Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.haben. Aber was Athenäus zum Beweise beybringt, ist wahrlich nicht im Stande, einen hohen Begriff von ihrem Witze zu erwecken. Abgerechnet, daß ihre bon mots voller Unanständigkeiten sind, lassen sie sich auch mit demjenigen, was man in dieser Art von den filles de Paris, und besonders von der d'Arnoud erzählt, gar nicht in Vergleichung setzen. Und dann! Was rechnet Athenäus nicht alles zur Hetäre? Jedes Weib, das einmahl einer Leidenschaft gehuldigt hat: auch Sappho glaubt er mit diesem Nahmen zu ehren. Es ist möglich, daß einige Philosophen und andre berühmte Männer Schwächen für Weiber dieser Art gehabt haben. Aber wird man es dem schmutzigen Grammatiker des dritten Jahrhunderts geradezu glauben, daß jeder berühmte Mann seine Beyschläferin aus dieser Classe gewählt habe, die Xenophon und die Komiker so verächtlich darstellen? Plato eine Archeanassa, Aristoteles eine Herpyllis, Epikur eine Leontium, Diogenes in Gemeinschaft mit dem Aristip eine Lais, Isokrates eine Metaneira, (die jedoch Demosthenes dem Lysias beylegen soll) Praxiteles eine Phryne, Menander eine Glycera? Sieht dieß Alles nicht der Anekdotenjägerey eines Troßbuben der Litteratur ähnlich, dem die Lebensumstände eines bedeutenden Mannes wichtiger sind, als seine Werke, der um recht viel von jenen zu wissen, jede Schmährede seiner Zeitgenossen, jede apokryphische Schrift, die ihm untergeschoben wird, begierig aufrafft, und wohl gar aus der bloßen Nennung einer Person vom andern Geschlecht, die darin beyläufig vorkommt, Veranlassung nimmt, ihm ein Liebesverständniß anzudichten? haben. Aber was Athenäus zum Beweise beybringt, ist wahrlich nicht im Stande, einen hohen Begriff von ihrem Witze zu erwecken. Abgerechnet, daß ihre bon môts voller Unanständigkeiten sind, lassen sie sich auch mit demjenigen, was man in dieser Art von den filles de Paris, und besonders von der d’Arnoud erzählt, gar nicht in Vergleichung setzen. Und dann! Was rechnet Athenäus nicht alles zur Hetäre? Jedes Weib, das einmahl einer Leidenschaft gehuldigt hat: auch Sappho glaubt er mit diesem Nahmen zu ehren. Es ist möglich, daß einige Philosophen und andre berühmte Männer Schwächen für Weiber dieser Art gehabt haben. Aber wird man es dem schmutzigen Grammatiker des dritten Jahrhunderts geradezu glauben, daß jeder berühmte Mann seine Beyschläferin aus dieser Classe gewählt habe, die Xenophon und die Komiker so verächtlich darstellen? Plato eine Archeanassa, Aristoteles eine Herpyllis, Epikur eine Leontium, Diogenes in Gemeinschaft mit dem Aristip eine Lais, Isokrates eine Metaneira, (die jedoch Demosthenes dem Lysias beylegen soll) Praxiteles eine Phryne, Menander eine Glycera? Sieht dieß Alles nicht der Anekdotenjägerey eines Troßbuben der Litteratur ähnlich, dem die Lebensumstände eines bedeutenden Mannes wichtiger sind, als seine Werke, der um recht viel von jenen zu wissen, jede Schmährede seiner Zeitgenossen, jede apokryphische Schrift, die ihm untergeschoben wird, begierig aufrafft, und wohl gar aus der bloßen Nennung einer Person vom andern Geschlecht, die darin beyläufig vorkommt, Veranlassung nimmt, ihm ein Liebesverständniß anzudichten? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0418" n="418"/> haben. Aber was Athenäus zum Beweise beybringt, ist wahrlich nicht im Stande, einen hohen Begriff von ihrem Witze zu erwecken. 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Plato eine Archeanassa, Aristoteles eine Herpyllis, Epikur eine Leontium, Diogenes in Gemeinschaft mit dem Aristip eine Lais, Isokrates eine Metaneira, (die jedoch Demosthenes dem Lysias beylegen soll) Praxiteles eine Phryne, Menander eine Glycera?</p> <p>Sieht dieß Alles nicht der Anekdotenjägerey eines Troßbuben der Litteratur ähnlich, dem die Lebensumstände eines bedeutenden Mannes wichtiger sind, als seine Werke, der um recht viel von jenen zu wissen, jede Schmährede seiner Zeitgenossen, jede apokryphische Schrift, die ihm untergeschoben wird, begierig aufrafft, und wohl gar aus der bloßen Nennung einer Person vom andern Geschlecht, die darin beyläufig vorkommt, Veranlassung nimmt, ihm ein Liebesverständniß anzudichten?</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [418/0418]
haben. Aber was Athenäus zum Beweise beybringt, ist wahrlich nicht im Stande, einen hohen Begriff von ihrem Witze zu erwecken. Abgerechnet, daß ihre bon môts voller Unanständigkeiten sind, lassen sie sich auch mit demjenigen, was man in dieser Art von den filles de Paris, und besonders von der d’Arnoud erzählt, gar nicht in Vergleichung setzen. Und dann! Was rechnet Athenäus nicht alles zur Hetäre? Jedes Weib, das einmahl einer Leidenschaft gehuldigt hat: auch Sappho glaubt er mit diesem Nahmen zu ehren.
Es ist möglich, daß einige Philosophen und andre berühmte Männer Schwächen für Weiber dieser Art gehabt haben. Aber wird man es dem schmutzigen Grammatiker des dritten Jahrhunderts geradezu glauben, daß jeder berühmte Mann seine Beyschläferin aus dieser Classe gewählt habe, die Xenophon und die Komiker so verächtlich darstellen? Plato eine Archeanassa, Aristoteles eine Herpyllis, Epikur eine Leontium, Diogenes in Gemeinschaft mit dem Aristip eine Lais, Isokrates eine Metaneira, (die jedoch Demosthenes dem Lysias beylegen soll) Praxiteles eine Phryne, Menander eine Glycera?
Sieht dieß Alles nicht der Anekdotenjägerey eines Troßbuben der Litteratur ähnlich, dem die Lebensumstände eines bedeutenden Mannes wichtiger sind, als seine Werke, der um recht viel von jenen zu wissen, jede Schmährede seiner Zeitgenossen, jede apokryphische Schrift, die ihm untergeschoben wird, begierig aufrafft, und wohl gar aus der bloßen Nennung einer Person vom andern Geschlecht, die darin beyläufig vorkommt, Veranlassung nimmt, ihm ein Liebesverständniß anzudichten?
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Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/418>, abgerufen am 16.07.2024. |