Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.ist diejenige Verschönerung gewesen, die man der Liebe geben zu müssen geglaubt hat. Allein man hüte sich wohl, den Standpunkt zu verfehlen, aus dem jene Schriftsteller die Denkungsart ihrer Zeitgenossen betrachtet haben. Sie wollten die schädlichen Folgen eines übertriebenen Luxus schildern: sie wollten den Einfluß darstellen, den ein verdorbener Hof auf die Menge haben muß. Sie hielten die Römer der damahligen Zeit mit denjenigen zusammen, die unter der freyen Republik gelebt hatten, und es ist begreiflich, daß der gewöhnliche Fehler der Lobredner vergangener Zeiten, Alles ins Schöne zu heben, hier mehr als sonst Entschuldigung verdient. Der Philosoph hat immer Recht, ein Volk für höchst verdorben zu erklären, wenn diejenigen Bürger, die vermöge ihres Ansehns zu der sogenannten guten Gesellschaft gehören, der Zügellosigkeit mehrerer ihrer Mitglieder nachsehen, oder sogar, der Verachtung die sie einflößen ungeachtet, eigennützig um ihre Gunst und ihren Beyfall buhlen. Er hat ein desto größeres Recht dazu, weil es beynahe nicht fehlen kann, daß schwache Menschen, die sich in ihrem Betragen nur durch den Nachahmungstrieb leiten lassen, diejenigen unter ihren Mitbürgern, die sich durch Ausschweifungen auszeichnen, und die sie demungeachtet geehrt sehen, zu Mustern wählen, und sich durch ähnliche Laster ihnen gleich zu stellen suchen. Keinesweges aber mag daraus gefolgert werden, daß die Mehrheit der Mitglieder der sogenannten guten Gesellschaft den festen Grundsatz angenommen habe, sich über Sittlichkeit, oder deren Schein, den ist diejenige Verschönerung gewesen, die man der Liebe geben zu müssen geglaubt hat. Allein man hüte sich wohl, den Standpunkt zu verfehlen, aus dem jene Schriftsteller die Denkungsart ihrer Zeitgenossen betrachtet haben. Sie wollten die schädlichen Folgen eines übertriebenen Luxus schildern: sie wollten den Einfluß darstellen, den ein verdorbener Hof auf die Menge haben muß. Sie hielten die Römer der damahligen Zeit mit denjenigen zusammen, die unter der freyen Republik gelebt hatten, und es ist begreiflich, daß der gewöhnliche Fehler der Lobredner vergangener Zeiten, Alles ins Schöne zu heben, hier mehr als sonst Entschuldigung verdient. Der Philosoph hat immer Recht, ein Volk für höchst verdorben zu erklären, wenn diejenigen Bürger, die vermöge ihres Ansehns zu der sogenannten guten Gesellschaft gehören, der Zügellosigkeit mehrerer ihrer Mitglieder nachsehen, oder sogar, der Verachtung die sie einflößen ungeachtet, eigennützig um ihre Gunst und ihren Beyfall buhlen. Er hat ein desto größeres Recht dazu, weil es beynahe nicht fehlen kann, daß schwache Menschen, die sich in ihrem Betragen nur durch den Nachahmungstrieb leiten lassen, diejenigen unter ihren Mitbürgern, die sich durch Ausschweifungen auszeichnen, und die sie demungeachtet geehrt sehen, zu Mustern wählen, und sich durch ähnliche Laster ihnen gleich zu stellen suchen. Keinesweges aber mag daraus gefolgert werden, daß die Mehrheit der Mitglieder der sogenannten guten Gesellschaft den festen Grundsatz angenommen habe, sich über Sittlichkeit, oder deren Schein, den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0300" n="300"/> ist diejenige Verschönerung gewesen, die man der Liebe geben zu müssen geglaubt hat.</p> <p>Allein man hüte sich wohl, den Standpunkt zu verfehlen, aus dem jene Schriftsteller die Denkungsart ihrer Zeitgenossen betrachtet haben. 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Er hat ein desto größeres Recht dazu, weil es beynahe nicht fehlen kann, daß schwache Menschen, die sich in ihrem Betragen nur durch den Nachahmungstrieb leiten lassen, diejenigen unter ihren Mitbürgern, die sich durch Ausschweifungen auszeichnen, und die sie demungeachtet geehrt sehen, zu Mustern wählen, und sich durch ähnliche Laster ihnen gleich zu stellen suchen.</p> <p>Keinesweges aber mag daraus gefolgert werden, daß die Mehrheit der Mitglieder der sogenannten guten Gesellschaft den festen Grundsatz angenommen habe, sich über Sittlichkeit, oder deren Schein, den </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [300/0300]
ist diejenige Verschönerung gewesen, die man der Liebe geben zu müssen geglaubt hat.
Allein man hüte sich wohl, den Standpunkt zu verfehlen, aus dem jene Schriftsteller die Denkungsart ihrer Zeitgenossen betrachtet haben. Sie wollten die schädlichen Folgen eines übertriebenen Luxus schildern: sie wollten den Einfluß darstellen, den ein verdorbener Hof auf die Menge haben muß. Sie hielten die Römer der damahligen Zeit mit denjenigen zusammen, die unter der freyen Republik gelebt hatten, und es ist begreiflich, daß der gewöhnliche Fehler der Lobredner vergangener Zeiten, Alles ins Schöne zu heben, hier mehr als sonst Entschuldigung verdient.
Der Philosoph hat immer Recht, ein Volk für höchst verdorben zu erklären, wenn diejenigen Bürger, die vermöge ihres Ansehns zu der sogenannten guten Gesellschaft gehören, der Zügellosigkeit mehrerer ihrer Mitglieder nachsehen, oder sogar, der Verachtung die sie einflößen ungeachtet, eigennützig um ihre Gunst und ihren Beyfall buhlen. Er hat ein desto größeres Recht dazu, weil es beynahe nicht fehlen kann, daß schwache Menschen, die sich in ihrem Betragen nur durch den Nachahmungstrieb leiten lassen, diejenigen unter ihren Mitbürgern, die sich durch Ausschweifungen auszeichnen, und die sie demungeachtet geehrt sehen, zu Mustern wählen, und sich durch ähnliche Laster ihnen gleich zu stellen suchen.
Keinesweges aber mag daraus gefolgert werden, daß die Mehrheit der Mitglieder der sogenannten guten Gesellschaft den festen Grundsatz angenommen habe, sich über Sittlichkeit, oder deren Schein, den
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