Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Unter Leo X.
wesen, und schon hatte man auf die Nachricht von einem
Siege der Schweizer in Rom Freudenfeuer abgebrannt.
Die früheste Meldung von dem Erfolg des zweiten Tages
und dem wahren Ausgang bekam der Botschafter der Ve-
nezianer, die mit dem König verbündet waren und selber
zur Entscheidung nicht wenig beigetragen. In aller Frühe
begab er sich nach dem Vatican, sie dem Papste mitzuthei-
len. Noch nicht völlig angekleidet kam dieser zur Audienz
heraus. Ew. Heiligkeit, sagte der Botschafter, gab mir
gestern eine schlimme und zugleich falsche Nachricht: heute
bringe ich Derselben dafür eine gute und wahre: die Schwei-
zer sind geschlagen. Er las ihm die Briefe vor, die hier-
über an ihn gelangt waren: von Männern, die der Papst
kannte, die keinen Zweifel übrig ließen 1). Der Papst ver-
barg seinen tiefen Schrecken nicht. "Was wird dann aus
uns, was wird selbst aus euch werden?" "Wir hoffen für
beide alles Gute." "Herr Botschafter," erwiederte der
Papst, "wir müssen uns in die Arme des Königs wer-
fen und Misericordia rufen" 2).

In der That bekamen die Franzosen durch diesen Sieg
das entschiedene Uebergewicht in Italien. Hätten sie ihn
ernstlich verfolgt, so würden ihnen weder Toscana noch

1) Summario de la relatione di Zorzi. E cussi dismisiato
venne fuori non compito di vestir. L'orator disse: Pater santo
eri vra santa mi dette una cattiva nuova e falsa, io le daro ozi
una bona e vera, zoe Sguizari e rotti.
Die Briefe waren von
Pasqualigo, Dandolo und Anderen.
2) Domine orator, vederemo quel fara il re christmo. se
metteremo in le so man dimandando misericordia. Lui, ora-
tor, disse: pater sante, vostra santita non avra mal alcuno.
6

Unter Leo X.
weſen, und ſchon hatte man auf die Nachricht von einem
Siege der Schweizer in Rom Freudenfeuer abgebrannt.
Die fruͤheſte Meldung von dem Erfolg des zweiten Tages
und dem wahren Ausgang bekam der Botſchafter der Ve-
nezianer, die mit dem Koͤnig verbuͤndet waren und ſelber
zur Entſcheidung nicht wenig beigetragen. In aller Fruͤhe
begab er ſich nach dem Vatican, ſie dem Papſte mitzuthei-
len. Noch nicht voͤllig angekleidet kam dieſer zur Audienz
heraus. Ew. Heiligkeit, ſagte der Botſchafter, gab mir
geſtern eine ſchlimme und zugleich falſche Nachricht: heute
bringe ich Derſelben dafuͤr eine gute und wahre: die Schwei-
zer ſind geſchlagen. Er las ihm die Briefe vor, die hier-
uͤber an ihn gelangt waren: von Maͤnnern, die der Papſt
kannte, die keinen Zweifel uͤbrig ließen 1). Der Papſt ver-
barg ſeinen tiefen Schrecken nicht. „Was wird dann aus
uns, was wird ſelbſt aus euch werden?“ „Wir hoffen fuͤr
beide alles Gute.“ „Herr Botſchafter,“ erwiederte der
Papſt, „wir muͤſſen uns in die Arme des Koͤnigs wer-
fen und Miſericordia rufen“ 2).

In der That bekamen die Franzoſen durch dieſen Sieg
das entſchiedene Uebergewicht in Italien. Haͤtten ſie ihn
ernſtlich verfolgt, ſo wuͤrden ihnen weder Toscana noch

1) Summario de la relatione di Zorzi. E cussi dismisiato
venne fuori non compito di vestir. L’orator disse: Pater santo
eri vra santà mi dette una cattiva nuova e falsa, io le daro ozi
una bona e vera, zoe Sguizari è rotti.
Die Briefe waren von
Pasqualigo, Dandolo und Anderen.
2) Domine orator, vederemo quel fara il re christmo. se
metteremo in le so man dimandando misericordia. Lui, ora-
tor, disse: pater sante, vostra santità non avrà mal alcuno.
6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0107" n="81"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Unter Leo</hi><hi rendition="#aq">X.</hi></fw><lb/>
we&#x017F;en, und &#x017F;chon hatte man auf die Nachricht von einem<lb/>
Siege der Schweizer in Rom Freudenfeuer abgebrannt.<lb/>
Die fru&#x0364;he&#x017F;te Meldung von dem Erfolg des zweiten Tages<lb/>
und dem wahren Ausgang bekam der Bot&#x017F;chafter der Ve-<lb/>
nezianer, die mit dem Ko&#x0364;nig verbu&#x0364;ndet waren und &#x017F;elber<lb/>
zur Ent&#x017F;cheidung nicht wenig beigetragen. In aller Fru&#x0364;he<lb/>
begab er &#x017F;ich nach dem Vatican, &#x017F;ie dem Pap&#x017F;te mitzuthei-<lb/>
len. Noch nicht vo&#x0364;llig angekleidet kam die&#x017F;er zur Audienz<lb/>
heraus. Ew. Heiligkeit, &#x017F;agte der Bot&#x017F;chafter, gab mir<lb/>
ge&#x017F;tern eine &#x017F;chlimme und zugleich fal&#x017F;che Nachricht: heute<lb/>
bringe ich Der&#x017F;elben dafu&#x0364;r eine gute und wahre: die Schwei-<lb/>
zer &#x017F;ind ge&#x017F;chlagen. Er las ihm die Briefe vor, die hier-<lb/>
u&#x0364;ber an ihn gelangt waren: von Ma&#x0364;nnern, die der Pap&#x017F;t<lb/>
kannte, die keinen Zweifel u&#x0364;brig ließen <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Summario de la relatione di Zorzi. E cussi dismisiato<lb/>
venne fuori non compito di vestir. L&#x2019;orator disse: Pater santo<lb/>
eri v<hi rendition="#sup">ra</hi> sant<hi rendition="#sup">à</hi> mi dette una cattiva nuova e falsa, io le daro ozi<lb/>
una bona e vera, zoe Sguizari è rotti.</hi> Die Briefe waren von<lb/>
Pasqualigo, Dandolo und Anderen.</note>. Der Pap&#x017F;t ver-<lb/>
barg &#x017F;einen tiefen Schrecken nicht. &#x201E;Was wird dann aus<lb/>
uns, was wird &#x017F;elb&#x017F;t aus euch werden?&#x201C; &#x201E;Wir hoffen fu&#x0364;r<lb/>
beide alles Gute.&#x201C; &#x201E;Herr Bot&#x017F;chafter,&#x201C; erwiederte der<lb/>
Pap&#x017F;t, &#x201E;wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en uns in die Arme des Ko&#x0364;nigs wer-<lb/>
fen und Mi&#x017F;ericordia rufen&#x201C; <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Domine orator, vederemo quel fara il re christ<hi rendition="#sup">mo</hi>. se<lb/>
metteremo in le so man dimandando misericordia. Lui, ora-<lb/>
tor, disse: pater sante, vostra santità non avrà mal alcuno.</hi></note>.</p><lb/>
          <p>In der That bekamen die Franzo&#x017F;en durch die&#x017F;en Sieg<lb/>
das ent&#x017F;chiedene Uebergewicht in Italien. Ha&#x0364;tten &#x017F;ie ihn<lb/>
ern&#x017F;tlich verfolgt, &#x017F;o wu&#x0364;rden ihnen weder Toscana noch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0107] Unter Leo X. weſen, und ſchon hatte man auf die Nachricht von einem Siege der Schweizer in Rom Freudenfeuer abgebrannt. Die fruͤheſte Meldung von dem Erfolg des zweiten Tages und dem wahren Ausgang bekam der Botſchafter der Ve- nezianer, die mit dem Koͤnig verbuͤndet waren und ſelber zur Entſcheidung nicht wenig beigetragen. In aller Fruͤhe begab er ſich nach dem Vatican, ſie dem Papſte mitzuthei- len. Noch nicht voͤllig angekleidet kam dieſer zur Audienz heraus. Ew. Heiligkeit, ſagte der Botſchafter, gab mir geſtern eine ſchlimme und zugleich falſche Nachricht: heute bringe ich Derſelben dafuͤr eine gute und wahre: die Schwei- zer ſind geſchlagen. Er las ihm die Briefe vor, die hier- uͤber an ihn gelangt waren: von Maͤnnern, die der Papſt kannte, die keinen Zweifel uͤbrig ließen 1). Der Papſt ver- barg ſeinen tiefen Schrecken nicht. „Was wird dann aus uns, was wird ſelbſt aus euch werden?“ „Wir hoffen fuͤr beide alles Gute.“ „Herr Botſchafter,“ erwiederte der Papſt, „wir muͤſſen uns in die Arme des Koͤnigs wer- fen und Miſericordia rufen“ 2). In der That bekamen die Franzoſen durch dieſen Sieg das entſchiedene Uebergewicht in Italien. Haͤtten ſie ihn ernſtlich verfolgt, ſo wuͤrden ihnen weder Toscana noch 1) Summario de la relatione di Zorzi. E cussi dismisiato venne fuori non compito di vestir. L’orator disse: Pater santo eri vra santà mi dette una cattiva nuova e falsa, io le daro ozi una bona e vera, zoe Sguizari è rotti. Die Briefe waren von Pasqualigo, Dandolo und Anderen. 2) Domine orator, vederemo quel fara il re christmo. se metteremo in le so man dimandando misericordia. Lui, ora- tor, disse: pater sante, vostra santità non avrà mal alcuno. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/107
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/107>, abgerufen am 04.12.2024.