Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

undelikat ist die Rede, die er ihr bey dieser Gelegenheit in den Mund legt! Mit welchem Leichtsinn scherzt er über die Untreue, die er an Cynthien begangen hat, als er von ihr in einer mehr als verdächtigen Lage zwischen zwey gutwilligen Mädchen überrascht wird! 55) Seine Klagen über die Grausamkeit seines Mädchens haben selten das Gepräge der Wahrheit. 56) Seine Eifersucht verräth die Anmaßungen einer kleinlichen Eitelkeit, oder muß wegen der Uebertreibung, die in ihren Aeußerungen herrscht, wohl gar für eine erlogene Empfindung angesehen werden. 57) Seine Vorwürfe sind ohne alle Zartheit des Gefühls: 58) seine Drohungen entweder von aller Beymischung liebender Schonung entblößt: 59) oder in einem mehr scherzenden als ernsten Tone geäußert. 60) Wer kann es für etwas anders, als für eine Dichterwendung halten, wenn er Cynthiens Untreue durch sein Stillschweigen von ihr, oder durch einen bloßen Vers zu bestrafen verspricht? Doch erscheint selbst in der Anmaßung, mit der er auf sein Dichtertalent trotzt, eine Verschiedenheit von der Denkungsart des Tibull.

55) Elegie 8. im vierten Buche.
56) S. besonders die 18te Elegie im ersten Buche. Sie hat einige Aehnlichkeit mit dem Sonnet des Petrarka: Solo e pensoso i piu deserti campi. Aber wenn man sie mit einander vergleicht, so kommt es einem vor, als ob Properz nur zum Scherz seine Klagen anstimme.
57) Elegie 6. des zweyten B.
58) Elegie 18. dess. B.
59) Elegie 8. des dritten B.
60) Elegie 5. dess. B.

undelikat ist die Rede, die er ihr bey dieser Gelegenheit in den Mund legt! Mit welchem Leichtsinn scherzt er über die Untreue, die er an Cynthien begangen hat, als er von ihr in einer mehr als verdächtigen Lage zwischen zwey gutwilligen Mädchen überrascht wird! 55) Seine Klagen über die Grausamkeit seines Mädchens haben selten das Gepräge der Wahrheit. 56) Seine Eifersucht verräth die Anmaßungen einer kleinlichen Eitelkeit, oder muß wegen der Uebertreibung, die in ihren Aeußerungen herrscht, wohl gar für eine erlogene Empfindung angesehen werden. 57) Seine Vorwürfe sind ohne alle Zartheit des Gefühls: 58) seine Drohungen entweder von aller Beymischung liebender Schonung entblößt: 59) oder in einem mehr scherzenden als ernsten Tone geäußert. 60) Wer kann es für etwas anders, als für eine Dichterwendung halten, wenn er Cynthiens Untreue durch sein Stillschweigen von ihr, oder durch einen bloßen Vers zu bestrafen verspricht? Doch erscheint selbst in der Anmaßung, mit der er auf sein Dichtertalent trotzt, eine Verschiedenheit von der Denkungsart des Tibull.

55) Elegie 8. im vierten Buche.
56) S. besonders die 18te Elegie im ersten Buche. Sie hat einige Aehnlichkeit mit dem Sonnet des Petrarka: Solo e pensoso i più deserti campi. Aber wenn man sie mit einander vergleicht, so kommt es einem vor, als ob Properz nur zum Scherz seine Klagen anstimme.
57) Elegie 6. des zweyten B.
58) Elegie 18. dess. B.
59) Elegie 8. des dritten B.
60) Elegie 5. dess. B.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0333" n="333"/>
undelikat ist die Rede, die er ihr bey dieser Gelegenheit in den Mund legt! Mit welchem Leichtsinn scherzt er über die Untreue, die er an Cynthien begangen hat, als er von ihr in einer mehr als verdächtigen Lage zwischen zwey gutwilligen Mädchen überrascht wird! <note place="foot" n="55)">Elegie 8. im vierten Buche.</note> Seine Klagen über die Grausamkeit seines Mädchens haben selten das Gepräge der Wahrheit. <note place="foot" n="56)">S. besonders die 18te Elegie im ersten Buche. Sie hat einige Aehnlichkeit mit dem <hi rendition="#aq">Sonnet</hi> des Petrarka: <hi rendition="#aq">Solo e pensoso i più deserti campi.</hi> Aber wenn man sie mit <choice><sic>eiander</sic><corr>einander</corr></choice> vergleicht, so kommt es einem vor, als ob Properz nur zum Scherz seine Klagen anstimme.</note> Seine Eifersucht verräth die Anmaßungen einer kleinlichen Eitelkeit, oder muß wegen der Uebertreibung, die in ihren Aeußerungen herrscht, wohl gar für eine erlogene Empfindung angesehen werden. <note place="foot" n="57)">Elegie 6. des zweyten B.</note> Seine Vorwürfe sind ohne alle Zartheit des Gefühls: <note place="foot" n="58)">Elegie 18. dess. B.</note> seine Drohungen entweder von aller Beymischung liebender Schonung entblößt: <note place="foot" n="59)">Elegie 8. des dritten B.</note> oder in einem mehr scherzenden als ernsten Tone geäußert. <note place="foot" n="60)">Elegie 5. dess. B.</note> Wer kann es für etwas anders, als für eine Dichterwendung halten, wenn er Cynthiens Untreue durch sein Stillschweigen von ihr, oder durch einen bloßen Vers zu bestrafen verspricht? Doch erscheint selbst in der Anmaßung, mit der er auf sein Dichtertalent trotzt, eine Verschiedenheit von der Denkungsart des Tibull.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[333/0333] undelikat ist die Rede, die er ihr bey dieser Gelegenheit in den Mund legt! Mit welchem Leichtsinn scherzt er über die Untreue, die er an Cynthien begangen hat, als er von ihr in einer mehr als verdächtigen Lage zwischen zwey gutwilligen Mädchen überrascht wird! 55) Seine Klagen über die Grausamkeit seines Mädchens haben selten das Gepräge der Wahrheit. 56) Seine Eifersucht verräth die Anmaßungen einer kleinlichen Eitelkeit, oder muß wegen der Uebertreibung, die in ihren Aeußerungen herrscht, wohl gar für eine erlogene Empfindung angesehen werden. 57) Seine Vorwürfe sind ohne alle Zartheit des Gefühls: 58) seine Drohungen entweder von aller Beymischung liebender Schonung entblößt: 59) oder in einem mehr scherzenden als ernsten Tone geäußert. 60) Wer kann es für etwas anders, als für eine Dichterwendung halten, wenn er Cynthiens Untreue durch sein Stillschweigen von ihr, oder durch einen bloßen Vers zu bestrafen verspricht? Doch erscheint selbst in der Anmaßung, mit der er auf sein Dichtertalent trotzt, eine Verschiedenheit von der Denkungsart des Tibull. 55) Elegie 8. im vierten Buche. 56) S. besonders die 18te Elegie im ersten Buche. Sie hat einige Aehnlichkeit mit dem Sonnet des Petrarka: Solo e pensoso i più deserti campi. Aber wenn man sie mit einander vergleicht, so kommt es einem vor, als ob Properz nur zum Scherz seine Klagen anstimme. 57) Elegie 6. des zweyten B. 58) Elegie 18. dess. B. 59) Elegie 8. des dritten B. 60) Elegie 5. dess. B.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/333
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/333>, abgerufen am 21.11.2024.