Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Unter Adrian VI. recht 1), früher Professor in Löwen, der Lehrer Carls V.,durch dessen persönliche Zuneigung er zu dem Amt eines Governators von Spanien, zu der Würde eines Cardinals befördert worden war. Cardinal Cajetan, der sonst nicht zu der mediceischen Partei gehörte, erhob sich, den Vorge- schlagenen zu loben. Wer hätte glauben sollen, daß die Cardinäle, von jeher gewohnt, ihren persönlichen Vortheil bei einer Papstwahl in Anschlag zu bringen, auf einen Ent- fernten, einen Niederländer fallen würden, den die Wenig- sten kannten, von dem sich Keiner einen Vortheil ausbe- dingen konnte? Sie ließen sich von dem unerwarteten An- stoß, den sie empfingen, dazu fortreißen. Als es gesche- hen war, wußten sie selbst nicht recht, wie sie dazu gekom- men. Sie waren todt vor Schrecken, sagt einer unserer Berichterstatter. Man behauptet, sie hätten sich noch ei- nen Augenblick überredet, er würde es nicht annehmen. Pasquin spottete ihrer: er stellte den Gewählten als Prä- ceptor dar: die Cardinäle als die Schulknaben, die er züchtige. Einen würdigeren Mann hatte aber die Wahl lange dubitando de li casi suoi, se la cosa fosse troppo ita in longo, delibero mettere conclusione et havendo in animo que- sto cle. Dertusense, per esser imperialissimo -- disse: etc. 1) So nennt er sich in einem Briefe von 1514, den man in
Caspar Burmannus: Adrianus VI. sive analecta historica de Adri- ano VI. p. 443 findet. In einheimischen Urkunden heißt er Mey- ster Aryän Floriße van Utrecht. Neuere haben ihn zuweilen Boyens genannt, weil der Vater sich Floris Boyens schrieb, doch heißt das aber auch nur Bodewins Sohn, und ist kein Familienname. S. Burmann in den Anmerkungen zu Moringi Vita Adriani p. 2. Unter Adrian VI. recht 1), fruͤher Profeſſor in Loͤwen, der Lehrer Carls V.,durch deſſen perſoͤnliche Zuneigung er zu dem Amt eines Governators von Spanien, zu der Wuͤrde eines Cardinals befoͤrdert worden war. Cardinal Cajetan, der ſonſt nicht zu der mediceiſchen Partei gehoͤrte, erhob ſich, den Vorge- ſchlagenen zu loben. Wer haͤtte glauben ſollen, daß die Cardinaͤle, von jeher gewohnt, ihren perſoͤnlichen Vortheil bei einer Papſtwahl in Anſchlag zu bringen, auf einen Ent- fernten, einen Niederlaͤnder fallen wuͤrden, den die Wenig- ſten kannten, von dem ſich Keiner einen Vortheil ausbe- dingen konnte? Sie ließen ſich von dem unerwarteten An- ſtoß, den ſie empfingen, dazu fortreißen. Als es geſche- hen war, wußten ſie ſelbſt nicht recht, wie ſie dazu gekom- men. Sie waren todt vor Schrecken, ſagt einer unſerer Berichterſtatter. Man behauptet, ſie haͤtten ſich noch ei- nen Augenblick uͤberredet, er wuͤrde es nicht annehmen. Pasquin ſpottete ihrer: er ſtellte den Gewaͤhlten als Praͤ- ceptor dar: die Cardinaͤle als die Schulknaben, die er zuͤchtige. Einen wuͤrdigeren Mann hatte aber die Wahl lange dubitando de li casi suoi, se la cosa fosse troppo ita in longo, deliberò mettere conclusione et havendo in animo que- sto cḻe̱. Dertusense, per esser imperialissimo — disse: etc. 1) So nennt er ſich in einem Briefe von 1514, den man in
Caspar Burmannus: Adrianus VI. sive analecta historica de Adri- ano VI. p. 443 findet. In einheimiſchen Urkunden heißt er Mey- ſter Aryaͤn Floriße van Utrecht. Neuere haben ihn zuweilen Boyens genannt, weil der Vater ſich Floris Boyens ſchrieb, doch heißt das aber auch nur Bodewins Sohn, und iſt kein Familienname. S. Burmann in den Anmerkungen zu Moringi Vita Adriani p. 2. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0117" n="91"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Unter Adrian</hi><hi rendition="#aq">VI.</hi></fw><lb/> recht <note place="foot" n="1)">So nennt er ſich in einem Briefe von 1514, den man in<lb/><hi rendition="#aq">Caspar Burmannus: Adrianus VI. sive analecta historica de Adri-<lb/> ano VI. p.</hi> 443 findet. In einheimiſchen Urkunden heißt er Mey-<lb/> ſter Aryaͤn Floriße van Utrecht. Neuere haben ihn zuweilen Boyens<lb/> genannt, weil der Vater ſich Floris Boyens ſchrieb, doch heißt das<lb/> aber auch nur Bodewins Sohn, und iſt kein Familienname. S.<lb/> Burmann in den Anmerkungen zu <hi rendition="#aq">Moringi Vita Adriani p.</hi> 2.</note>, fruͤher Profeſſor in Loͤwen, der Lehrer Carls <hi rendition="#aq">V.</hi>,<lb/> durch deſſen perſoͤnliche Zuneigung er zu dem Amt eines<lb/> Governators von Spanien, zu der Wuͤrde eines Cardinals<lb/> befoͤrdert worden war. Cardinal Cajetan, der ſonſt nicht<lb/> zu der mediceiſchen Partei gehoͤrte, erhob ſich, den Vorge-<lb/> ſchlagenen zu loben. Wer haͤtte glauben ſollen, daß die<lb/> Cardinaͤle, von jeher gewohnt, ihren perſoͤnlichen Vortheil<lb/> bei einer Papſtwahl in Anſchlag zu bringen, auf einen Ent-<lb/> fernten, einen Niederlaͤnder fallen wuͤrden, den die Wenig-<lb/> ſten kannten, von dem ſich Keiner einen Vortheil ausbe-<lb/> dingen konnte? Sie ließen ſich von dem unerwarteten An-<lb/> ſtoß, den ſie empfingen, dazu fortreißen. Als es geſche-<lb/> hen war, wußten ſie ſelbſt nicht recht, wie ſie dazu gekom-<lb/> men. Sie waren todt vor Schrecken, ſagt einer unſerer<lb/> Berichterſtatter. Man behauptet, ſie haͤtten ſich noch ei-<lb/> nen Augenblick uͤberredet, er wuͤrde es nicht annehmen.<lb/> Pasquin ſpottete ihrer: er ſtellte den Gewaͤhlten als Praͤ-<lb/> ceptor dar: die Cardinaͤle als die Schulknaben, die er<lb/> zuͤchtige.</p><lb/> <p>Einen wuͤrdigeren Mann hatte aber die Wahl lange<lb/> nicht getroffen. Adrian war von durchaus unbeſcholtenem<lb/><note xml:id="note-0117" prev="#note-0116" place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">dubitando de li casi suoi, se la cosa fosse troppo ita in<lb/> longo, deliberò mettere conclusione et havendo in animo que-<lb/> sto c<hi rendition="#sup">l</hi>̱<hi rendition="#sup">e</hi>̱. Dertusense, per esser imperialissimo — disse: etc.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0117]
Unter Adrian VI.
recht 1), fruͤher Profeſſor in Loͤwen, der Lehrer Carls V.,
durch deſſen perſoͤnliche Zuneigung er zu dem Amt eines
Governators von Spanien, zu der Wuͤrde eines Cardinals
befoͤrdert worden war. Cardinal Cajetan, der ſonſt nicht
zu der mediceiſchen Partei gehoͤrte, erhob ſich, den Vorge-
ſchlagenen zu loben. Wer haͤtte glauben ſollen, daß die
Cardinaͤle, von jeher gewohnt, ihren perſoͤnlichen Vortheil
bei einer Papſtwahl in Anſchlag zu bringen, auf einen Ent-
fernten, einen Niederlaͤnder fallen wuͤrden, den die Wenig-
ſten kannten, von dem ſich Keiner einen Vortheil ausbe-
dingen konnte? Sie ließen ſich von dem unerwarteten An-
ſtoß, den ſie empfingen, dazu fortreißen. Als es geſche-
hen war, wußten ſie ſelbſt nicht recht, wie ſie dazu gekom-
men. Sie waren todt vor Schrecken, ſagt einer unſerer
Berichterſtatter. Man behauptet, ſie haͤtten ſich noch ei-
nen Augenblick uͤberredet, er wuͤrde es nicht annehmen.
Pasquin ſpottete ihrer: er ſtellte den Gewaͤhlten als Praͤ-
ceptor dar: die Cardinaͤle als die Schulknaben, die er
zuͤchtige.
Einen wuͤrdigeren Mann hatte aber die Wahl lange
nicht getroffen. Adrian war von durchaus unbeſcholtenem
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1) So nennt er ſich in einem Briefe von 1514, den man in
Caspar Burmannus: Adrianus VI. sive analecta historica de Adri-
ano VI. p. 443 findet. In einheimiſchen Urkunden heißt er Mey-
ſter Aryaͤn Floriße van Utrecht. Neuere haben ihn zuweilen Boyens
genannt, weil der Vater ſich Floris Boyens ſchrieb, doch heißt das
aber auch nur Bodewins Sohn, und iſt kein Familienname. S.
Burmann in den Anmerkungen zu Moringi Vita Adriani p. 2.
1) dubitando de li casi suoi, se la cosa fosse troppo ita in
longo, deliberò mettere conclusione et havendo in animo que-
sto cḻe̱. Dertusense, per esser imperialissimo — disse: etc.
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