch die Geschöpfe unter sich und mit Gott zusammenhängen. Da man Gott als den Urquell alles Schönen, ja, für das Schöne selbst ansah, und Liebe für die Neigung zum Schönen hielt; so gab dieß Gelegenheit, eine Menge mystischer Ideen über das Verhältniß der Kreaturen zu Gott, und den Vereinigungstrieb mit ihm einfließen zu lassen, wobey man zugleich einen reichen Gebrauch von den damahligen mangelhaften Kenntnissen in der Naturlehre und Astronomie machte. Ich bin außer Stande, den Einfluß, den dieser Mysticismus auf die Ideen über die Verbindung mit dem zärteren Geschlechte gleich anfangs gehabt hat, zu beurtheilen. Aber gewiß ist es, daß er nach der Zeit, da die Neuplatonische Philosophie in die Mahumedanische 1) Questiones Tusculanae Libr. IV.
einzuschränken, und alle Leidenschaft zu verdammen. 1) Nichts war auch der Lage der mehrsten spätern Staatsverfassungen angemessener. Denn nach dieser konnte die Ausbildung des Bürgers zur Begeisterung und leidenschaftlichen Aufopferung seiner selbst theils wenig Nutzen schaffen, theils nur auf Rechnung gröberer Triebe gesetzt werden. Wir werden sehen, daß alle spätern Systeme in diesem Punkte zusammentreffen. Die neueren Platoniker haben sich viel mit dem Schönen und mit der Liebe beschäftigt, und dabey die bilderreichen Ideen ihres Stifters auf mancherley Art erklärt. Allein sie konnten in ihren wahren Geist nicht eindringen, und ihre Untersuchungen beschäftigten sich daher nicht sowohl mit der Liebe zum Geschlecht, als mit jener allgemeinen Anziehungskraft, wodurch die Geschöpfe unter sich und mit Gott zusammenhängen. Da man Gott als den Urquell alles Schönen, ja, für das Schöne selbst ansah, und Liebe für die Neigung zum Schönen hielt; so gab dieß Gelegenheit, eine Menge mystischer Ideen über das Verhältniß der Kreaturen zu Gott, und den Vereinigungstrieb mit ihm einfließen zu lassen, wobey man zugleich einen reichen Gebrauch von den damahligen mangelhaften Kenntnissen in der Naturlehre und Astronomie machte. Ich bin außer Stande, den Einfluß, den dieser Mysticismus auf die Ideen über die Verbindung mit dem zärteren Geschlechte gleich anfangs gehabt hat, zu beurtheilen. Aber gewiß ist es, daß er nach der Zeit, da die Neuplatonische Philosophie in die Mahumedanische 1) Questiones Tusculanae Libr. IV.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0239" n="239"/> einzuschränken, und alle Leidenschaft zu verdammen. <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Questiones Tusculanae Libr. IV.</hi></note> Nichts war auch der Lage der mehrsten spätern Staatsverfassungen angemessener. Denn nach dieser konnte die Ausbildung des Bürgers zur Begeisterung und leidenschaftlichen Aufopferung seiner selbst theils wenig Nutzen schaffen, theils nur auf Rechnung gröberer Triebe gesetzt werden. Wir werden sehen, daß alle spätern Systeme in diesem Punkte zusammentreffen.</p> <p>Die neueren Platoniker haben sich viel mit dem Schönen und mit der Liebe beschäftigt, und dabey die bilderreichen Ideen ihres Stifters auf mancherley Art erklärt. Allein sie konnten in ihren wahren Geist nicht eindringen, und ihre Untersuchungen beschäftigten sich daher nicht sowohl mit der Liebe zum Geschlecht, als mit jener allgemeinen Anziehungskraft, wodurch die Geschöpfe unter sich und mit Gott zusammenhängen. Da man Gott als den Urquell alles Schönen, ja, für das Schöne selbst ansah, und Liebe für die Neigung zum Schönen hielt; so gab dieß Gelegenheit, eine Menge mystischer Ideen über das Verhältniß der Kreaturen zu Gott, und den Vereinigungstrieb mit ihm einfließen zu lassen, wobey man zugleich einen reichen Gebrauch von den damahligen mangelhaften Kenntnissen in der Naturlehre und Astronomie machte.</p> <p>Ich bin außer Stande, den Einfluß, den dieser Mysticismus auf die Ideen über die Verbindung mit dem zärteren Geschlechte gleich anfangs gehabt hat, zu beurtheilen. Aber gewiß ist es, daß er nach der Zeit, da die Neuplatonische Philosophie in die Mahumedanische </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [239/0239]
einzuschränken, und alle Leidenschaft zu verdammen. 1) Nichts war auch der Lage der mehrsten spätern Staatsverfassungen angemessener. Denn nach dieser konnte die Ausbildung des Bürgers zur Begeisterung und leidenschaftlichen Aufopferung seiner selbst theils wenig Nutzen schaffen, theils nur auf Rechnung gröberer Triebe gesetzt werden. Wir werden sehen, daß alle spätern Systeme in diesem Punkte zusammentreffen.
Die neueren Platoniker haben sich viel mit dem Schönen und mit der Liebe beschäftigt, und dabey die bilderreichen Ideen ihres Stifters auf mancherley Art erklärt. Allein sie konnten in ihren wahren Geist nicht eindringen, und ihre Untersuchungen beschäftigten sich daher nicht sowohl mit der Liebe zum Geschlecht, als mit jener allgemeinen Anziehungskraft, wodurch die Geschöpfe unter sich und mit Gott zusammenhängen. Da man Gott als den Urquell alles Schönen, ja, für das Schöne selbst ansah, und Liebe für die Neigung zum Schönen hielt; so gab dieß Gelegenheit, eine Menge mystischer Ideen über das Verhältniß der Kreaturen zu Gott, und den Vereinigungstrieb mit ihm einfließen zu lassen, wobey man zugleich einen reichen Gebrauch von den damahligen mangelhaften Kenntnissen in der Naturlehre und Astronomie machte.
Ich bin außer Stande, den Einfluß, den dieser Mysticismus auf die Ideen über die Verbindung mit dem zärteren Geschlechte gleich anfangs gehabt hat, zu beurtheilen. Aber gewiß ist es, daß er nach der Zeit, da die Neuplatonische Philosophie in die Mahumedanische
1) Questiones Tusculanae Libr. IV.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |