Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Anstoß zu heben suchen, den der römische Zuschauer an gewissen Sitten nehmen könnte, die mit den seinigen im Widerspruche stehen. Gebe ich daher gern zu, daß Plautus seinen griechischen Vorbildern auf eine freyere, mehr genialische Art nachgeahmt habe, als Terenz; so bleibt es mir doch immer höchst wahrscheinlich, daß er einen griechischen Stoff in den mehrsten seiner Schauspiele bearbeitet, und hauptsächlich griechische Sitten dargestellt habe. Wir finden nun beym Plautus den Begriff der Liebe, als einer Neigung, sich selbst zu vergessen, und sich für das Wohl des Andern aufzuopfern, bereits fest gegründet. In dem Schauspiele Cistellaria kommt ein freygebornes, äußerst liebendes Mädchen vor. Silenium, so heißt die Person, glaubt sich von ihrem Geliebten Alcesimarchus betrogen, der eine Andere heirathen soll. Demungeachtet widersteht sie dem Verlangen ihrer Mutter, ihm die Thüre zu weisen. Sie sagt vielmehr ihrer Freundin beym Abgehen: Sollte in meiner Abwesenheit Alcesimarchus kommen, o so schelte ihn nicht! Denn so wenig er es auch um mich verdient hat, so ist er mir doch theuer: so will ich ihn doch im Geheimen lieben. Drum sag ihm nichts, was ihn kranken könnte!" In dem Amphytruo werden der Alcmena wirklich hohe Empfindungen der Liebe beygelegt. Ihr Gemahl hat sie nach einem kurzen Besuche wieder verlassen, um zur Armee zurückzukehren. "Jetzt bin ich wieder so allein, ruft sie aus, da derjenige entfernt ist, den ich über Alles liebe! Der Schmerz über seine Abreise überwiegt die Freude über seine Ankunft! Anstoß zu heben suchen, den der römische Zuschauer an gewissen Sitten nehmen könnte, die mit den seinigen im Widerspruche stehen. Gebe ich daher gern zu, daß Plautus seinen griechischen Vorbildern auf eine freyere, mehr genialische Art nachgeahmt habe, als Terenz; so bleibt es mir doch immer höchst wahrscheinlich, daß er einen griechischen Stoff in den mehrsten seiner Schauspiele bearbeitet, und hauptsächlich griechische Sitten dargestellt habe. Wir finden nun beym Plautus den Begriff der Liebe, als einer Neigung, sich selbst zu vergessen, und sich für das Wohl des Andern aufzuopfern, bereits fest gegründet. In dem Schauspiele Cistellaria kommt ein freygebornes, äußerst liebendes Mädchen vor. Silenium, so heißt die Person, glaubt sich von ihrem Geliebten Alcesimarchus betrogen, der eine Andere heirathen soll. Demungeachtet widersteht sie dem Verlangen ihrer Mutter, ihm die Thüre zu weisen. Sie sagt vielmehr ihrer Freundin beym Abgehen: Sollte in meiner Abwesenheit Alcesimarchus kommen, o so schelte ihn nicht! Denn so wenig er es auch um mich verdient hat, so ist er mir doch theuer: so will ich ihn doch im Geheimen lieben. Drum sag ihm nichts, was ihn kranken könnte!“ In dem Amphytruo werden der Alcmena wirklich hohe Empfindungen der Liebe beygelegt. Ihr Gemahl hat sie nach einem kurzen Besuche wieder verlassen, um zur Armee zurückzukehren. „Jetzt bin ich wieder so allein, ruft sie aus, da derjenige entfernt ist, den ich über Alles liebe! Der Schmerz über seine Abreise überwiegt die Freude über seine Ankunft! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0271" n="271"/> Anstoß zu heben suchen, den der römische Zuschauer an gewissen Sitten nehmen könnte, die mit den seinigen im Widerspruche stehen. Gebe ich daher gern zu, daß Plautus seinen griechischen Vorbildern auf eine freyere, mehr genialische Art nachgeahmt habe, als Terenz; so bleibt es mir doch immer höchst wahrscheinlich, daß er einen griechischen Stoff in den mehrsten seiner Schauspiele bearbeitet, und hauptsächlich griechische Sitten dargestellt habe.</p> <p>Wir finden nun beym Plautus den Begriff der Liebe, als einer Neigung, sich selbst zu vergessen, und sich für das Wohl des Andern aufzuopfern, bereits fest gegründet.</p> <p>In dem Schauspiele <hi rendition="#aq">Cistellaria</hi> kommt ein freygebornes, äußerst liebendes Mädchen vor. Silenium, so heißt die Person, glaubt sich von ihrem Geliebten Alcesimarchus betrogen, der eine Andere heirathen soll. Demungeachtet widersteht sie dem Verlangen ihrer Mutter, ihm die Thüre zu weisen. Sie sagt vielmehr ihrer Freundin beym Abgehen: Sollte in meiner Abwesenheit Alcesimarchus kommen, o so schelte ihn nicht! Denn so wenig er es auch um mich verdient hat, so ist er mir doch theuer: so will ich ihn doch im Geheimen lieben. Drum sag ihm nichts, was ihn kranken könnte!“</p> <p>In dem <hi rendition="#g">Amphytruo</hi> werden der <hi rendition="#g">Alcmena</hi> wirklich hohe Empfindungen der Liebe beygelegt. Ihr Gemahl hat sie nach einem kurzen Besuche wieder verlassen, um zur Armee zurückzukehren. „Jetzt bin ich wieder so allein, ruft sie aus, da derjenige entfernt ist, den ich über Alles liebe! Der Schmerz über seine Abreise überwiegt die Freude über seine Ankunft! </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [271/0271]
Anstoß zu heben suchen, den der römische Zuschauer an gewissen Sitten nehmen könnte, die mit den seinigen im Widerspruche stehen. Gebe ich daher gern zu, daß Plautus seinen griechischen Vorbildern auf eine freyere, mehr genialische Art nachgeahmt habe, als Terenz; so bleibt es mir doch immer höchst wahrscheinlich, daß er einen griechischen Stoff in den mehrsten seiner Schauspiele bearbeitet, und hauptsächlich griechische Sitten dargestellt habe.
Wir finden nun beym Plautus den Begriff der Liebe, als einer Neigung, sich selbst zu vergessen, und sich für das Wohl des Andern aufzuopfern, bereits fest gegründet.
In dem Schauspiele Cistellaria kommt ein freygebornes, äußerst liebendes Mädchen vor. Silenium, so heißt die Person, glaubt sich von ihrem Geliebten Alcesimarchus betrogen, der eine Andere heirathen soll. Demungeachtet widersteht sie dem Verlangen ihrer Mutter, ihm die Thüre zu weisen. Sie sagt vielmehr ihrer Freundin beym Abgehen: Sollte in meiner Abwesenheit Alcesimarchus kommen, o so schelte ihn nicht! Denn so wenig er es auch um mich verdient hat, so ist er mir doch theuer: so will ich ihn doch im Geheimen lieben. Drum sag ihm nichts, was ihn kranken könnte!“
In dem Amphytruo werden der Alcmena wirklich hohe Empfindungen der Liebe beygelegt. Ihr Gemahl hat sie nach einem kurzen Besuche wieder verlassen, um zur Armee zurückzukehren. „Jetzt bin ich wieder so allein, ruft sie aus, da derjenige entfernt ist, den ich über Alles liebe! Der Schmerz über seine Abreise überwiegt die Freude über seine Ankunft!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/271 |
Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/271>, abgerufen am 17.06.2024. |