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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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den Werken der Troubadours herrscht, übereinstimmend, ist auch die Aeußerung Heloysens, daß sie lieber in ungebundener Liebe mit Abeilard leben, als seine Gattin hätte werden wollen, theils, um mehr von ihm geliebt zu werden, theils, um seinem Ruhme weniger zu schaden. Ein Gedanke, den man zwar schon bey den Alten findet, der aber Vieles in der Denkungsart des damahligen Jahrhunderts aufklärt. Endlich scheint auch der Umstand bemerkungswerth, daß Heloyse an ihrem Geliebten besonders zwey Vorzüge unwiderstehlich gefunden hat: seine Beredtsamkeit, und sein Talent für Dichtkunst und Musik. "Seine Gedichte, sagt sie, wären in Jedermanns Munde, und hätten ihr Lob und ihre Liebe eben so allgemein verbreitet, als Neid und Mißgunst unter ihrem Geschlechte erweckt."

Wie sehr widerlegen aber auch diese Briefe die Meinung derjenigen, welche sich die edlere Liebe der damahligen Zeit rein von aller Sinnlichkeit vorstellen! Heloysens Liebe überlebte den Verlust körperlicher Freuden, aber sie beweinte ihn, und sehnte sich oft nach ihnen zurück.

Laßt uns aus allen diesen Zügen, welche die Welt der Dichtung, so wie die wirkliche im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte liefern, so viel schließen: daß nur wenig Menschen daran gedacht haben, ihre engeren Geschlechtsverbindungen zu veredeln: daß selbst von diesen wenigen kein Zusammenhang, keine Ubereinstimmung in ihrer Denkungsart über die Liebe zu erwarten sey: daß man bey ihnen keine Begriffe von reiner Seelenliebe annehmen dürfe: daß aber der Geschmack im Ganzen dahin gegangen sey, sich die Leidenschaft der Geschlechtssympathie als die Nährerin des kriegerischen Muths und

den Werken der Troubadours herrscht, übereinstimmend, ist auch die Aeußerung Heloysens, daß sie lieber in ungebundener Liebe mit Abeilard leben, als seine Gattin hätte werden wollen, theils, um mehr von ihm geliebt zu werden, theils, um seinem Ruhme weniger zu schaden. Ein Gedanke, den man zwar schon bey den Alten findet, der aber Vieles in der Denkungsart des damahligen Jahrhunderts aufklärt. Endlich scheint auch der Umstand bemerkungswerth, daß Heloyse an ihrem Geliebten besonders zwey Vorzüge unwiderstehlich gefunden hat: seine Beredtsamkeit, und sein Talent für Dichtkunst und Musik. „Seine Gedichte, sagt sie, wären in Jedermanns Munde, und hätten ihr Lob und ihre Liebe eben so allgemein verbreitet, als Neid und Mißgunst unter ihrem Geschlechte erweckt.“

Wie sehr widerlegen aber auch diese Briefe die Meinung derjenigen, welche sich die edlere Liebe der damahligen Zeit rein von aller Sinnlichkeit vorstellen! Heloysens Liebe überlebte den Verlust körperlicher Freuden, aber sie beweinte ihn, und sehnte sich oft nach ihnen zurück.

Laßt uns aus allen diesen Zügen, welche die Welt der Dichtung, so wie die wirkliche im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte liefern, so viel schließen: daß nur wenig Menschen daran gedacht haben, ihre engeren Geschlechtsverbindungen zu veredeln: daß selbst von diesen wenigen kein Zusammenhang, keine Ubereinstimmung in ihrer Denkungsart über die Liebe zu erwarten sey: daß man bey ihnen keine Begriffe von reiner Seelenliebe annehmen dürfe: daß aber der Geschmack im Ganzen dahin gegangen sey, sich die Leidenschaft der Geschlechtssympathie als die Nährerin des kriegerischen Muths und

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[145/0145] den Werken der Troubadours herrscht, übereinstimmend, ist auch die Aeußerung Heloysens, daß sie lieber in ungebundener Liebe mit Abeilard leben, als seine Gattin hätte werden wollen, theils, um mehr von ihm geliebt zu werden, theils, um seinem Ruhme weniger zu schaden. Ein Gedanke, den man zwar schon bey den Alten findet, der aber Vieles in der Denkungsart des damahligen Jahrhunderts aufklärt. Endlich scheint auch der Umstand bemerkungswerth, daß Heloyse an ihrem Geliebten besonders zwey Vorzüge unwiderstehlich gefunden hat: seine Beredtsamkeit, und sein Talent für Dichtkunst und Musik. „Seine Gedichte, sagt sie, wären in Jedermanns Munde, und hätten ihr Lob und ihre Liebe eben so allgemein verbreitet, als Neid und Mißgunst unter ihrem Geschlechte erweckt.“ Wie sehr widerlegen aber auch diese Briefe die Meinung derjenigen, welche sich die edlere Liebe der damahligen Zeit rein von aller Sinnlichkeit vorstellen! Heloysens Liebe überlebte den Verlust körperlicher Freuden, aber sie beweinte ihn, und sehnte sich oft nach ihnen zurück. Laßt uns aus allen diesen Zügen, welche die Welt der Dichtung, so wie die wirkliche im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte liefern, so viel schließen: daß nur wenig Menschen daran gedacht haben, ihre engeren Geschlechtsverbindungen zu veredeln: daß selbst von diesen wenigen kein Zusammenhang, keine Ubereinstimmung in ihrer Denkungsart über die Liebe zu erwarten sey: daß man bey ihnen keine Begriffe von reiner Seelenliebe annehmen dürfe: daß aber der Geschmack im Ganzen dahin gegangen sey, sich die Leidenschaft der Geschlechtssympathie als die Nährerin des kriegerischen Muths und

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/145>, abgerufen am 24.11.2024.