den eine jede eingenommen, und von ihm aus die anderen zu verdrängen, sich die Welt zu unterwerfen.
Es könnte scheinen, als werde es die katholische Rich- tung, die doch vornehmlich nur die Erneuerung des bis- herigen Institutes beabsichtigte, leichter gehabt haben, auf ihrer Seite durchzudringen, vorwärts zu kommen, als die übrigen. Doch war ihr Vortheil nicht groß. Von vielen anderen Lebenstrieben weltlicher Gesinnung, profaner Wis- senschaftlichkeit, abweichender theologischer Ueberzeugung, war auch sie umgeben und beschränkt; sie war mehr ein Gäh- rungsstoff, von dem es sich noch fragte, ob er die Ele- mente, in deren Mitte er sich erzeugt, wahrhaft ergreifen, überwältigen, oder von ihnen erdrückt werden würde.
In den Päpsten selbst, ihrer Persönlichkeit und Poli- tik stieß sie auf den nächsten Widerstand.
Wir bemerkten, wie eine so durchaus ungeistliche Sin- nesweise in den Oberhäuptern der Kirche Wurzel gefaßt, die Opposition hervorgerufen, dem Protestantismus so un- endlichen Vorschub gethan hatte.
Es kam darauf an, in wiefern die strengen kirchlichen Tendenzen diese Gesinnung übermeistern, umwandeln wür- den oder nicht.
Ich finde, daß der Gegensatz dieser beiden Principien, des eingewohnten Thun und Lassens, der bisherigen Poli- tik mit der Nothwendigkeit eine durchgreifende innere Re- form herbeizuführen, das vornehmste Interesse in der Ge- schichte der nächsten Päpste bildet.
BuchIII.Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
den eine jede eingenommen, und von ihm aus die anderen zu verdraͤngen, ſich die Welt zu unterwerfen.
Es koͤnnte ſcheinen, als werde es die katholiſche Rich- tung, die doch vornehmlich nur die Erneuerung des bis- herigen Inſtitutes beabſichtigte, leichter gehabt haben, auf ihrer Seite durchzudringen, vorwaͤrts zu kommen, als die uͤbrigen. Doch war ihr Vortheil nicht groß. Von vielen anderen Lebenstrieben weltlicher Geſinnung, profaner Wiſ- ſenſchaftlichkeit, abweichender theologiſcher Ueberzeugung, war auch ſie umgeben und beſchraͤnkt; ſie war mehr ein Gaͤh- rungsſtoff, von dem es ſich noch fragte, ob er die Ele- mente, in deren Mitte er ſich erzeugt, wahrhaft ergreifen, uͤberwaͤltigen, oder von ihnen erdruͤckt werden wuͤrde.
In den Paͤpſten ſelbſt, ihrer Perſoͤnlichkeit und Poli- tik ſtieß ſie auf den naͤchſten Widerſtand.
Wir bemerkten, wie eine ſo durchaus ungeiſtliche Sin- nesweiſe in den Oberhaͤuptern der Kirche Wurzel gefaßt, die Oppoſition hervorgerufen, dem Proteſtantismus ſo un- endlichen Vorſchub gethan hatte.
Es kam darauf an, in wiefern die ſtrengen kirchlichen Tendenzen dieſe Geſinnung uͤbermeiſtern, umwandeln wuͤr- den oder nicht.
Ich finde, daß der Gegenſatz dieſer beiden Principien, des eingewohnten Thun und Laſſens, der bisherigen Poli- tik mit der Nothwendigkeit eine durchgreifende innere Re- form herbeizufuͤhren, das vornehmſte Intereſſe in der Ge- ſchichte der naͤchſten Paͤpſte bildet.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0262"n="236"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">III.</hi><hirendition="#g">Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh</hi>.</fw><lb/>
den eine jede eingenommen, und von ihm aus die anderen<lb/>
zu verdraͤngen, ſich die Welt zu unterwerfen.</p><lb/><p>Es koͤnnte ſcheinen, als werde es die katholiſche Rich-<lb/>
tung, die doch vornehmlich nur die Erneuerung des bis-<lb/>
herigen Inſtitutes beabſichtigte, leichter gehabt haben, auf<lb/>
ihrer Seite durchzudringen, vorwaͤrts zu kommen, als die<lb/>
uͤbrigen. Doch war ihr Vortheil nicht groß. Von vielen<lb/>
anderen Lebenstrieben weltlicher Geſinnung, profaner Wiſ-<lb/>ſenſchaftlichkeit, abweichender theologiſcher Ueberzeugung, war<lb/>
auch ſie umgeben und beſchraͤnkt; ſie war mehr ein Gaͤh-<lb/>
rungsſtoff, von dem es ſich noch fragte, ob er die Ele-<lb/>
mente, in deren Mitte er ſich erzeugt, wahrhaft ergreifen,<lb/>
uͤberwaͤltigen, oder von ihnen erdruͤckt werden wuͤrde.</p><lb/><p>In den Paͤpſten ſelbſt, ihrer Perſoͤnlichkeit und Poli-<lb/>
tik ſtieß ſie auf den naͤchſten Widerſtand.</p><lb/><p>Wir bemerkten, wie eine ſo durchaus ungeiſtliche Sin-<lb/>
nesweiſe in den Oberhaͤuptern der Kirche Wurzel gefaßt,<lb/>
die Oppoſition hervorgerufen, dem Proteſtantismus ſo un-<lb/>
endlichen Vorſchub gethan hatte.</p><lb/><p>Es kam darauf an, in wiefern die ſtrengen kirchlichen<lb/>
Tendenzen dieſe Geſinnung uͤbermeiſtern, umwandeln wuͤr-<lb/>
den oder nicht.</p><lb/><p>Ich finde, daß der Gegenſatz dieſer beiden Principien,<lb/>
des eingewohnten Thun und Laſſens, der bisherigen Poli-<lb/>
tik mit der Nothwendigkeit eine durchgreifende innere Re-<lb/>
form herbeizufuͤhren, das vornehmſte Intereſſe in der Ge-<lb/>ſchichte der naͤchſten Paͤpſte bildet.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[236/0262]
Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
den eine jede eingenommen, und von ihm aus die anderen
zu verdraͤngen, ſich die Welt zu unterwerfen.
Es koͤnnte ſcheinen, als werde es die katholiſche Rich-
tung, die doch vornehmlich nur die Erneuerung des bis-
herigen Inſtitutes beabſichtigte, leichter gehabt haben, auf
ihrer Seite durchzudringen, vorwaͤrts zu kommen, als die
uͤbrigen. Doch war ihr Vortheil nicht groß. Von vielen
anderen Lebenstrieben weltlicher Geſinnung, profaner Wiſ-
ſenſchaftlichkeit, abweichender theologiſcher Ueberzeugung, war
auch ſie umgeben und beſchraͤnkt; ſie war mehr ein Gaͤh-
rungsſtoff, von dem es ſich noch fragte, ob er die Ele-
mente, in deren Mitte er ſich erzeugt, wahrhaft ergreifen,
uͤberwaͤltigen, oder von ihnen erdruͤckt werden wuͤrde.
In den Paͤpſten ſelbſt, ihrer Perſoͤnlichkeit und Poli-
tik ſtieß ſie auf den naͤchſten Widerſtand.
Wir bemerkten, wie eine ſo durchaus ungeiſtliche Sin-
nesweiſe in den Oberhaͤuptern der Kirche Wurzel gefaßt,
die Oppoſition hervorgerufen, dem Proteſtantismus ſo un-
endlichen Vorſchub gethan hatte.
Es kam darauf an, in wiefern die ſtrengen kirchlichen
Tendenzen dieſe Geſinnung uͤbermeiſtern, umwandeln wuͤr-
den oder nicht.
Ich finde, daß der Gegenſatz dieſer beiden Principien,
des eingewohnten Thun und Laſſens, der bisherigen Poli-
tik mit der Nothwendigkeit eine durchgreifende innere Re-
form herbeizufuͤhren, das vornehmſte Intereſſe in der Ge-
ſchichte der naͤchſten Paͤpſte bildet.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/262>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.