Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Unter Clemens VII. daß Ferdinand von Oestreich, der des Kaisers Stelle ver-trat, in einem Augenblick, in welchem sie jenseits der Al- pen von dem Papst auf das ernstlichste angegriffen waren, -- Ferdinand selbst hegte eine Absicht auf Mailand -- diesseit derselben die päpstliche Gewalt aufrecht zu erhalten sich sehr angelegen lassen seyn sollten, läuft völlig wider die Natur der Dinge. Was man auch früher beabsichtigt, angekündigt haben mochte 1), durch den offenen Krieg, in den man mit dem Papst gerathen war, fielen alle Rück- sichten weg, die man für ihn haben konnte. Niemals äußerten sich die Städte freier; niemals drangen die Fürsten ernstlicher auf eine Erledigung ihrer Beschwer- den: man hat den Antrag gemacht, die Bücher, in denen die neueren Satzungen enthalten, lieber geradezu zu verbren- nen, und nur die heilige Schrift zur Regel zu nehmen; obwohl sich ein gewisser Widerstand regte, so wurde doch niemals ein selbstständigerer Beschluß gefaßt. Ferdinand unterzeichnete einen Reichsabschied, kraft dessen es den Ständen freigestellt ward, sich in Sachen der Religion so zu verhalten, wie es ein Jeder gegen Gott und den Kai- ser zu verantworten gedenke, d. i. nach seinem Ermessen zu verfahren. Ein Beschluß, in welchem des Papstes auch nicht einmal gedacht wird, der als der Anfang der eigent- lichen Reformation, der Einrichtung einer neuen Kirche in Deutschland betrachtet werden kann. In Sachsen, Hessen und den benachbarten Ländern nahm sie sofort ihren An- 1) Die Instructionen des Kaisers, die den Protestanten einige
Furcht einflößten, sind vom März 1526, einer Zeit, in welcher sich der Papst noch nicht mit Frankreich verbündet hatte. Unter Clemens VII. daß Ferdinand von Oeſtreich, der des Kaiſers Stelle ver-trat, in einem Augenblick, in welchem ſie jenſeits der Al- pen von dem Papſt auf das ernſtlichſte angegriffen waren, — Ferdinand ſelbſt hegte eine Abſicht auf Mailand — dieſſeit derſelben die paͤpſtliche Gewalt aufrecht zu erhalten ſich ſehr angelegen laſſen ſeyn ſollten, laͤuft voͤllig wider die Natur der Dinge. Was man auch fruͤher beabſichtigt, angekuͤndigt haben mochte 1), durch den offenen Krieg, in den man mit dem Papſt gerathen war, fielen alle Ruͤck- ſichten weg, die man fuͤr ihn haben konnte. Niemals aͤußerten ſich die Staͤdte freier; niemals drangen die Fuͤrſten ernſtlicher auf eine Erledigung ihrer Beſchwer- den: man hat den Antrag gemacht, die Buͤcher, in denen die neueren Satzungen enthalten, lieber geradezu zu verbren- nen, und nur die heilige Schrift zur Regel zu nehmen; obwohl ſich ein gewiſſer Widerſtand regte, ſo wurde doch niemals ein ſelbſtſtaͤndigerer Beſchluß gefaßt. Ferdinand unterzeichnete einen Reichsabſchied, kraft deſſen es den Staͤnden freigeſtellt ward, ſich in Sachen der Religion ſo zu verhalten, wie es ein Jeder gegen Gott und den Kai- ſer zu verantworten gedenke, d. i. nach ſeinem Ermeſſen zu verfahren. Ein Beſchluß, in welchem des Papſtes auch nicht einmal gedacht wird, der als der Anfang der eigent- lichen Reformation, der Einrichtung einer neuen Kirche in Deutſchland betrachtet werden kann. In Sachſen, Heſſen und den benachbarten Laͤndern nahm ſie ſofort ihren An- 1) Die Inſtructionen des Kaiſers, die den Proteſtanten einige
Furcht einfloͤßten, ſind vom Maͤrz 1526, einer Zeit, in welcher ſich der Papſt noch nicht mit Frankreich verbuͤndet hatte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0131" n="105"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Unter Clemens</hi><hi rendition="#aq">VII.</hi></fw><lb/> daß Ferdinand von Oeſtreich, der des Kaiſers Stelle ver-<lb/> trat, in einem Augenblick, in welchem ſie jenſeits der Al-<lb/> pen von dem Papſt auf das ernſtlichſte angegriffen waren,<lb/> — Ferdinand ſelbſt hegte eine Abſicht auf Mailand —<lb/> dieſſeit derſelben die paͤpſtliche Gewalt aufrecht zu erhalten<lb/> ſich ſehr angelegen laſſen ſeyn ſollten, laͤuft voͤllig wider<lb/> die Natur der Dinge. Was man auch fruͤher beabſichtigt,<lb/> angekuͤndigt haben mochte <note place="foot" n="1)">Die Inſtructionen des Kaiſers, die den Proteſtanten einige<lb/> Furcht einfloͤßten, ſind vom Maͤrz 1526, einer Zeit, in welcher ſich<lb/> der Papſt noch nicht mit Frankreich verbuͤndet hatte.</note>, durch den offenen Krieg, in<lb/> den man mit dem Papſt gerathen war, fielen alle Ruͤck-<lb/> ſichten weg, die man fuͤr ihn haben konnte. Niemals<lb/> aͤußerten ſich die Staͤdte freier; niemals drangen die<lb/> Fuͤrſten ernſtlicher auf eine Erledigung ihrer Beſchwer-<lb/> den: man hat den Antrag gemacht, die Buͤcher, in denen<lb/> die neueren Satzungen enthalten, lieber geradezu zu verbren-<lb/> nen, und nur die heilige Schrift zur Regel zu nehmen;<lb/> obwohl ſich ein gewiſſer Widerſtand regte, ſo wurde doch<lb/> niemals ein ſelbſtſtaͤndigerer Beſchluß gefaßt. Ferdinand<lb/> unterzeichnete einen Reichsabſchied, kraft deſſen es den<lb/> Staͤnden freigeſtellt ward, ſich in Sachen der Religion ſo<lb/> zu verhalten, wie es ein Jeder gegen Gott und den Kai-<lb/> ſer zu verantworten gedenke, d. i. nach ſeinem Ermeſſen zu<lb/> verfahren. Ein Beſchluß, in welchem des Papſtes auch<lb/> nicht einmal gedacht wird, der als der Anfang der eigent-<lb/> lichen Reformation, der Einrichtung einer neuen Kirche in<lb/> Deutſchland betrachtet werden kann. In Sachſen, Heſſen<lb/> und den benachbarten Laͤndern nahm ſie ſofort ihren An-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0131]
Unter Clemens VII.
daß Ferdinand von Oeſtreich, der des Kaiſers Stelle ver-
trat, in einem Augenblick, in welchem ſie jenſeits der Al-
pen von dem Papſt auf das ernſtlichſte angegriffen waren,
— Ferdinand ſelbſt hegte eine Abſicht auf Mailand —
dieſſeit derſelben die paͤpſtliche Gewalt aufrecht zu erhalten
ſich ſehr angelegen laſſen ſeyn ſollten, laͤuft voͤllig wider
die Natur der Dinge. Was man auch fruͤher beabſichtigt,
angekuͤndigt haben mochte 1), durch den offenen Krieg, in
den man mit dem Papſt gerathen war, fielen alle Ruͤck-
ſichten weg, die man fuͤr ihn haben konnte. Niemals
aͤußerten ſich die Staͤdte freier; niemals drangen die
Fuͤrſten ernſtlicher auf eine Erledigung ihrer Beſchwer-
den: man hat den Antrag gemacht, die Buͤcher, in denen
die neueren Satzungen enthalten, lieber geradezu zu verbren-
nen, und nur die heilige Schrift zur Regel zu nehmen;
obwohl ſich ein gewiſſer Widerſtand regte, ſo wurde doch
niemals ein ſelbſtſtaͤndigerer Beſchluß gefaßt. Ferdinand
unterzeichnete einen Reichsabſchied, kraft deſſen es den
Staͤnden freigeſtellt ward, ſich in Sachen der Religion ſo
zu verhalten, wie es ein Jeder gegen Gott und den Kai-
ſer zu verantworten gedenke, d. i. nach ſeinem Ermeſſen zu
verfahren. Ein Beſchluß, in welchem des Papſtes auch
nicht einmal gedacht wird, der als der Anfang der eigent-
lichen Reformation, der Einrichtung einer neuen Kirche in
Deutſchland betrachtet werden kann. In Sachſen, Heſſen
und den benachbarten Laͤndern nahm ſie ſofort ihren An-
1) Die Inſtructionen des Kaiſers, die den Proteſtanten einige
Furcht einfloͤßten, ſind vom Maͤrz 1526, einer Zeit, in welcher ſich
der Papſt noch nicht mit Frankreich verbuͤndet hatte.
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