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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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aufführen zu lassen. Er fragt seine Glycera um Rath, ob er den Ruf annehmen soll. Darauf antwortet Glycera: sie habe den Brief gerade zu einer Zeit empfangen, als sie Gesellschaft zum Abendessen bey sich gehabt habe. Auch die gute Freundin sey bey ihr gewesen, die oft die Aufmerksamkeit des Menander durch ihren attischen Ausdruck auf sich gezogen habe. "Weißt du es noch, fragt sie neckisch, in welche Verlegenheit du bey dem Lobe kamst, das du ihr ertheiltest? Wie ich dich damit aufzog, und lächelnd Küsse auf deinen Mund drückte?" - Wie fein, wie gutherzig zugleich! wie abstechend von der Verfahrungsart der mehrsten Weiber dieser Art! Dieser einzige Zug mahlt den ganzen Charakter.

"Alle Anwesende sahen mich an, fährt Glycera fort, und wunderten sich des frohen Eindrucks den dein Brief auf mich machte. Was erfreuet dich so sehr? fragten sie. Mein Menander ist vom Könige Ptolomäus gefordert, rief ich laut, und schwenkte dabey den Brief mit dem königlichen Siegel." - Ein Zug der weiblichen Eitelkeit abgestohlen! - "Freuest du dich denn, daß dein Geliebter dich verlassen wird, fragten die Gäste. Gewiß nicht, sagte Glycera, er wird mich nicht verlassen. Der König spielt in seinem Briefe auf unsre Verbindung an: und auch das freuet mich, daß die Nachricht davon nach Aegypten gekommen ist. Aber wie kann er sich vorstellen, daß Athen zu ihm kommen werde. Denn was ist Athen ohne den Menander, und was ist Menander ohne Glycera? Bin ich ihm nicht zur Einrichtung seiner Schauspiele nothwendig? Bin ich es nicht, die ihn auf den Beyfall, den sie erhalten, aufmerksam macht, und ihn in meinen Armen Muth und Erhohlung finden lasse? Nein, lieber Menander, was

aufführen zu lassen. Er fragt seine Glycera um Rath, ob er den Ruf annehmen soll. Darauf antwortet Glycera: sie habe den Brief gerade zu einer Zeit empfangen, als sie Gesellschaft zum Abendessen bey sich gehabt habe. Auch die gute Freundin sey bey ihr gewesen, die oft die Aufmerksamkeit des Menander durch ihren attischen Ausdruck auf sich gezogen habe. „Weißt du es noch, fragt sie neckisch, in welche Verlegenheit du bey dem Lobe kamst, das du ihr ertheiltest? Wie ich dich damit aufzog, und lächelnd Küsse auf deinen Mund drückte?“ – Wie fein, wie gutherzig zugleich! wie abstechend von der Verfahrungsart der mehrsten Weiber dieser Art! Dieser einzige Zug mahlt den ganzen Charakter.

„Alle Anwesende sahen mich an, fährt Glycera fort, und wunderten sich des frohen Eindrucks den dein Brief auf mich machte. Was erfreuet dich so sehr? fragten sie. Mein Menander ist vom Könige Ptolomäus gefordert, rief ich laut, und schwenkte dabey den Brief mit dem königlichen Siegel.“ – Ein Zug der weiblichen Eitelkeit abgestohlen! – „Freuest du dich denn, daß dein Geliebter dich verlassen wird, fragten die Gäste. Gewiß nicht, sagte Glycera, er wird mich nicht verlassen. Der König spielt in seinem Briefe auf unsre Verbindung an: und auch das freuet mich, daß die Nachricht davon nach Aegypten gekommen ist. Aber wie kann er sich vorstellen, daß Athen zu ihm kommen werde. Denn was ist Athen ohne den Menander, und was ist Menander ohne Glycera? Bin ich ihm nicht zur Einrichtung seiner Schauspiele nothwendig? Bin ich es nicht, die ihn auf den Beyfall, den sie erhalten, aufmerksam macht, und ihn in meinen Armen Muth und Erhohlung finden lasse? Nein, lieber Menander, was

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[361/0361] aufführen zu lassen. Er fragt seine Glycera um Rath, ob er den Ruf annehmen soll. Darauf antwortet Glycera: sie habe den Brief gerade zu einer Zeit empfangen, als sie Gesellschaft zum Abendessen bey sich gehabt habe. Auch die gute Freundin sey bey ihr gewesen, die oft die Aufmerksamkeit des Menander durch ihren attischen Ausdruck auf sich gezogen habe. „Weißt du es noch, fragt sie neckisch, in welche Verlegenheit du bey dem Lobe kamst, das du ihr ertheiltest? Wie ich dich damit aufzog, und lächelnd Küsse auf deinen Mund drückte?“ – Wie fein, wie gutherzig zugleich! wie abstechend von der Verfahrungsart der mehrsten Weiber dieser Art! Dieser einzige Zug mahlt den ganzen Charakter. „Alle Anwesende sahen mich an, fährt Glycera fort, und wunderten sich des frohen Eindrucks den dein Brief auf mich machte. Was erfreuet dich so sehr? fragten sie. Mein Menander ist vom Könige Ptolomäus gefordert, rief ich laut, und schwenkte dabey den Brief mit dem königlichen Siegel.“ – Ein Zug der weiblichen Eitelkeit abgestohlen! – „Freuest du dich denn, daß dein Geliebter dich verlassen wird, fragten die Gäste. Gewiß nicht, sagte Glycera, er wird mich nicht verlassen. Der König spielt in seinem Briefe auf unsre Verbindung an: und auch das freuet mich, daß die Nachricht davon nach Aegypten gekommen ist. Aber wie kann er sich vorstellen, daß Athen zu ihm kommen werde. Denn was ist Athen ohne den Menander, und was ist Menander ohne Glycera? Bin ich ihm nicht zur Einrichtung seiner Schauspiele nothwendig? Bin ich es nicht, die ihn auf den Beyfall, den sie erhalten, aufmerksam macht, und ihn in meinen Armen Muth und Erhohlung finden lasse? Nein, lieber Menander, was

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/361>, abgerufen am 22.11.2024.