Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.kommt auf eine genaue Bestimmung ihres Begriffs, und der Zeit an, worin sie herrschend geworden ist. Vor dem zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte läßt sich überhaupt nichts Charakteristisches von der Denkungsart des Abendlandes über Geschlechtsverbindung und Liebe angeben. Aus dem Norden ist die Galanterie nicht zu uns herüber gekommen, und von den Arabern haben wir sie auch nicht entlehnt. Sie hat sich im Abendlande, und besonders im südlichen Frankreich von selbst und allmählig aus der herrschenden Denkungsart in allen Dingen überhaupt, aus der Lage der Stände und Geschlechter gegen einander im geselligen Verkehr, und endlich aus dem Ueberreste von klassischer Litteratur, die daselbst nie ganz verloren gegangen ist, entwickelt. Vom zwölften Jahrhunderte an suchten die Menschen der bisherigen Anarchie müde, eine bessere Ordnung in ihre Verhältnisse gegen Kirche, Staat, Sitten und Wissenschaften einzuführen. Dieß Bestreben war aber mit Ueberspannung und Unbehülflichkeit verknüpft, und ihre Folgen zeigten sich in abentheuerlichen Gesinnungen und Thaten, so wie in steifer und unnützer Förmlichkeit. Nimmt man hinzu, daß die gesellige Kultur sich nur auf die Höfe beschränkte: daß sich dort die Geschlechter nicht anders als bey feyerlichen Gelegenheiten sahen: daß nur verheirathete Frauen vom hohen Stande bey diesen Zusammenkünften erschienen: daß die Vorzüge, welche damahls besonders geschätzt wurden, im kriegerischem Muthe, mit hinschmelzender Humilität gepaart, in Poesie, Musik und Courteoisie, bestanden: und daß endlich bey der Entfernung, worin der Liebhaber zu der Geliebten stand, der sicherste Weg zu ihrem Herzen durch die kommt auf eine genaue Bestimmung ihres Begriffs, und der Zeit an, worin sie herrschend geworden ist. Vor dem zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte läßt sich überhaupt nichts Charakteristisches von der Denkungsart des Abendlandes über Geschlechtsverbindung und Liebe angeben. Aus dem Norden ist die Galanterie nicht zu uns herüber gekommen, und von den Arabern haben wir sie auch nicht entlehnt. Sie hat sich im Abendlande, und besonders im südlichen Frankreich von selbst und allmählig aus der herrschenden Denkungsart in allen Dingen überhaupt, aus der Lage der Stände und Geschlechter gegen einander im geselligen Verkehr, und endlich aus dem Ueberreste von klassischer Litteratur, die daselbst nie ganz verloren gegangen ist, entwickelt. Vom zwölften Jahrhunderte an suchten die Menschen der bisherigen Anarchie müde, eine bessere Ordnung in ihre Verhältnisse gegen Kirche, Staat, Sitten und Wissenschaften einzuführen. Dieß Bestreben war aber mit Ueberspannung und Unbehülflichkeit verknüpft, und ihre Folgen zeigten sich in abentheuerlichen Gesinnungen und Thaten, so wie in steifer und unnützer Förmlichkeit. Nimmt man hinzu, daß die gesellige Kultur sich nur auf die Höfe beschränkte: daß sich dort die Geschlechter nicht anders als bey feyerlichen Gelegenheiten sahen: daß nur verheirathete Frauen vom hohen Stande bey diesen Zusammenkünften erschienen: daß die Vorzüge, welche damahls besonders geschätzt wurden, im kriegerischem Muthe, mit hinschmelzender Humilität gepaart, in Poesie, Musik und Courteoisie, bestanden: und daß endlich bey der Entfernung, worin der Liebhaber zu der Geliebten stand, der sicherste Weg zu ihrem Herzen durch die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0345" n="345"/> kommt auf eine genaue Bestimmung ihres Begriffs, und der Zeit an, worin sie herrschend geworden ist.</p> <p>Vor dem zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte läßt sich überhaupt nichts Charakteristisches von der Denkungsart des Abendlandes über Geschlechtsverbindung und Liebe angeben. <hi rendition="#g">Aus dem Norden ist die Galanterie nicht zu uns herüber gekommen, und von den Arabern haben wir sie auch nicht entlehnt. Sie hat sich im Abendlande, und besonders im südlichen Frankreich von selbst und allmählig aus der herrschenden Denkungsart in allen Dingen überhaupt, aus der Lage der Stände und Geschlechter gegen einander im geselligen Verkehr, und endlich aus dem Ueberreste von klassischer Litteratur, die daselbst nie ganz verloren gegangen ist, entwickelt.</hi> Vom zwölften Jahrhunderte an suchten die Menschen der bisherigen Anarchie müde, eine bessere Ordnung in ihre Verhältnisse gegen Kirche, Staat, Sitten und Wissenschaften einzuführen. Dieß Bestreben war aber mit Ueberspannung und Unbehülflichkeit verknüpft, und ihre Folgen zeigten sich in abentheuerlichen Gesinnungen und Thaten, so wie in steifer und unnützer Förmlichkeit.</p> <p>Nimmt man hinzu, daß die gesellige Kultur sich nur auf die <hi rendition="#g">Höfe</hi> beschränkte: daß sich dort die Geschlechter nicht anders als bey <hi rendition="#g">feyerlichen Gelegenheiten</hi> sahen: daß nur <hi rendition="#g">verheirathete Frauen vom hohen Stande</hi> bey diesen Zusammenkünften erschienen: daß die Vorzüge, welche damahls besonders geschätzt wurden, im <hi rendition="#g">kriegerischem Muthe,</hi> mit <hi rendition="#g">hinschmelzender Humilität gepaart, in Poesie, Musik und Courteoisie,</hi> bestanden: und daß endlich bey der Entfernung, worin der Liebhaber zu der Geliebten stand, der sicherste Weg zu ihrem Herzen durch die </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [345/0345]
kommt auf eine genaue Bestimmung ihres Begriffs, und der Zeit an, worin sie herrschend geworden ist.
Vor dem zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte läßt sich überhaupt nichts Charakteristisches von der Denkungsart des Abendlandes über Geschlechtsverbindung und Liebe angeben. Aus dem Norden ist die Galanterie nicht zu uns herüber gekommen, und von den Arabern haben wir sie auch nicht entlehnt. Sie hat sich im Abendlande, und besonders im südlichen Frankreich von selbst und allmählig aus der herrschenden Denkungsart in allen Dingen überhaupt, aus der Lage der Stände und Geschlechter gegen einander im geselligen Verkehr, und endlich aus dem Ueberreste von klassischer Litteratur, die daselbst nie ganz verloren gegangen ist, entwickelt. Vom zwölften Jahrhunderte an suchten die Menschen der bisherigen Anarchie müde, eine bessere Ordnung in ihre Verhältnisse gegen Kirche, Staat, Sitten und Wissenschaften einzuführen. Dieß Bestreben war aber mit Ueberspannung und Unbehülflichkeit verknüpft, und ihre Folgen zeigten sich in abentheuerlichen Gesinnungen und Thaten, so wie in steifer und unnützer Förmlichkeit.
Nimmt man hinzu, daß die gesellige Kultur sich nur auf die Höfe beschränkte: daß sich dort die Geschlechter nicht anders als bey feyerlichen Gelegenheiten sahen: daß nur verheirathete Frauen vom hohen Stande bey diesen Zusammenkünften erschienen: daß die Vorzüge, welche damahls besonders geschätzt wurden, im kriegerischem Muthe, mit hinschmelzender Humilität gepaart, in Poesie, Musik und Courteoisie, bestanden: und daß endlich bey der Entfernung, worin der Liebhaber zu der Geliebten stand, der sicherste Weg zu ihrem Herzen durch die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |