Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Art von Verbindung nenne ich die ruhmsüchtig geistige Galanterie. Neben ihr konnte eine gewöhnlichere Veredlung der Geschlechtsverbindungen bestehen. Diese leistete keinesweges auf die körperliche Vereinigung Verzicht, wollte sie aber durch lange Aufwartung, Treue und Verschwiegenheit verdienen. Ich darf diese Art von Verbindungen die anständig sinnliche Galanterie nennen. Außer diesen beyden Denkungsarten über die Liebe muß man aber auch die zügelloseste Ausgelassenheit bey Befriedigung der Geschlechtssympathie annehmen, besonders in den Verhältnissen mit Weibern von gleichem oder geringerem Stande. Diese Bemerkungen werden durch die Werke der provenzalischen Dichter unterstützt. Die Bildung ihrer Ideen und ihres Ausdrucks haben sie den Arabern nur in sehr entfernter Maße zu verdanken, weit mehr dem Tone der aus den Schulen der damahligen Rhetoren und Grammatiker heraus hallte, worin der Geist der griechischen und römischen Litteratur nie ganz erloschen ist. Man trifft bey ihnen keine Idee von einer willkührlichen und fanatischen Enthaltsamkeit des sinnlichen Genusses an, wohl aber Spuren der ruhmsüchtig geistigen, auch anständig sinnlichen Galanterie: wiewohl diese Verhältnisse noch nicht den Zusammenhang und die Konsistenz einer Sitte erhalten haben, auch den Nahmen der Galanterie noch nicht führen. Die ersten finden bey diesen Dichtern besonders ihren Grund in dem Umstande, daß die verliebten Gedichte an Fürstinnen und andre vornehme Damen gerichtet wurden. Viele der dargestellten Situationen gehören aber bloß in die Dichterwelt, und schwerlich Art von Verbindung nenne ich die ruhmsüchtig geistige Galanterie. Neben ihr konnte eine gewöhnlichere Veredlung der Geschlechtsverbindungen bestehen. Diese leistete keinesweges auf die körperliche Vereinigung Verzicht, wollte sie aber durch lange Aufwartung, Treue und Verschwiegenheit verdienen. Ich darf diese Art von Verbindungen die anständig sinnliche Galanterie nennen. Außer diesen beyden Denkungsarten über die Liebe muß man aber auch die zügelloseste Ausgelassenheit bey Befriedigung der Geschlechtssympathie annehmen, besonders in den Verhältnissen mit Weibern von gleichem oder geringerem Stande. Diese Bemerkungen werden durch die Werke der provenzalischen Dichter unterstützt. Die Bildung ihrer Ideen und ihres Ausdrucks haben sie den Arabern nur in sehr entfernter Maße zu verdanken, weit mehr dem Tone der aus den Schulen der damahligen Rhetoren und Grammatiker heraus hallte, worin der Geist der griechischen und römischen Litteratur nie ganz erloschen ist. Man trifft bey ihnen keine Idee von einer willkührlichen und fanatischen Enthaltsamkeit des sinnlichen Genusses an, wohl aber Spuren der ruhmsüchtig geistigen, auch anständig sinnlichen Galanterie: wiewohl diese Verhältnisse noch nicht den Zusammenhang und die Konsistenz einer Sitte erhalten haben, auch den Nahmen der Galanterie noch nicht führen. Die ersten finden bey diesen Dichtern besonders ihren Grund in dem Umstande, daß die verliebten Gedichte an Fürstinnen und andre vornehme Damen gerichtet wurden. 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Art von Verbindung nenne ich die ruhmsüchtig geistige Galanterie.
Neben ihr konnte eine gewöhnlichere Veredlung der Geschlechtsverbindungen bestehen. Diese leistete keinesweges auf die körperliche Vereinigung Verzicht, wollte sie aber durch lange Aufwartung, Treue und Verschwiegenheit verdienen. Ich darf diese Art von Verbindungen die anständig sinnliche Galanterie nennen.
Außer diesen beyden Denkungsarten über die Liebe muß man aber auch die zügelloseste Ausgelassenheit bey Befriedigung der Geschlechtssympathie annehmen, besonders in den Verhältnissen mit Weibern von gleichem oder geringerem Stande.
Diese Bemerkungen werden durch die Werke der provenzalischen Dichter unterstützt.
Die Bildung ihrer Ideen und ihres Ausdrucks haben sie den Arabern nur in sehr entfernter Maße zu verdanken, weit mehr dem Tone der aus den Schulen der damahligen Rhetoren und Grammatiker heraus hallte, worin der Geist der griechischen und römischen Litteratur nie ganz erloschen ist.
Man trifft bey ihnen keine Idee von einer willkührlichen und fanatischen Enthaltsamkeit des sinnlichen Genusses an, wohl aber Spuren der ruhmsüchtig geistigen, auch anständig sinnlichen Galanterie: wiewohl diese Verhältnisse noch nicht den Zusammenhang und die Konsistenz einer Sitte erhalten haben, auch den Nahmen der Galanterie noch nicht führen. Die ersten finden bey diesen Dichtern besonders ihren Grund in dem Umstande, daß die verliebten Gedichte an Fürstinnen und andre vornehme Damen gerichtet wurden. Viele der dargestellten Situationen gehören aber bloß in die Dichterwelt, und schwerlich
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