Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

gefallen ist. Dagegen haben die besonderen Korporationen der Ritter, und besonders jene Art von Abentheurern, die man unter den Nahmen der irrenden Ritterschaft kennt, nur zuweilen, und gar nicht allgemein existiert.

Diese Bemerkungen sind äußerst wichtig, wenn man das Ritterwesen des Mittelalters darstellen, und aus den Gebräuchen und Sitten desselben seinen Geist entwickeln will. Sie sind von St. Palaye ganz übersehen, und bey allen Verdiensten, die er als Sammler hat, kann man ihm nur sehr wenige als kritischem Geschichtsschreiber beylegen.

Die Pflichten, die Rechte, die Denkungsart, die Gebräuche der Ritterschaft sind in keinem einzigen Lande, und am wenigsten in jedem, den ganzen Zeitraum hindurch, worin sie geherrscht hat, die nehmlichen gewesen. Man kann nicht behaupten, daß der Geist dieser oder jener besondern Korporation der ganzen Zunft eigen gewesen sey, ja! man muß sich besonders hüten, den Charakter, den dieß oder jenes Mitglied entweder wirklich gehabt hat, oder der ihm von seinem Lobredner beygelegt ist, dem ganzen Orden, oder auch nur dem größeren Haufen unter ihm zuzuschreiben. Man kann ferner dreist annehmen, daß gewisse Gebräuche, daß ein gewisses Betragen, daß gewisse Vorrechte und Pflichten bloß bey feyerlichen Gelegenheiten, besonders bey Tournieren, nicht selten als Ingredienzen eines pomphaften Schauspiels beobachtet sind, oder überhaupt mehr in den Vorschriften und in den aufgestellten Idealen, als in der Ausübung und in der Wirklichkeit existiert haben.

gefallen ist. Dagegen haben die besonderen Korporationen der Ritter, und besonders jene Art von Abentheurern, die man unter den Nahmen der irrenden Ritterschaft kennt, nur zuweilen, und gar nicht allgemein existiert.

Diese Bemerkungen sind äußerst wichtig, wenn man das Ritterwesen des Mittelalters darstellen, und aus den Gebräuchen und Sitten desselben seinen Geist entwickeln will. Sie sind von St. Palaye ganz übersehen, und bey allen Verdiensten, die er als Sammler hat, kann man ihm nur sehr wenige als kritischem Geschichtsschreiber beylegen.

Die Pflichten, die Rechte, die Denkungsart, die Gebräuche der Ritterschaft sind in keinem einzigen Lande, und am wenigsten in jedem, den ganzen Zeitraum hindurch, worin sie geherrscht hat, die nehmlichen gewesen. Man kann nicht behaupten, daß der Geist dieser oder jener besondern Korporation der ganzen Zunft eigen gewesen sey, ja! man muß sich besonders hüten, den Charakter, den dieß oder jenes Mitglied entweder wirklich gehabt hat, oder der ihm von seinem Lobredner beygelegt ist, dem ganzen Orden, oder auch nur dem größeren Haufen unter ihm zuzuschreiben. Man kann ferner dreist annehmen, daß gewisse Gebräuche, daß ein gewisses Betragen, daß gewisse Vorrechte und Pflichten bloß bey feyerlichen Gelegenheiten, besonders bey Tournieren, nicht selten als Ingredienzen eines pomphaften Schauspiels beobachtet sind, oder überhaupt mehr in den Vorschriften und in den aufgestellten Idealen, als in der Ausübung und in der Wirklichkeit existiert haben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0155" n="155"/>
gefallen ist. Dagegen haben die besonderen Korporationen der Ritter, und besonders jene Art von Abentheurern, die man unter den Nahmen der irrenden Ritterschaft kennt, nur zuweilen, und gar nicht allgemein existiert.</p>
            <p>Diese Bemerkungen sind äußerst wichtig, wenn man das Ritterwesen des Mittelalters darstellen, und aus den Gebräuchen und Sitten desselben seinen Geist entwickeln will. Sie sind von St. Palaye ganz übersehen, und bey allen Verdiensten, die er als Sammler hat, kann man ihm nur sehr wenige als kritischem Geschichtsschreiber beylegen.</p>
            <p>Die Pflichten, die Rechte, die Denkungsart, die Gebräuche der Ritterschaft sind in keinem einzigen Lande, und am wenigsten <choice><sic/><corr>in jedem,</corr></choice> den ganzen Zeitraum hindurch, worin sie geherrscht hat, die nehmlichen gewesen. Man kann nicht behaupten, daß der Geist dieser oder jener besondern Korporation der ganzen Zunft eigen gewesen sey, ja! man muß sich besonders hüten, den Charakter, den dieß oder jenes Mitglied entweder wirklich gehabt hat, oder der ihm von seinem Lobredner beygelegt ist, dem ganzen Orden, oder auch nur dem größeren Haufen unter ihm zuzuschreiben. Man kann ferner dreist annehmen, daß gewisse Gebräuche, daß ein gewisses Betragen, daß gewisse Vorrechte und Pflichten bloß bey feyerlichen Gelegenheiten, besonders bey Tournieren, nicht selten als Ingredienzen eines pomphaften Schauspiels beobachtet sind, oder überhaupt mehr in den Vorschriften und in den aufgestellten Idealen, als in der Ausübung und in der Wirklichkeit existiert haben.</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0155] gefallen ist. Dagegen haben die besonderen Korporationen der Ritter, und besonders jene Art von Abentheurern, die man unter den Nahmen der irrenden Ritterschaft kennt, nur zuweilen, und gar nicht allgemein existiert. Diese Bemerkungen sind äußerst wichtig, wenn man das Ritterwesen des Mittelalters darstellen, und aus den Gebräuchen und Sitten desselben seinen Geist entwickeln will. Sie sind von St. Palaye ganz übersehen, und bey allen Verdiensten, die er als Sammler hat, kann man ihm nur sehr wenige als kritischem Geschichtsschreiber beylegen. Die Pflichten, die Rechte, die Denkungsart, die Gebräuche der Ritterschaft sind in keinem einzigen Lande, und am wenigsten in jedem, den ganzen Zeitraum hindurch, worin sie geherrscht hat, die nehmlichen gewesen. Man kann nicht behaupten, daß der Geist dieser oder jener besondern Korporation der ganzen Zunft eigen gewesen sey, ja! man muß sich besonders hüten, den Charakter, den dieß oder jenes Mitglied entweder wirklich gehabt hat, oder der ihm von seinem Lobredner beygelegt ist, dem ganzen Orden, oder auch nur dem größeren Haufen unter ihm zuzuschreiben. Man kann ferner dreist annehmen, daß gewisse Gebräuche, daß ein gewisses Betragen, daß gewisse Vorrechte und Pflichten bloß bey feyerlichen Gelegenheiten, besonders bey Tournieren, nicht selten als Ingredienzen eines pomphaften Schauspiels beobachtet sind, oder überhaupt mehr in den Vorschriften und in den aufgestellten Idealen, als in der Ausübung und in der Wirklichkeit existiert haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/155
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/155>, abgerufen am 24.11.2024.