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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Pius IV.
hatte er sich in so viel Kriege und Feindseligkeiten gestürzt.
Pius sah den Fehler um so besser ein, weil ein Vorgän-
ger ihn begangen, mit dem er sich ohnedieß in Wider-
spruch fühlte. "Damit haben wir England verloren," rief
er aus, "das wir noch hätten erhalten können, wenn man
Cardinal Poole besser unterstützt hätte; dadurch ist auch
Schottland verloren gegangen; während des Krieges sind
die deutschen Lehren in Frankreich eingedrungen." Er da-
gegen wünscht vor allem den Frieden. Selbst einen Krieg
mit den Protestanten mag er nicht; den Gesandten von
Savoyen, der ihn um Unterstützung zu einem Angriff auf
Genf ersucht, unterbricht er oft, "was es denn für Zeiten
seyen, um ihm solche Vorschläge zu machen? er bedürfe
nichts so sehr wie den Frieden" 1). Er möchte gern mit
Jedermann gut stehen. Leicht gewährt er seine kirchlichen
Gnaden, und wenn er etwas abzuschlagen hat, thut er es
geschickt, bescheiden. Er ist überzeugt, und spricht es aus,
daß sich die Macht des Papstes ohne die Autorität der
Fürsten nicht länger halten könne.

Die letzten Zeiten Pauls IV. waren damit bezeichnet,
daß die ganze katholische Welt aufs neue das Concilium
forderte. Es ist gewiß, daß sich Pius IV. nur mit gro-
ßer Schwierigkeit dieser Forderung würde haben entziehen
können. Den Krieg konnte er nicht mehr vorschützen wie

1) Mula: 14 Febr. 1561. -- -- Pius bat ihn zu berichten:
"che havemo animo di stare in pace e che non sapemo niente
di questi pensieri del duca di Savoia e ci meravigliamo che vada
cercando queste cose; non e tempo da fare l'impresa di Ginevra
ne da far generali. Scrivete che siamo constanti in questa opi-
nione di star in pace."
21*

Pius IV.
hatte er ſich in ſo viel Kriege und Feindſeligkeiten geſtuͤrzt.
Pius ſah den Fehler um ſo beſſer ein, weil ein Vorgaͤn-
ger ihn begangen, mit dem er ſich ohnedieß in Wider-
ſpruch fuͤhlte. „Damit haben wir England verloren,“ rief
er aus, „das wir noch haͤtten erhalten koͤnnen, wenn man
Cardinal Poole beſſer unterſtuͤtzt haͤtte; dadurch iſt auch
Schottland verloren gegangen; waͤhrend des Krieges ſind
die deutſchen Lehren in Frankreich eingedrungen.“ Er da-
gegen wuͤnſcht vor allem den Frieden. Selbſt einen Krieg
mit den Proteſtanten mag er nicht; den Geſandten von
Savoyen, der ihn um Unterſtuͤtzung zu einem Angriff auf
Genf erſucht, unterbricht er oft, „was es denn fuͤr Zeiten
ſeyen, um ihm ſolche Vorſchlaͤge zu machen? er beduͤrfe
nichts ſo ſehr wie den Frieden“ 1). Er moͤchte gern mit
Jedermann gut ſtehen. Leicht gewaͤhrt er ſeine kirchlichen
Gnaden, und wenn er etwas abzuſchlagen hat, thut er es
geſchickt, beſcheiden. Er iſt uͤberzeugt, und ſpricht es aus,
daß ſich die Macht des Papſtes ohne die Autoritaͤt der
Fuͤrſten nicht laͤnger halten koͤnne.

Die letzten Zeiten Pauls IV. waren damit bezeichnet,
daß die ganze katholiſche Welt aufs neue das Concilium
forderte. Es iſt gewiß, daß ſich Pius IV. nur mit gro-
ßer Schwierigkeit dieſer Forderung wuͤrde haben entziehen
koͤnnen. Den Krieg konnte er nicht mehr vorſchuͤtzen wie

1) Mula: 14 Febr. 1561. — — Pius bat ihn zu berichten:
„che havemo animo di stare in pace e che non sapemo niente
di questi pensieri del duca di Savoia e ci meravigliamo che vada
cercando queste cose; non è tempo da fare l’impresa di Ginevra
nè da far generali. Scrivete che siamo constanti in questa opi-
nione di star in pace.“
21*
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[323/0349] Pius IV. hatte er ſich in ſo viel Kriege und Feindſeligkeiten geſtuͤrzt. Pius ſah den Fehler um ſo beſſer ein, weil ein Vorgaͤn- ger ihn begangen, mit dem er ſich ohnedieß in Wider- ſpruch fuͤhlte. „Damit haben wir England verloren,“ rief er aus, „das wir noch haͤtten erhalten koͤnnen, wenn man Cardinal Poole beſſer unterſtuͤtzt haͤtte; dadurch iſt auch Schottland verloren gegangen; waͤhrend des Krieges ſind die deutſchen Lehren in Frankreich eingedrungen.“ Er da- gegen wuͤnſcht vor allem den Frieden. Selbſt einen Krieg mit den Proteſtanten mag er nicht; den Geſandten von Savoyen, der ihn um Unterſtuͤtzung zu einem Angriff auf Genf erſucht, unterbricht er oft, „was es denn fuͤr Zeiten ſeyen, um ihm ſolche Vorſchlaͤge zu machen? er beduͤrfe nichts ſo ſehr wie den Frieden“ 1). Er moͤchte gern mit Jedermann gut ſtehen. Leicht gewaͤhrt er ſeine kirchlichen Gnaden, und wenn er etwas abzuſchlagen hat, thut er es geſchickt, beſcheiden. Er iſt uͤberzeugt, und ſpricht es aus, daß ſich die Macht des Papſtes ohne die Autoritaͤt der Fuͤrſten nicht laͤnger halten koͤnne. Die letzten Zeiten Pauls IV. waren damit bezeichnet, daß die ganze katholiſche Welt aufs neue das Concilium forderte. Es iſt gewiß, daß ſich Pius IV. nur mit gro- ßer Schwierigkeit dieſer Forderung wuͤrde haben entziehen koͤnnen. Den Krieg konnte er nicht mehr vorſchuͤtzen wie 1) Mula: 14 Febr. 1561. — — Pius bat ihn zu berichten: „che havemo animo di stare in pace e che non sapemo niente di questi pensieri del duca di Savoia e ci meravigliamo che vada cercando queste cose; non è tempo da fare l’impresa di Ginevra nè da far generali. Scrivete che siamo constanti in questa opi- nione di star in pace.“ 21*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/349>, abgerufen am 24.11.2024.