Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.seyn, und dieß im Ganzen vielleicht mehr innere Achtung, aber weniger äußeres Ansehn als in dem monarchischen Frankreich genießen. Folgen davon sind, daß die weiblichen Ideale mit einer Verschämtheit, mit einer Zartheit der Empfindungen, und zugleich mit einem zurückhaltenden Stolze in jenen Romanen dargestellt werden, die an Schüchternheit, Hinschmelzung, und zuweilen an Eigensinn grenzen; daß die Helden unter den Liebhabern weit weniger leidenschaftlich als vernünftig zärtlich handeln, und daß die edleren Geschlechtsverbindungen allemahl auf Ehe, unter allen von den Gesetzen vorgeschriebenen Bedingungen, abzwecken müssen. Man findet also hier keinen Streit zwischen Liebe und ganz entschiedener Pflicht, wie ihn die Franzosen bey dem verheiratheten Frauenzimmer schildern; sondern es ist der Streit, den ein unverheirathetes und liebendes Mädchen wider den Willen unbilliger Aeltern, wider Vorurtheile der Religion, wider das Mißtrauen in den Charakter des Liebhabers, oder gar nur wider die Besorgniß führt, sich einer Neigung zu überlassen, die keine Erwiederung finden, oder deren Stärke seiner natürlichen Schamhaftigkeit, und dem Gefühle seiner moralischen Selbstwürde widersprechend und nachtheilig werden dürfte. Hieraus bildet sich ein eigener Begriff von edlerer Geschlechtsverbindung bey dem Engländer, den wenigstens vor ihm keine andere Nation zur ästhetischen Darstellung genutzt hat. Er entspringt aus der Lage der Bewerbung eines Biedermannes, (oder eines Verführers, der diese Maske annimmt,) um das Herz und die Hand eines sittigen Mädchens, das nicht sowohl gegen vollkommene Pflicht und Ruf, als vielmehr seyn, und dieß im Ganzen vielleicht mehr innere Achtung, aber weniger äußeres Ansehn als in dem monarchischen Frankreich genießen. Folgen davon sind, daß die weiblichen Ideale mit einer Verschämtheit, mit einer Zartheit der Empfindungen, und zugleich mit einem zurückhaltenden Stolze in jenen Romanen dargestellt werden, die an Schüchternheit, Hinschmelzung, und zuweilen an Eigensinn grenzen; daß die Helden unter den Liebhabern weit weniger leidenschaftlich als vernünftig zärtlich handeln, und daß die edleren Geschlechtsverbindungen allemahl auf Ehe, unter allen von den Gesetzen vorgeschriebenen Bedingungen, abzwecken müssen. Man findet also hier keinen Streit zwischen Liebe und ganz entschiedener Pflicht, wie ihn die Franzosen bey dem verheiratheten Frauenzimmer schildern; sondern es ist der Streit, den ein unverheirathetes und liebendes Mädchen wider den Willen unbilliger Aeltern, wider Vorurtheile der Religion, wider das Mißtrauen in den Charakter des Liebhabers, oder gar nur wider die Besorgniß führt, sich einer Neigung zu überlassen, die keine Erwiederung finden, oder deren Stärke seiner natürlichen Schamhaftigkeit, und dem Gefühle seiner moralischen Selbstwürde widersprechend und nachtheilig werden dürfte. Hieraus bildet sich ein eigener Begriff von edlerer Geschlechtsverbindung bey dem Engländer, den wenigstens vor ihm keine andere Nation zur ästhetischen Darstellung genutzt hat. 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Man findet also hier keinen Streit zwischen Liebe und ganz entschiedener Pflicht, wie ihn die Franzosen bey dem verheiratheten Frauenzimmer schildern; sondern es ist der Streit, den ein unverheirathetes und liebendes Mädchen wider den Willen unbilliger Aeltern, wider Vorurtheile der Religion, wider das Mißtrauen in den Charakter des Liebhabers, oder gar nur wider die Besorgniß führt, sich einer Neigung zu überlassen, die keine Erwiederung finden, oder deren Stärke seiner natürlichen Schamhaftigkeit, und dem Gefühle seiner moralischen Selbstwürde widersprechend und nachtheilig werden dürfte.</p> <p>Hieraus bildet sich ein eigener Begriff von edlerer Geschlechtsverbindung bey dem Engländer, den wenigstens vor ihm keine andere Nation zur ästhetischen Darstellung genutzt hat. 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seyn, und dieß im Ganzen vielleicht mehr innere Achtung, aber weniger äußeres Ansehn als in dem monarchischen Frankreich genießen. Folgen davon sind, daß die weiblichen Ideale mit einer Verschämtheit, mit einer Zartheit der Empfindungen, und zugleich mit einem zurückhaltenden Stolze in jenen Romanen dargestellt werden, die an Schüchternheit, Hinschmelzung, und zuweilen an Eigensinn grenzen; daß die Helden unter den Liebhabern weit weniger leidenschaftlich als vernünftig zärtlich handeln, und daß die edleren Geschlechtsverbindungen allemahl auf Ehe, unter allen von den Gesetzen vorgeschriebenen Bedingungen, abzwecken müssen. Man findet also hier keinen Streit zwischen Liebe und ganz entschiedener Pflicht, wie ihn die Franzosen bey dem verheiratheten Frauenzimmer schildern; sondern es ist der Streit, den ein unverheirathetes und liebendes Mädchen wider den Willen unbilliger Aeltern, wider Vorurtheile der Religion, wider das Mißtrauen in den Charakter des Liebhabers, oder gar nur wider die Besorgniß führt, sich einer Neigung zu überlassen, die keine Erwiederung finden, oder deren Stärke seiner natürlichen Schamhaftigkeit, und dem Gefühle seiner moralischen Selbstwürde widersprechend und nachtheilig werden dürfte.
Hieraus bildet sich ein eigener Begriff von edlerer Geschlechtsverbindung bey dem Engländer, den wenigstens vor ihm keine andere Nation zur ästhetischen Darstellung genutzt hat. Er entspringt aus der Lage der Bewerbung eines Biedermannes, (oder eines Verführers, der diese Maske annimmt,) um das Herz und die Hand eines sittigen Mädchens, das nicht sowohl gegen vollkommene Pflicht und Ruf, als vielmehr
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