Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.sind zugleich seine Grundsätze über diesen Punkt zu erklären. Er war in früheren Jahren Weib, der ganzen Reitzbarkeit seines Körpers und seiner Seele nach, und weit mehr dazu gestimmt, leidend und einnehmend, als angreifend und vordringend Lust oder Unlust zu empfinden. Gleich die erste Regung seiner Lüsternheit unter den Händen der Mademoiselle Lembercier gehört der Sinnlichkeit eines Mädchens, und nicht der eines Knaben. Daher auch sein Geschmack an dem Gefühle, sich verzärtelt zu wissen, mit dem ganzen Anhange, den die Eitelkeit hinzufügt. Dieser Geschmack lag bey der Neigung zum Grunde, die er als Kind für die Demoiselle Vulson empfand: hingegen Regung körperlicher Triebe, und der Reitz der ersten Intrigue bey seinen Vertraulichkeiten mit der kleinen Goton. Rousseau nennt beyde Verhältnisse seiner Kinderjahre Liebe. Mit welchem Rechte, in welchem Widerspruche mit seinen übrigen Grundsätzen, das wird die Folge lehren. Das Schoßhündchen kann schon dasjenige empfinden, was ihm Mademoiselle Vulson einflößte; und der kleine Affe, l'ami des Dames, kann gegen eine Behandlung, wie diejenige war, die er von der kleinen Goton erfuhr, gleichfalls empfindlich seyn. Eitelkeit, Sucht zu glänzen, war es, die in früheren Jahren nur Damen und Demoisellen seiner Aufmerksamkeit werth machte, die ihm die Hoffnung gab, die Augen der Prinzessinnen am Turiner Hofe auf sich zu ziehen, und ihm verliebte Neigungen zu allen Frauenzimmern einflößte, denen er sich als Dienstbothe oder als Zögling nahte. Wenn seine sind zugleich seine Grundsätze über diesen Punkt zu erklären. Er war in früheren Jahren Weib, der ganzen Reitzbarkeit seines Körpers und seiner Seele nach, und weit mehr dazu gestimmt, leidend und einnehmend, als angreifend und vordringend Lust oder Unlust zu empfinden. Gleich die erste Regung seiner Lüsternheit unter den Händen der Mademoiselle Lembercier gehört der Sinnlichkeit eines Mädchens, und nicht der eines Knaben. Daher auch sein Geschmack an dem Gefühle, sich verzärtelt zu wissen, mit dem ganzen Anhange, den die Eitelkeit hinzufügt. Dieser Geschmack lag bey der Neigung zum Grunde, die er als Kind für die Demoiselle Vulson empfand: hingegen Regung körperlicher Triebe, und der Reitz der ersten Intrigue bey seinen Vertraulichkeiten mit der kleinen Goton. Rousseau nennt beyde Verhältnisse seiner Kinderjahre Liebe. Mit welchem Rechte, in welchem Widerspruche mit seinen übrigen Grundsätzen, das wird die Folge lehren. Das Schoßhündchen kann schon dasjenige empfinden, was ihm Mademoiselle Vulson einflößte; und der kleine Affe, l’ami des Dames, kann gegen eine Behandlung, wie diejenige war, die er von der kleinen Goton erfuhr, gleichfalls empfindlich seyn. Eitelkeit, Sucht zu glänzen, war es, die in früheren Jahren nur Damen und Demoisellen seiner Aufmerksamkeit werth machte, die ihm die Hoffnung gab, die Augen der Prinzessinnen am Turiner Hofe auf sich zu ziehen, und ihm verliebte Neigungen zu allen Frauenzimmern einflößte, denen er sich als Dienstbothe oder als Zögling nahte. Wenn seine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0291" n="291"/> sind zugleich seine Grundsätze über diesen Punkt zu erklären.</p> <p>Er war in früheren Jahren Weib, der ganzen Reitzbarkeit seines Körpers und seiner Seele nach, und weit mehr dazu gestimmt, leidend und einnehmend, als angreifend und vordringend Lust oder Unlust zu empfinden. Gleich die erste Regung seiner Lüsternheit unter den Händen der Mademoiselle Lembercier gehört der Sinnlichkeit eines Mädchens, und nicht der eines Knaben. Daher auch sein Geschmack an dem Gefühle, sich verzärtelt zu wissen, mit dem ganzen Anhange, den die Eitelkeit hinzufügt.</p> <p>Dieser Geschmack lag bey der Neigung zum Grunde, die er als Kind für die Demoiselle Vulson empfand: hingegen Regung körperlicher Triebe, und der Reitz der ersten Intrigue bey seinen Vertraulichkeiten mit der kleinen Goton. Rousseau nennt beyde Verhältnisse seiner Kinderjahre Liebe. Mit welchem Rechte, in welchem Widerspruche mit seinen übrigen Grundsätzen, das wird die Folge lehren. Das Schoßhündchen kann schon dasjenige empfinden, was ihm Mademoiselle Vulson einflößte; und der kleine Affe, <hi rendition="#aq">l’ami des Dames,</hi> kann gegen eine Behandlung, wie diejenige war, die er von der kleinen Goton erfuhr, gleichfalls empfindlich seyn.</p> <p>Eitelkeit, Sucht zu glänzen, war es, die in früheren Jahren nur Damen und Demoisellen seiner Aufmerksamkeit werth machte, die ihm die Hoffnung gab, die Augen der Prinzessinnen am Turiner Hofe auf sich zu ziehen, und ihm verliebte Neigungen zu allen Frauenzimmern einflößte, denen er sich als Dienstbothe oder als Zögling nahte. Wenn seine </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [291/0291]
sind zugleich seine Grundsätze über diesen Punkt zu erklären.
Er war in früheren Jahren Weib, der ganzen Reitzbarkeit seines Körpers und seiner Seele nach, und weit mehr dazu gestimmt, leidend und einnehmend, als angreifend und vordringend Lust oder Unlust zu empfinden. Gleich die erste Regung seiner Lüsternheit unter den Händen der Mademoiselle Lembercier gehört der Sinnlichkeit eines Mädchens, und nicht der eines Knaben. Daher auch sein Geschmack an dem Gefühle, sich verzärtelt zu wissen, mit dem ganzen Anhange, den die Eitelkeit hinzufügt.
Dieser Geschmack lag bey der Neigung zum Grunde, die er als Kind für die Demoiselle Vulson empfand: hingegen Regung körperlicher Triebe, und der Reitz der ersten Intrigue bey seinen Vertraulichkeiten mit der kleinen Goton. Rousseau nennt beyde Verhältnisse seiner Kinderjahre Liebe. Mit welchem Rechte, in welchem Widerspruche mit seinen übrigen Grundsätzen, das wird die Folge lehren. Das Schoßhündchen kann schon dasjenige empfinden, was ihm Mademoiselle Vulson einflößte; und der kleine Affe, l’ami des Dames, kann gegen eine Behandlung, wie diejenige war, die er von der kleinen Goton erfuhr, gleichfalls empfindlich seyn.
Eitelkeit, Sucht zu glänzen, war es, die in früheren Jahren nur Damen und Demoisellen seiner Aufmerksamkeit werth machte, die ihm die Hoffnung gab, die Augen der Prinzessinnen am Turiner Hofe auf sich zu ziehen, und ihm verliebte Neigungen zu allen Frauenzimmern einflößte, denen er sich als Dienstbothe oder als Zögling nahte. Wenn seine
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Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/291>, abgerufen am 26.06.2024. |