nach den verschiedenen Provinzen, die aber keine anderen Ge- schäfte verhandeln als die, welche er ihnen auftragen wird. Nach Gutdünken ernennt er die Vorsteher der Provinzen, Collegien und Häuser: nimmt auf und entläßt, dispensirt und straft: er hat eine Art von päpstlicher Gewalt im Kleinen 1).
Es trat hierbei nur die Gefahr ein, daß der General im Besitz einer so großen Macht, selber von den Prinzipien der Gesellschaft abtrünnig würde. In so fern unterwarf man ihn einer gewissen Beschränkung. Es will zwar vielleicht nicht so viel sagen, wie es dem Ignatius geschienen haben mag, daß die Gesellschaft oder ihre Deputirten über gewisse Aeu- ßerlichkeiten, Mahlzeit, Kleidung, Schlafengehen und das ge- sammte tägliche Leben -- zu bestimmen hatten 2): indeß ist es immer etwas, daß der Inhaber der obersten Gewalt einer Freiheit beraubt ist, die der geringste Mensch genießt. Die Assistenten, die nicht von ihm ernannt waren, beauf- sichtigten ihn überdieß fortwährend. Es gab einen bestellten Ermahner, Admonitor; bei großen Fehltritten konnten die Assistenten die Generalcongregation berufen, die dann be- fugt war, selbst die Absetzung des Generals auszusprechen.
Es führt uns dieß einen Schritt weiter.
Lassen wir uns nicht von den hyperbolischen Aus- drücken blenden, in denen die Jesuiten diese Gewalt dar- gestellt haben, und betrachten wir vielmehr, was bei der Ausdehnung, zu der die Gesellschaft gar bald gedieh, ausführbar seyn konnte, so stellt sich folgendes Verhältniß
1)Constitutiones IX, III.
2)Schedula Ignatii AA. SS. Commentatio praevia nr. 872.
Ausbildung des jeſuitiſchen Inſtitutes.
nach den verſchiedenen Provinzen, die aber keine anderen Ge- ſchaͤfte verhandeln als die, welche er ihnen auftragen wird. Nach Gutduͤnken ernennt er die Vorſteher der Provinzen, Collegien und Haͤuſer: nimmt auf und entlaͤßt, dispenſirt und ſtraft: er hat eine Art von paͤpſtlicher Gewalt im Kleinen 1).
Es trat hierbei nur die Gefahr ein, daß der General im Beſitz einer ſo großen Macht, ſelber von den Prinzipien der Geſellſchaft abtruͤnnig wuͤrde. In ſo fern unterwarf man ihn einer gewiſſen Beſchraͤnkung. Es will zwar vielleicht nicht ſo viel ſagen, wie es dem Ignatius geſchienen haben mag, daß die Geſellſchaft oder ihre Deputirten uͤber gewiſſe Aeu- ßerlichkeiten, Mahlzeit, Kleidung, Schlafengehen und das ge- ſammte taͤgliche Leben — zu beſtimmen hatten 2): indeß iſt es immer etwas, daß der Inhaber der oberſten Gewalt einer Freiheit beraubt iſt, die der geringſte Menſch genießt. Die Aſſiſtenten, die nicht von ihm ernannt waren, beauf- ſichtigten ihn uͤberdieß fortwaͤhrend. Es gab einen beſtellten Ermahner, Admonitor; bei großen Fehltritten konnten die Aſſiſtenten die Generalcongregation berufen, die dann be- fugt war, ſelbſt die Abſetzung des Generals auszuſprechen.
Es fuͤhrt uns dieß einen Schritt weiter.
Laſſen wir uns nicht von den hyperboliſchen Aus- druͤcken blenden, in denen die Jeſuiten dieſe Gewalt dar- geſtellt haben, und betrachten wir vielmehr, was bei der Ausdehnung, zu der die Geſellſchaft gar bald gedieh, ausfuͤhrbar ſeyn konnte, ſo ſtellt ſich folgendes Verhaͤltniß
1)Constitutiones IX, III.
2)Schedula Ignatii AA. SS. Commentatio praevia nr. 872.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0247"n="221"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Ausbildung des jeſuitiſchen Inſtitutes</hi>.</fw><lb/>
nach den verſchiedenen Provinzen, die aber keine anderen Ge-<lb/>ſchaͤfte verhandeln als die, welche er ihnen auftragen wird.<lb/>
Nach Gutduͤnken ernennt er die Vorſteher der Provinzen,<lb/>
Collegien und Haͤuſer: nimmt auf und entlaͤßt, dispenſirt<lb/>
und ſtraft: er hat eine Art von paͤpſtlicher Gewalt im<lb/>
Kleinen <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Constitutiones IX, III.</hi></note>.</p><lb/><p>Es trat hierbei nur die Gefahr ein, daß der General im<lb/>
Beſitz einer ſo großen Macht, ſelber von den Prinzipien der<lb/>
Geſellſchaft abtruͤnnig wuͤrde. In ſo fern unterwarf man ihn<lb/>
einer gewiſſen Beſchraͤnkung. Es will zwar vielleicht nicht<lb/>ſo viel ſagen, wie es dem Ignatius geſchienen haben mag,<lb/>
daß die Geſellſchaft oder ihre Deputirten uͤber gewiſſe Aeu-<lb/>
ßerlichkeiten, Mahlzeit, Kleidung, Schlafengehen und das ge-<lb/>ſammte taͤgliche Leben — zu beſtimmen hatten <noteplace="foot"n="2)"><hirendition="#aq">Schedula Ignatii AA. SS. Commentatio praevia nr.</hi> 872.</note>: indeß iſt<lb/>
es immer etwas, daß der Inhaber der oberſten Gewalt<lb/>
einer Freiheit beraubt iſt, die der geringſte Menſch genießt.<lb/>
Die Aſſiſtenten, die nicht von ihm ernannt waren, beauf-<lb/>ſichtigten ihn uͤberdieß fortwaͤhrend. Es gab einen beſtellten<lb/>
Ermahner, Admonitor; bei großen Fehltritten konnten die<lb/>
Aſſiſtenten die Generalcongregation berufen, die dann be-<lb/>
fugt war, ſelbſt die Abſetzung des Generals auszuſprechen.</p><lb/><p>Es fuͤhrt uns dieß einen Schritt weiter.</p><lb/><p>Laſſen wir uns nicht von den hyperboliſchen Aus-<lb/>
druͤcken blenden, in denen die Jeſuiten dieſe Gewalt dar-<lb/>
geſtellt haben, und betrachten wir vielmehr, was bei<lb/>
der Ausdehnung, zu der die Geſellſchaft gar bald gedieh,<lb/>
ausfuͤhrbar ſeyn konnte, ſo ſtellt ſich folgendes Verhaͤltniß<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[221/0247]
Ausbildung des jeſuitiſchen Inſtitutes.
nach den verſchiedenen Provinzen, die aber keine anderen Ge-
ſchaͤfte verhandeln als die, welche er ihnen auftragen wird.
Nach Gutduͤnken ernennt er die Vorſteher der Provinzen,
Collegien und Haͤuſer: nimmt auf und entlaͤßt, dispenſirt
und ſtraft: er hat eine Art von paͤpſtlicher Gewalt im
Kleinen 1).
Es trat hierbei nur die Gefahr ein, daß der General im
Beſitz einer ſo großen Macht, ſelber von den Prinzipien der
Geſellſchaft abtruͤnnig wuͤrde. In ſo fern unterwarf man ihn
einer gewiſſen Beſchraͤnkung. Es will zwar vielleicht nicht
ſo viel ſagen, wie es dem Ignatius geſchienen haben mag,
daß die Geſellſchaft oder ihre Deputirten uͤber gewiſſe Aeu-
ßerlichkeiten, Mahlzeit, Kleidung, Schlafengehen und das ge-
ſammte taͤgliche Leben — zu beſtimmen hatten 2): indeß iſt
es immer etwas, daß der Inhaber der oberſten Gewalt
einer Freiheit beraubt iſt, die der geringſte Menſch genießt.
Die Aſſiſtenten, die nicht von ihm ernannt waren, beauf-
ſichtigten ihn uͤberdieß fortwaͤhrend. Es gab einen beſtellten
Ermahner, Admonitor; bei großen Fehltritten konnten die
Aſſiſtenten die Generalcongregation berufen, die dann be-
fugt war, ſelbſt die Abſetzung des Generals auszuſprechen.
Es fuͤhrt uns dieß einen Schritt weiter.
Laſſen wir uns nicht von den hyperboliſchen Aus-
druͤcken blenden, in denen die Jeſuiten dieſe Gewalt dar-
geſtellt haben, und betrachten wir vielmehr, was bei
der Ausdehnung, zu der die Geſellſchaft gar bald gedieh,
ausfuͤhrbar ſeyn konnte, ſo ſtellt ſich folgendes Verhaͤltniß
1) Constitutiones IX, III.
2) Schedula Ignatii AA. SS. Commentatio praevia nr. 872.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/247>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.