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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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Sie wird begraben, erwacht, und Räuber, die das Grab plündern, führen sie mit sich weg. -

Die Aehnlichkeit dieser Situation mit derjenigen, welche Chariton darstellt, beweiset einen gewissen Kreis von Vorstellungen, in dem sich die Erotiker vorzüglich gern herumtrieben.

Ein anderes Mahl rettet sich Anthia durch das Vorgeben, daß sie der Göttin Isis geheiligt sey, und aus Ehrfurcht für die Göttin wird ihrer Keuschheit geschont. Dieß Mittel hilft noch einmahl in einem ähnlichen Falle. Mehrere Spuren deuten hin auf die Vermischung des Aegyptischen Aberglaubens mit Ideen von dem Werthe der Jungfrauschaft.

Anthia wird selbst durch die eingebildete Ueberzeugung von ihres Gatten Untreue nicht bewogen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. "Die Noth wird ihn gezwungen haben, ruft sie aus; mögen die Götter seinen Meineid nicht rächen! Mir ziemt es demnach, keusch zu sterben." - Als sie sich einst vor den Angriffen eines Unholds gar nicht weiter retten kann, so stößt sie diesem das Schwert durch die Brust.

Nicht minder treu, nicht minder zärtlich wird Abrokomas dargestellt. Sein Charakter ist aber für sein Geschlecht zu duldend, zu weichlich. Anthia zieht mehr als er das Interesse auf sich.

Was unsern Xenophon besonders auszeichnet, ist sein Hang, die Männer durch eine schmelzende Empfindsamkeit und eine hinschmachtende Beständigkeit interessant zu machen. Wir finden hier einen Hippothous, der aus Gram über den Verlust eines Lieblings zum Räuber geworden ist, nichts weiter von ihm übrig behalten hat, als seine Haarlocken, und diese noch lange

Sie wird begraben, erwacht, und Räuber, die das Grab plündern, führen sie mit sich weg. –

Die Aehnlichkeit dieser Situation mit derjenigen, welche Chariton darstellt, beweiset einen gewissen Kreis von Vorstellungen, in dem sich die Erotiker vorzüglich gern herumtrieben.

Ein anderes Mahl rettet sich Anthia durch das Vorgeben, daß sie der Göttin Isis geheiligt sey, und aus Ehrfurcht für die Göttin wird ihrer Keuschheit geschont. Dieß Mittel hilft noch einmahl in einem ähnlichen Falle. Mehrere Spuren deuten hin auf die Vermischung des Aegyptischen Aberglaubens mit Ideen von dem Werthe der Jungfrauschaft.

Anthia wird selbst durch die eingebildete Ueberzeugung von ihres Gatten Untreue nicht bewogen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. „Die Noth wird ihn gezwungen haben, ruft sie aus; mögen die Götter seinen Meineid nicht rächen! Mir ziemt es demnach, keusch zu sterben.“ – Als sie sich einst vor den Angriffen eines Unholds gar nicht weiter retten kann, so stößt sie diesem das Schwert durch die Brust.

Nicht minder treu, nicht minder zärtlich wird Abrokomas dargestellt. Sein Charakter ist aber für sein Geschlecht zu duldend, zu weichlich. Anthia zieht mehr als er das Interesse auf sich.

Was unsern Xenophon besonders auszeichnet, ist sein Hang, die Männer durch eine schmelzende Empfindsamkeit und eine hinschmachtende Beständigkeit interessant zu machen. Wir finden hier einen Hippothous, der aus Gram über den Verlust eines Lieblings zum Räuber geworden ist, nichts weiter von ihm übrig behalten hat, als seine Haarlocken, und diese noch lange

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[391/0391] Sie wird begraben, erwacht, und Räuber, die das Grab plündern, führen sie mit sich weg. – Die Aehnlichkeit dieser Situation mit derjenigen, welche Chariton darstellt, beweiset einen gewissen Kreis von Vorstellungen, in dem sich die Erotiker vorzüglich gern herumtrieben. Ein anderes Mahl rettet sich Anthia durch das Vorgeben, daß sie der Göttin Isis geheiligt sey, und aus Ehrfurcht für die Göttin wird ihrer Keuschheit geschont. Dieß Mittel hilft noch einmahl in einem ähnlichen Falle. Mehrere Spuren deuten hin auf die Vermischung des Aegyptischen Aberglaubens mit Ideen von dem Werthe der Jungfrauschaft. Anthia wird selbst durch die eingebildete Ueberzeugung von ihres Gatten Untreue nicht bewogen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. „Die Noth wird ihn gezwungen haben, ruft sie aus; mögen die Götter seinen Meineid nicht rächen! Mir ziemt es demnach, keusch zu sterben.“ – Als sie sich einst vor den Angriffen eines Unholds gar nicht weiter retten kann, so stößt sie diesem das Schwert durch die Brust. Nicht minder treu, nicht minder zärtlich wird Abrokomas dargestellt. Sein Charakter ist aber für sein Geschlecht zu duldend, zu weichlich. Anthia zieht mehr als er das Interesse auf sich. Was unsern Xenophon besonders auszeichnet, ist sein Hang, die Männer durch eine schmelzende Empfindsamkeit und eine hinschmachtende Beständigkeit interessant zu machen. Wir finden hier einen Hippothous, der aus Gram über den Verlust eines Lieblings zum Räuber geworden ist, nichts weiter von ihm übrig behalten hat, als seine Haarlocken, und diese noch lange

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/391>, abgerufen am 22.11.2024.