Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.der höheren Vortrefflichkeit abgestohlen waren. Das Weib wird im schönsten Lichte dargestellt, geziert durch Keuschheit und jede feinere weibliche Empfindung. Der Mann beweist ihm die Achtung deren es würdig ist, die Liebe zu den Lieblingen verschwindet, und die Ehe wird entweder der Zweck des Liebesverständnisses, oder das Band, dessen treue und standhafte Bewahrung man an beyden Geschlechtern als eine Tugend verehrt, und mit Interesse begleitet. Bis jetzt war die Klasse wohlerzogener und wohlhabender Bürger in ihren Begriffen über Zucht, Ordnung und Vortrefflichkeit, durch Rücksichten auf das Wohl des Staats, und die Gefühle einer verfeinerten Sinnlichkeit geleitet worden. Was jenem Vortheil brachte, das war gut; was in dieser den Genuß auf die Dauer erhöhete, das war anständig. Aber die Menschen, die in dieser Periode lebten, hatten keinen Staat mehr, sie hatten nur eine Welt, in der die Frommen Gesetze gaben, welche alle Sinnlichkeit verdammten. Die gute Sitte, welche nie ganz den Gesetzen widerspricht, suchte diese mit der Schwäche ihrer Anhänger zu vereinigen, und nahm so viel davon an, als nöthig war, keinen offenbaren Streit mit einer kosmopolitischen Tugend zu bestehen. der höheren Vortrefflichkeit abgestohlen waren. Das Weib wird im schönsten Lichte dargestellt, geziert durch Keuschheit und jede feinere weibliche Empfindung. Der Mann beweist ihm die Achtung deren es würdig ist, die Liebe zu den Lieblingen verschwindet, und die Ehe wird entweder der Zweck des Liebesverständnisses, oder das Band, dessen treue und standhafte Bewahrung man an beyden Geschlechtern als eine Tugend verehrt, und mit Interesse begleitet. Bis jetzt war die Klasse wohlerzogener und wohlhabender Bürger in ihren Begriffen über Zucht, Ordnung und Vortrefflichkeit, durch Rücksichten auf das Wohl des Staats, und die Gefühle einer verfeinerten Sinnlichkeit geleitet worden. Was jenem Vortheil brachte, das war gut; was in dieser den Genuß auf die Dauer erhöhete, das war anständig. Aber die Menschen, die in dieser Periode lebten, hatten keinen Staat mehr, sie hatten nur eine Welt, in der die Frommen Gesetze gaben, welche alle Sinnlichkeit verdammten. Die gute Sitte, welche nie ganz den Gesetzen widerspricht, suchte diese mit der Schwäche ihrer Anhänger zu vereinigen, und nahm so viel davon an, als nöthig war, keinen offenbaren Streit mit einer kosmopolitischen Tugend zu bestehen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0352" n="352"/> der höheren Vortrefflichkeit abgestohlen waren. Das Weib wird im schönsten Lichte dargestellt, geziert durch Keuschheit und jede feinere weibliche Empfindung. Der Mann beweist ihm die Achtung deren es würdig ist, die Liebe zu den Lieblingen verschwindet, und die Ehe wird entweder der Zweck des Liebesverständnisses, oder das Band, dessen treue und standhafte Bewahrung man an beyden Geschlechtern als eine Tugend <choice><sic>verehrt</sic><corr>verehrt</corr></choice>, und mit Interesse <choice><sic>begleitete</sic><corr>begleitet</corr></choice>.</p> <p>Bis jetzt war die Klasse wohlerzogener und wohlhabender Bürger in ihren Begriffen über Zucht, Ordnung und Vortrefflichkeit, durch Rücksichten auf das Wohl des Staats, und die Gefühle einer verfeinerten Sinnlichkeit geleitet worden. Was jenem Vortheil brachte, das war gut; was in dieser den Genuß auf die Dauer erhöhete, das war anständig. Aber die Menschen, die in dieser Periode lebten, hatten keinen Staat mehr, sie hatten nur eine Welt, in der die Frommen Gesetze gaben, welche alle Sinnlichkeit verdammten. Die gute Sitte, welche nie ganz den Gesetzen widerspricht, suchte diese mit der Schwäche ihrer Anhänger zu vereinigen, und nahm so viel davon an, als nöthig war, keinen offenbaren Streit mit einer kosmopolitischen Tugend zu bestehen.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [352/0352]
der höheren Vortrefflichkeit abgestohlen waren. Das Weib wird im schönsten Lichte dargestellt, geziert durch Keuschheit und jede feinere weibliche Empfindung. Der Mann beweist ihm die Achtung deren es würdig ist, die Liebe zu den Lieblingen verschwindet, und die Ehe wird entweder der Zweck des Liebesverständnisses, oder das Band, dessen treue und standhafte Bewahrung man an beyden Geschlechtern als eine Tugend verehrt, und mit Interesse begleitet.
Bis jetzt war die Klasse wohlerzogener und wohlhabender Bürger in ihren Begriffen über Zucht, Ordnung und Vortrefflichkeit, durch Rücksichten auf das Wohl des Staats, und die Gefühle einer verfeinerten Sinnlichkeit geleitet worden. Was jenem Vortheil brachte, das war gut; was in dieser den Genuß auf die Dauer erhöhete, das war anständig. Aber die Menschen, die in dieser Periode lebten, hatten keinen Staat mehr, sie hatten nur eine Welt, in der die Frommen Gesetze gaben, welche alle Sinnlichkeit verdammten. Die gute Sitte, welche nie ganz den Gesetzen widerspricht, suchte diese mit der Schwäche ihrer Anhänger zu vereinigen, und nahm so viel davon an, als nöthig war, keinen offenbaren Streit mit einer kosmopolitischen Tugend zu bestehen.
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