Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Wohlstandes des Bürgers, und hielt diejenige Gattin für die Beste, mit der sich die Sorge für die öffentliche Ruhe und Sicherheit am wenigsten zu beschäftigen brauchte. Er verstand unter Gattenliebe nichts anders als ein gesetzliches Band, das zum Kinderzeugen und zum gemeinsamen Wirthschaften eingegangen sey, und seine Festigkeit von der Ueberzeugung der beyden Verbündeten erhielt, daß sie sich einander zu Erfüllung jener Zwecke unentbehrlich wären.

Die gute Sitte räumte aber der Matrone zugleich einen Anspruch auf öffentliche Achtung für alle diejenigen Tugenden ein, die ein wirthschaftliches, sittsames, liebendes Weib im Kreise ihrer Familie, und in ihren Verhältnissen zu dem Ganzen der menschlichen Gesellschaft zeigen kann. Ja sie hat dem zärteren Geschlechte sogar Anlagen zu männlicher Weisheit, zu Kenntnissen, zur Seelenstärke und zum Patriotismus zugetrauet, und die einzelnen Weiber, die sich dadurch auszeichneten, mit ihrem Interesse und ihrer Bewunderung begleitet. Dieß beweisen besonders die Tragiker, und vor allen der wegen seines Weiberhasses so sehr berufene Euripides.

Inzwischen, wahren Anspruch auf Bürgertugend, und auf dasjenige was der wohlerzogene Athenienser eigentlich edel und schön nannte: ausgezeichnetes Verdienst in einem dem Wohl des Staats unmittelbar gewidmeten Leben, legte dieser der Matrone nicht bey, und darum schätzte er sie auch weniger als den Bürger. - Nach diesem Verhältnisse des Weibes zum Manne, war die Liebe des Letztern zur Matrone noch immer keine wahre Geschlechtszärtlichkeit, keine Freundschaft, sondern entweder ein leidenschaftliches Streben nach ihrer Gunst, um dadurch zu dem Besitze ihrer Person zu kommen: oder eine liebende Anhänglichkeit wie sie der Patron gegen seinen Klienten empfinden mag. Von Seiten

Wohlstandes des Bürgers, und hielt diejenige Gattin für die Beste, mit der sich die Sorge für die öffentliche Ruhe und Sicherheit am wenigsten zu beschäftigen brauchte. Er verstand unter Gattenliebe nichts anders als ein gesetzliches Band, das zum Kinderzeugen und zum gemeinsamen Wirthschaften eingegangen sey, und seine Festigkeit von der Ueberzeugung der beyden Verbündeten erhielt, daß sie sich einander zu Erfüllung jener Zwecke unentbehrlich wären.

Die gute Sitte räumte aber der Matrone zugleich einen Anspruch auf öffentliche Achtung für alle diejenigen Tugenden ein, die ein wirthschaftliches, sittsames, liebendes Weib im Kreise ihrer Familie, und in ihren Verhältnissen zu dem Ganzen der menschlichen Gesellschaft zeigen kann. Ja sie hat dem zärteren Geschlechte sogar Anlagen zu männlicher Weisheit, zu Kenntnissen, zur Seelenstärke und zum Patriotismus zugetrauet, und die einzelnen Weiber, die sich dadurch auszeichneten, mit ihrem Interesse und ihrer Bewunderung begleitet. Dieß beweisen besonders die Tragiker, und vor allen der wegen seines Weiberhasses so sehr berufene Euripides.

Inzwischen, wahren Anspruch auf Bürgertugend, und auf dasjenige was der wohlerzogene Athenienser eigentlich edel und schön nannte: ausgezeichnetes Verdienst in einem dem Wohl des Staats unmittelbar gewidmeten Leben, legte dieser der Matrone nicht bey, und darum schätzte er sie auch weniger als den Bürger. – Nach diesem Verhältnisse des Weibes zum Manne, war die Liebe des Letztern zur Matrone noch immer keine wahre Geschlechtszärtlichkeit, keine Freundschaft, sondern entweder ein leidenschaftliches Streben nach ihrer Gunst, um dadurch zu dem Besitze ihrer Person zu kommen: oder eine liebende Anhänglichkeit wie sie der Patron gegen seinen Klienten empfinden mag. Von Seiten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0425" n="425"/>
Wohlstandes des Bürgers, und hielt diejenige Gattin für die Beste, mit der sich die Sorge für die öffentliche Ruhe und Sicherheit am wenigsten zu beschäftigen brauchte. Er verstand unter Gattenliebe nichts anders als ein gesetzliches Band, das zum Kinderzeugen und zum gemeinsamen Wirthschaften eingegangen sey, und seine Festigkeit von der Ueberzeugung der beyden Verbündeten erhielt, daß sie sich einander zu Erfüllung jener Zwecke unentbehrlich wären.</p>
          <p>Die gute Sitte räumte aber der Matrone zugleich einen Anspruch auf öffentliche Achtung für alle diejenigen Tugenden ein, die ein wirthschaftliches, sittsames, liebendes Weib im Kreise ihrer Familie, und in ihren Verhältnissen zu dem Ganzen der menschlichen Gesellschaft zeigen kann. Ja sie hat dem zärteren Geschlechte sogar Anlagen zu männlicher Weisheit, zu Kenntnissen, zur Seelenstärke und zum Patriotismus zugetrauet, und die einzelnen Weiber, die sich dadurch auszeichneten, mit ihrem Interesse und ihrer Bewunderung begleitet. Dieß beweisen besonders die Tragiker, und vor allen der wegen seines Weiberhasses so sehr berufene Euripides.</p>
          <p>Inzwischen, wahren Anspruch auf Bürgertugend, und auf dasjenige was <hi rendition="#g">der wohlerzogene Athenienser</hi> eigentlich <hi rendition="#g">edel</hi> und <hi rendition="#g">schön</hi> nannte: ausgezeichnetes Verdienst in einem dem Wohl des Staats unmittelbar gewidmeten Leben, legte dieser der Matrone nicht bey, und darum schätzte er sie auch weniger als den Bürger. &#x2013; Nach diesem Verhältnisse des Weibes zum Manne, war die <hi rendition="#g">Liebe</hi> des Letztern <hi rendition="#g">zur Matrone</hi> noch immer keine wahre Geschlechtszärtlichkeit, keine Freundschaft, sondern entweder <hi rendition="#g">ein leidenschaftliches Streben nach ihrer Gunst, um dadurch zu dem Besitze ihrer Person zu kommen: oder eine liebende Anhänglichkeit wie sie der Patron gegen seinen Klienten empfinden mag. Von Seiten
</hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[425/0425] Wohlstandes des Bürgers, und hielt diejenige Gattin für die Beste, mit der sich die Sorge für die öffentliche Ruhe und Sicherheit am wenigsten zu beschäftigen brauchte. Er verstand unter Gattenliebe nichts anders als ein gesetzliches Band, das zum Kinderzeugen und zum gemeinsamen Wirthschaften eingegangen sey, und seine Festigkeit von der Ueberzeugung der beyden Verbündeten erhielt, daß sie sich einander zu Erfüllung jener Zwecke unentbehrlich wären. Die gute Sitte räumte aber der Matrone zugleich einen Anspruch auf öffentliche Achtung für alle diejenigen Tugenden ein, die ein wirthschaftliches, sittsames, liebendes Weib im Kreise ihrer Familie, und in ihren Verhältnissen zu dem Ganzen der menschlichen Gesellschaft zeigen kann. Ja sie hat dem zärteren Geschlechte sogar Anlagen zu männlicher Weisheit, zu Kenntnissen, zur Seelenstärke und zum Patriotismus zugetrauet, und die einzelnen Weiber, die sich dadurch auszeichneten, mit ihrem Interesse und ihrer Bewunderung begleitet. Dieß beweisen besonders die Tragiker, und vor allen der wegen seines Weiberhasses so sehr berufene Euripides. Inzwischen, wahren Anspruch auf Bürgertugend, und auf dasjenige was der wohlerzogene Athenienser eigentlich edel und schön nannte: ausgezeichnetes Verdienst in einem dem Wohl des Staats unmittelbar gewidmeten Leben, legte dieser der Matrone nicht bey, und darum schätzte er sie auch weniger als den Bürger. – Nach diesem Verhältnisse des Weibes zum Manne, war die Liebe des Letztern zur Matrone noch immer keine wahre Geschlechtszärtlichkeit, keine Freundschaft, sondern entweder ein leidenschaftliches Streben nach ihrer Gunst, um dadurch zu dem Besitze ihrer Person zu kommen: oder eine liebende Anhänglichkeit wie sie der Patron gegen seinen Klienten empfinden mag. Von Seiten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/425
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/425>, abgerufen am 25.11.2024.