Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Der Inhalt des Briefes bezeugt Dankbarkeit und Anhänglichkeit wegen des gemeinschaftlichen Sohnes. Sie empfiehlt diesen seiner Sorge und Erziehung, und bittet, daß er ihm keine Stiefmutter geben möge. Sie wünscht, daß wenn er erwachsen seyn würde, Dyonisius ihn mit der Tochter, die er aus der ersten Ehe hat, verheirathen, und ihn nach Syrakus senden möge, damit er seinen Großvater kennen lerne. - Lebe wohl, setzt sie hinzu, und vergiß deine Callirrhoe nicht. Dyonisius glaubt in diesem Briefe Spuren zu finden, daß Callirrhoe ihn ungern verlassen habe, und tröstet sich mit dem Sohne, mit der Erinnerung an das genossene Glück, und mit der Oberherrschaft über Ionien, die ihm der König eingeräumt hat. Der Stoff zu diesem Romane ist vortrefflich, und gewiß so dramatisch, als möglich. Aber freylich, er ist in ungeschickte Hände gerathen, und die Behandlung entspricht dem Gedanken nicht. Der Hauptfehler beruht darin, daß Callirrhoe ihre Verheirathung mit dem Chereas ohne alle Noth verschweigt, und daß auf diesem höchst unwahrscheinlichen Umstande die ganze Verwickelung beruht. Außerdem wird das Interesse zu sehr zwischen dem Chereas und dem Dyonisius getheilt. Dieser erscheint als ein so würdiger Mann, als ein so zärtlicher Gatte, daß man ihm die Callirrhoe fast eben so sehr als dem Chereas gönnt. Vielleicht würden aber alle diese Fehler übersehen werden, wenn die Erzählung nicht so äußerst langweilig und ermüdend wäre. Aber die ewigen Reden, die der Verfasser seinen Helden in den Mund legt, und die häufigen Wiederholungen der Begebenheiten, die wir Der Inhalt des Briefes bezeugt Dankbarkeit und Anhänglichkeit wegen des gemeinschaftlichen Sohnes. Sie empfiehlt diesen seiner Sorge und Erziehung, und bittet, daß er ihm keine Stiefmutter geben möge. Sie wünscht, daß wenn er erwachsen seyn würde, Dyonisius ihn mit der Tochter, die er aus der ersten Ehe hat, verheirathen, und ihn nach Syrakus senden möge, damit er seinen Großvater kennen lerne. – Lebe wohl, setzt sie hinzu, und vergiß deine Callirrhoe nicht. Dyonisius glaubt in diesem Briefe Spuren zu finden, daß Callirrhoe ihn ungern verlassen habe, und tröstet sich mit dem Sohne, mit der Erinnerung an das genossene Glück, und mit der Oberherrschaft über Ionien, die ihm der König eingeräumt hat. Der Stoff zu diesem Romane ist vortrefflich, und gewiß so dramatisch, als möglich. Aber freylich, er ist in ungeschickte Hände gerathen, und die Behandlung entspricht dem Gedanken nicht. Der Hauptfehler beruht darin, daß Callirrhoe ihre Verheirathung mit dem Chereas ohne alle Noth verschweigt, und daß auf diesem höchst unwahrscheinlichen Umstande die ganze Verwickelung beruht. Außerdem wird das Interesse zu sehr zwischen dem Chereas und dem Dyonisius getheilt. Dieser erscheint als ein so würdiger Mann, als ein so zärtlicher Gatte, daß man ihm die Callirrhoe fast eben so sehr als dem Chereas gönnt. Vielleicht würden aber alle diese Fehler übersehen werden, wenn die Erzählung nicht so äußerst langweilig und ermüdend wäre. Aber die ewigen Reden, die der Verfasser seinen Helden in den Mund legt, und die häufigen Wiederholungen der Begebenheiten, die wir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0385" n="385"/> Der Inhalt des Briefes bezeugt Dankbarkeit und Anhänglichkeit wegen des gemeinschaftlichen Sohnes. Sie empfiehlt diesen seiner Sorge und Erziehung, und bittet, daß er ihm keine Stiefmutter geben möge. Sie wünscht, daß wenn er erwachsen seyn würde, Dyonisius ihn mit der Tochter, die er aus der ersten Ehe hat, verheirathen, und ihn nach Syrakus senden möge, damit er seinen Großvater kennen lerne. – Lebe wohl, setzt sie hinzu, und vergiß deine Callirrhoe nicht.</p> <p>Dyonisius glaubt in diesem Briefe Spuren zu finden, daß Callirrhoe ihn ungern verlassen habe, und tröstet sich mit dem Sohne, mit der Erinnerung an das genossene Glück, und mit der Oberherrschaft über Ionien, die ihm der König eingeräumt hat.</p> <p>Der Stoff zu diesem Romane ist vortrefflich, und gewiß so dramatisch, als möglich. Aber freylich, er ist in ungeschickte Hände gerathen, und die Behandlung entspricht dem Gedanken nicht.</p> <p>Der Hauptfehler beruht darin, daß Callirrhoe ihre Verheirathung mit dem Chereas ohne alle Noth verschweigt, und daß auf diesem höchst unwahrscheinlichen Umstande die ganze Verwickelung beruht.</p> <p>Außerdem wird das Interesse zu sehr zwischen dem Chereas und dem Dyonisius getheilt. Dieser erscheint als ein so würdiger Mann, als ein so zärtlicher Gatte, daß man ihm die Callirrhoe fast eben so sehr als dem Chereas gönnt.</p> <p>Vielleicht würden aber alle diese Fehler übersehen werden, wenn die Erzählung nicht so äußerst langweilig und ermüdend wäre. Aber die ewigen Reden, die der Verfasser seinen Helden in den Mund legt, und die häufigen Wiederholungen der Begebenheiten, die wir </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [385/0385]
Der Inhalt des Briefes bezeugt Dankbarkeit und Anhänglichkeit wegen des gemeinschaftlichen Sohnes. Sie empfiehlt diesen seiner Sorge und Erziehung, und bittet, daß er ihm keine Stiefmutter geben möge. Sie wünscht, daß wenn er erwachsen seyn würde, Dyonisius ihn mit der Tochter, die er aus der ersten Ehe hat, verheirathen, und ihn nach Syrakus senden möge, damit er seinen Großvater kennen lerne. – Lebe wohl, setzt sie hinzu, und vergiß deine Callirrhoe nicht.
Dyonisius glaubt in diesem Briefe Spuren zu finden, daß Callirrhoe ihn ungern verlassen habe, und tröstet sich mit dem Sohne, mit der Erinnerung an das genossene Glück, und mit der Oberherrschaft über Ionien, die ihm der König eingeräumt hat.
Der Stoff zu diesem Romane ist vortrefflich, und gewiß so dramatisch, als möglich. Aber freylich, er ist in ungeschickte Hände gerathen, und die Behandlung entspricht dem Gedanken nicht.
Der Hauptfehler beruht darin, daß Callirrhoe ihre Verheirathung mit dem Chereas ohne alle Noth verschweigt, und daß auf diesem höchst unwahrscheinlichen Umstande die ganze Verwickelung beruht.
Außerdem wird das Interesse zu sehr zwischen dem Chereas und dem Dyonisius getheilt. Dieser erscheint als ein so würdiger Mann, als ein so zärtlicher Gatte, daß man ihm die Callirrhoe fast eben so sehr als dem Chereas gönnt.
Vielleicht würden aber alle diese Fehler übersehen werden, wenn die Erzählung nicht so äußerst langweilig und ermüdend wäre. Aber die ewigen Reden, die der Verfasser seinen Helden in den Mund legt, und die häufigen Wiederholungen der Begebenheiten, die wir
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