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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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zum Zeitvertreib und zu Zerstreuungen. Lektüre und angenehme Talente machen uns fast die Vergnügungen des Umgangs mit andern Menschen ganz entbehrlich. Wir brauchen uns mit keinem genau zu verbinden, um an Schauspielen, Bällen, Assembleen und andern öffentlichen Gelagen Theil zu nehmen. Wir wissen durch die Art, wie die gewöhnlichsten Vorfälle des Tages in der Unterredung behandelt werden, und vermöge unserer Kenntniß allgemein interessanter Wahrheiten aus dem Umgange mit den unbekanntesten Menschen die leichte Nahrung für unsern Witz und unsern Verstand zu ziehen, die wir zur Erhohlung oder zum Zeittödten aufsuchen. Das Herz und die Einbildungskraft haben nach unserm Klima und nach unserer Erziehung wenig Bedürfnisse, und über diejenigen, welche uns übrig bleiben, werden wir durch Geschäfte und Zerstreuungen betäubt. Weiber gehen jetzt mit Weibern um, verbinden sich sogar unter einander, ohne Furcht, durch den unbewachten Ausbruch beleidigter Eitelkeit in steter Zwietracht zu leben. Die Männer, gleichfalls mehr gewöhnt, ihre Leidenschaften zu unterdrücken, sammeln sich mehr unter einander in Haufen zusammen, haben mehr bloße Bekanntschaften, ohne Besorgniß, daß ein unvorsichtiges Wort, eine unüberlegte Handlung, Ungezogenheit, ängstliche Begriffe von Ehre, oder andere Triebe des Eigennutzes zur Selbstwehr oder zur Rache auffordern. Männer tändeln mit Weibern: Weiber lassen sich den Beyfall unsers ganzen Geschlechts genügen. Wie so ganz anders war damahls Alles! Man kannte Gelage, man kannte Horden von Menschen, die zusammen kamen, um pomphaften Festen beyzuwohnen bey feyerlichen Gelegenheiten. Aber bestimmte Gesellschaften in

zum Zeitvertreib und zu Zerstreuungen. Lektüre und angenehme Talente machen uns fast die Vergnügungen des Umgangs mit andern Menschen ganz entbehrlich. Wir brauchen uns mit keinem genau zu verbinden, um an Schauspielen, Bällen, Assembleen und andern öffentlichen Gelagen Theil zu nehmen. Wir wissen durch die Art, wie die gewöhnlichsten Vorfälle des Tages in der Unterredung behandelt werden, und vermöge unserer Kenntniß allgemein interessanter Wahrheiten aus dem Umgange mit den unbekanntesten Menschen die leichte Nahrung für unsern Witz und unsern Verstand zu ziehen, die wir zur Erhohlung oder zum Zeittödten aufsuchen. Das Herz und die Einbildungskraft haben nach unserm Klima und nach unserer Erziehung wenig Bedürfnisse, und über diejenigen, welche uns übrig bleiben, werden wir durch Geschäfte und Zerstreuungen betäubt. Weiber gehen jetzt mit Weibern um, verbinden sich sogar unter einander, ohne Furcht, durch den unbewachten Ausbruch beleidigter Eitelkeit in steter Zwietracht zu leben. Die Männer, gleichfalls mehr gewöhnt, ihre Leidenschaften zu unterdrücken, sammeln sich mehr unter einander in Haufen zusammen, haben mehr bloße Bekanntschaften, ohne Besorgniß, daß ein unvorsichtiges Wort, eine unüberlegte Handlung, Ungezogenheit, ängstliche Begriffe von Ehre, oder andere Triebe des Eigennutzes zur Selbstwehr oder zur Rache auffordern. Männer tändeln mit Weibern: Weiber lassen sich den Beyfall unsers ganzen Geschlechts genügen. Wie so ganz anders war damahls Alles! Man kannte Gelage, man kannte Horden von Menschen, die zusammen kamen, um pomphaften Festen beyzuwohnen bey feyerlichen Gelegenheiten. Aber bestimmte Gesellschaften in

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[259/0259] zum Zeitvertreib und zu Zerstreuungen. Lektüre und angenehme Talente machen uns fast die Vergnügungen des Umgangs mit andern Menschen ganz entbehrlich. Wir brauchen uns mit keinem genau zu verbinden, um an Schauspielen, Bällen, Assembleen und andern öffentlichen Gelagen Theil zu nehmen. Wir wissen durch die Art, wie die gewöhnlichsten Vorfälle des Tages in der Unterredung behandelt werden, und vermöge unserer Kenntniß allgemein interessanter Wahrheiten aus dem Umgange mit den unbekanntesten Menschen die leichte Nahrung für unsern Witz und unsern Verstand zu ziehen, die wir zur Erhohlung oder zum Zeittödten aufsuchen. Das Herz und die Einbildungskraft haben nach unserm Klima und nach unserer Erziehung wenig Bedürfnisse, und über diejenigen, welche uns übrig bleiben, werden wir durch Geschäfte und Zerstreuungen betäubt. Weiber gehen jetzt mit Weibern um, verbinden sich sogar unter einander, ohne Furcht, durch den unbewachten Ausbruch beleidigter Eitelkeit in steter Zwietracht zu leben. Die Männer, gleichfalls mehr gewöhnt, ihre Leidenschaften zu unterdrücken, sammeln sich mehr unter einander in Haufen zusammen, haben mehr bloße Bekanntschaften, ohne Besorgniß, daß ein unvorsichtiges Wort, eine unüberlegte Handlung, Ungezogenheit, ängstliche Begriffe von Ehre, oder andere Triebe des Eigennutzes zur Selbstwehr oder zur Rache auffordern. Männer tändeln mit Weibern: Weiber lassen sich den Beyfall unsers ganzen Geschlechts genügen. Wie so ganz anders war damahls Alles! Man kannte Gelage, man kannte Horden von Menschen, die zusammen kamen, um pomphaften Festen beyzuwohnen bey feyerlichen Gelegenheiten. Aber bestimmte Gesellschaften in

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/259>, abgerufen am 22.11.2024.