Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Schmerzes überlasse, sich aber bald tröste, wenn es nur übrigens schicklich behandelt würde. Die Mütter, welche ihre Liebe ganz auf ihre Kinder wendeten, wären die glücklichsten, und fänden zugleich in ihr einen Grund, das gute Vernehmen mit dem Vater möglichst zu bewahren. Eine Zeitlang nach der Hochzeit, erzählt uns Russel weiter, hält sich der junge Türke nur an seine Gattin, und erst wenn er älter und Herr seines Vermögens wird, legt er sich mehrere Weiber zu. Ob es gleich Grundsatz ist, das Vergnügen in der Abwechselung zu suchen, so bleibt doch Mancher auf Lebenslang an einem Gegenstand gefesselt, der ihm, wenn er gleich durch Sinnlichkeit zu vorübergehenden Ausschweifungen hingerissen wird, immer wieder zurückruft, und oft mehr durch sein Benehmen, als durch die Macht seiner körperlichen Reitze fesselt. Die erste Gattin ist gewöhnlich auch die erste im Range unter den Bewohnerinnen des Harems, und genießt einer gewissen Achtung von allen übrigen. Wohnen mehrere Familien zusammen, so hat die Frau des Vaters, oder nach ihrem Tode die des ältern Bruders den Vorsitz. Sie hat eine große Macht in dem Harem, und nutzt diese, um Unordnungen und Zwisten vorzubeugen. Russel erklärt sich durchaus dagegen, daß die eheliche Treue durch heimliche Intriguen oft gebrochen werde. Er behauptet aber auch, daß nicht bloß die äußern Hindernisse, sondern früh eingeprägte Sittsamkeit das zärtere Geschlecht vor Ausschweifungen bewahren. Er versucht es auf alle Art, uns zu überreden, daß das Glück ehelicher Verbindungen nicht geringer Schmerzes überlasse, sich aber bald tröste, wenn es nur übrigens schicklich behandelt würde. Die Mütter, welche ihre Liebe ganz auf ihre Kinder wendeten, wären die glücklichsten, und fänden zugleich in ihr einen Grund, das gute Vernehmen mit dem Vater möglichst zu bewahren. Eine Zeitlang nach der Hochzeit, erzählt uns Russel weiter, hält sich der junge Türke nur an seine Gattin, und erst wenn er älter und Herr seines Vermögens wird, legt er sich mehrere Weiber zu. Ob es gleich Grundsatz ist, das Vergnügen in der Abwechselung zu suchen, so bleibt doch Mancher auf Lebenslang an einem Gegenstand gefesselt, der ihm, wenn er gleich durch Sinnlichkeit zu vorübergehenden Ausschweifungen hingerissen wird, immer wieder zurückruft, und oft mehr durch sein Benehmen, als durch die Macht seiner körperlichen Reitze fesselt. Die erste Gattin ist gewöhnlich auch die erste im Range unter den Bewohnerinnen des Harems, und genießt einer gewissen Achtung von allen übrigen. Wohnen mehrere Familien zusammen, so hat die Frau des Vaters, oder nach ihrem Tode die des ältern Bruders den Vorsitz. Sie hat eine große Macht in dem Harem, und nutzt diese, um Unordnungen und Zwisten vorzubeugen. Russel erklärt sich durchaus dagegen, daß die eheliche Treue durch heimliche Intriguen oft gebrochen werde. Er behauptet aber auch, daß nicht bloß die äußern Hindernisse, sondern früh eingeprägte Sittsamkeit das zärtere Geschlecht vor Ausschweifungen bewahren. Er versucht es auf alle Art, uns zu überreden, daß das Glück ehelicher Verbindungen nicht geringer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0029" n="29"/> Schmerzes überlasse, sich aber bald tröste, wenn es nur übrigens schicklich behandelt würde. Die Mütter, welche ihre Liebe ganz auf ihre Kinder wendeten, wären die glücklichsten, und fänden zugleich in ihr einen Grund, das gute Vernehmen mit dem Vater möglichst zu bewahren.</p> <p>Eine Zeitlang nach der Hochzeit, erzählt uns Russel weiter, hält sich der junge Türke nur an seine Gattin, und erst wenn er älter und Herr seines Vermögens wird, legt er sich mehrere Weiber zu. Ob es gleich Grundsatz ist, das Vergnügen in der Abwechselung zu suchen, so bleibt doch Mancher auf Lebenslang an einem Gegenstand gefesselt, der ihm, wenn er gleich durch Sinnlichkeit zu vorübergehenden Ausschweifungen hingerissen wird, immer wieder zurückruft, und oft mehr durch sein Benehmen, als durch die Macht seiner körperlichen Reitze fesselt.</p> <p>Die erste Gattin ist gewöhnlich auch die erste im Range unter den Bewohnerinnen des Harems, und genießt einer gewissen Achtung von allen übrigen. Wohnen mehrere Familien zusammen, so hat die Frau des Vaters, oder nach ihrem Tode die des ältern Bruders den Vorsitz. Sie hat eine große Macht in dem Harem, und nutzt diese, um Unordnungen und Zwisten vorzubeugen.</p> <p>Russel erklärt sich durchaus dagegen, daß die eheliche Treue durch heimliche Intriguen oft gebrochen werde. Er behauptet aber auch, daß nicht bloß die äußern Hindernisse, sondern früh eingeprägte Sittsamkeit das zärtere Geschlecht vor Ausschweifungen bewahren. Er versucht es auf alle Art, uns zu überreden, daß das Glück ehelicher Verbindungen nicht geringer </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0029]
Schmerzes überlasse, sich aber bald tröste, wenn es nur übrigens schicklich behandelt würde. Die Mütter, welche ihre Liebe ganz auf ihre Kinder wendeten, wären die glücklichsten, und fänden zugleich in ihr einen Grund, das gute Vernehmen mit dem Vater möglichst zu bewahren.
Eine Zeitlang nach der Hochzeit, erzählt uns Russel weiter, hält sich der junge Türke nur an seine Gattin, und erst wenn er älter und Herr seines Vermögens wird, legt er sich mehrere Weiber zu. Ob es gleich Grundsatz ist, das Vergnügen in der Abwechselung zu suchen, so bleibt doch Mancher auf Lebenslang an einem Gegenstand gefesselt, der ihm, wenn er gleich durch Sinnlichkeit zu vorübergehenden Ausschweifungen hingerissen wird, immer wieder zurückruft, und oft mehr durch sein Benehmen, als durch die Macht seiner körperlichen Reitze fesselt.
Die erste Gattin ist gewöhnlich auch die erste im Range unter den Bewohnerinnen des Harems, und genießt einer gewissen Achtung von allen übrigen. Wohnen mehrere Familien zusammen, so hat die Frau des Vaters, oder nach ihrem Tode die des ältern Bruders den Vorsitz. Sie hat eine große Macht in dem Harem, und nutzt diese, um Unordnungen und Zwisten vorzubeugen.
Russel erklärt sich durchaus dagegen, daß die eheliche Treue durch heimliche Intriguen oft gebrochen werde. Er behauptet aber auch, daß nicht bloß die äußern Hindernisse, sondern früh eingeprägte Sittsamkeit das zärtere Geschlecht vor Ausschweifungen bewahren. Er versucht es auf alle Art, uns zu überreden, daß das Glück ehelicher Verbindungen nicht geringer
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