Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.den ausgezeichnetsten Jünglingen entgegenzustellen, und diese letzten durch den Kontrast zu heben! Nur die Kunst ist zu loben, mit der Lucian eine schlechte Sache vertheidigt! Eben dieser Schriftsteller hat uns einige Dialogen hinterlassen, worin er die Sitten der Hetären schildert. Es sind Redeübungen, wozu der Stoff aus den ältern Komikern hergenommen ist. Es bleibt daher zweifelhaft, ob sie auf die Sitten der Zeitgenossen des Verfassers passen. So viel aber ist gewiß, daß sie Buhlerinnen von sehr gemeinem Schlage darstellen. Wir haben außerdem von ihm ein sehr merkwürdiges Denkmahl der immer wachsenden Adulation für das weibliche Geschlecht: Das Portrait einer Dame von Stande, worin alle physischen und moralischen Vollkommenheiten aufgezählt sind, die sich an einem Weibe vereinigt denken lassen. Es hat unzählige Nachfolger erzeugt; vielleicht aber ist dieß das erste Beyspiel jener frostigen und faden Galanterie, die zuerst an Höfen, und nachher auch in der größern Gesellschaft, dem schönen Geschlechte durch übertriebene Schmeicheleyen zu huldigen gesucht hat. Sollte dieß Portrait eine Satyre seyn, so würde diese eine damahls eingerissene, den frühern Griechen aber gewiß unbekannte Sitte beweisen. Endlich haben wir aus diesen Zeiten ein Mährchen, zu dem die Liebe den Stoff hergegeben hat: Psyche, vom Apulejus lateinisch geschrieben, aber gewiß aus dem Griechischen entlehnt. Wahrscheinlich hat eine Pantomime aus den früheren Zeiten zur Grundlage gedient: denn beynahe alle Situationen sind mahlerisch, und lassen sich durch den ausgezeichnetsten Jünglingen entgegenzustellen, und diese letzten durch den Kontrast zu heben! Nur die Kunst ist zu loben, mit der Lucian eine schlechte Sache vertheidigt! Eben dieser Schriftsteller hat uns einige Dialogen hinterlassen, worin er die Sitten der Hetären schildert. Es sind Redeübungen, wozu der Stoff aus den ältern Komikern hergenommen ist. Es bleibt daher zweifelhaft, ob sie auf die Sitten der Zeitgenossen des Verfassers passen. So viel aber ist gewiß, daß sie Buhlerinnen von sehr gemeinem Schlage darstellen. Wir haben außerdem von ihm ein sehr merkwürdiges Denkmahl der immer wachsenden Adulation für das weibliche Geschlecht: Das Portrait einer Dame von Stande, worin alle physischen und moralischen Vollkommenheiten aufgezählt sind, die sich an einem Weibe vereinigt denken lassen. Es hat unzählige Nachfolger erzeugt; vielleicht aber ist dieß das erste Beyspiel jener frostigen und faden Galanterie, die zuerst an Höfen, und nachher auch in der größern Gesellschaft, dem schönen Geschlechte durch übertriebene Schmeicheleyen zu huldigen gesucht hat. Sollte dieß Portrait eine Satyre seyn, so würde diese eine damahls eingerissene, den frühern Griechen aber gewiß unbekannte Sitte beweisen. Endlich haben wir aus diesen Zeiten ein Mährchen, zu dem die Liebe den Stoff hergegeben hat: Psyche, vom Apulejus lateinisch geschrieben, aber gewiß aus dem Griechischen entlehnt. Wahrscheinlich hat eine Pantomime aus den früheren Zeiten zur Grundlage gedient: denn beynahe alle Situationen sind mahlerisch, und lassen sich durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0281" n="281"/> den ausgezeichnetsten Jünglingen entgegenzustellen, und diese letzten durch den Kontrast zu heben! 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den ausgezeichnetsten Jünglingen entgegenzustellen, und diese letzten durch den Kontrast zu heben! Nur die Kunst ist zu loben, mit der Lucian eine schlechte Sache vertheidigt!
Eben dieser Schriftsteller hat uns einige Dialogen hinterlassen, worin er die Sitten der Hetären schildert. Es sind Redeübungen, wozu der Stoff aus den ältern Komikern hergenommen ist. Es bleibt daher zweifelhaft, ob sie auf die Sitten der Zeitgenossen des Verfassers passen. So viel aber ist gewiß, daß sie Buhlerinnen von sehr gemeinem Schlage darstellen.
Wir haben außerdem von ihm ein sehr merkwürdiges Denkmahl der immer wachsenden Adulation für das weibliche Geschlecht: Das Portrait einer Dame von Stande, worin alle physischen und moralischen Vollkommenheiten aufgezählt sind, die sich an einem Weibe vereinigt denken lassen. Es hat unzählige Nachfolger erzeugt; vielleicht aber ist dieß das erste Beyspiel jener frostigen und faden Galanterie, die zuerst an Höfen, und nachher auch in der größern Gesellschaft, dem schönen Geschlechte durch übertriebene Schmeicheleyen zu huldigen gesucht hat. Sollte dieß Portrait eine Satyre seyn, so würde diese eine damahls eingerissene, den frühern Griechen aber gewiß unbekannte Sitte beweisen.
Endlich haben wir aus diesen Zeiten ein Mährchen, zu dem die Liebe den Stoff hergegeben hat: Psyche, vom Apulejus lateinisch geschrieben, aber gewiß aus dem Griechischen entlehnt.
Wahrscheinlich hat eine Pantomime aus den früheren Zeiten zur Grundlage gedient: denn beynahe alle Situationen sind mahlerisch, und lassen sich durch
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