Der Weg war geebnet. Man konnte nunmehr, sagt er selbst, auf die Schwierigkeiten eingehen, die in der Sache lagen.
Noch schwebte die alte Streitfrage über die Nothwen- digkeit der Residenz und das göttliche Recht der Bischöfe. Lange zeigten sich die Spanier in ihren Lehrsätzen hierüber unerschütterlich: noch im Juli 1563 erklärten sie dieselben für eben so unfehlbar, als die zehn Gebote; der Erzbischof von Granada wünschte alle Bücher verboten zu sehen, in denen das Gegentheil behauptet werde 1): bei der Redac- tion des Decretes ließen sie sich hierauf dennoch gefallen, daß ihre Meinung nicht ausgesprochen wurde. Man nahm jedoch eine Fassung an, bei der es ihnen auch noch ferner möglich blieb, ihre Ansicht zu verfechten. Grade diese Dop- peldeutigkeit fand Lainez an dem Decrete lobenswürdig 2).
Auf ähnliche Weise ging es mit der andern Streitig- keit, über die Initiative, das "proponentibus legatis." Der Papst erklärte, ein Jeder solle fordern und sagen dür- fen, was ihm nach den alten Concilien zu fordern und zu sagen zustehe: doch hütete er sich wohl, das Wort vor- schlagen hierbei zu gebrauchen 3). Es ward eine Auskunft getroffen, mit der sich die Spanier begnügten, ohne daß darum der Papst das Mindeste aufgegeben hätte.
Nachdem der Rückhalt der politischen Tendenzen weg-
1)Scrittura nelle lettere e memorie del Nuncio Visconti II, 174.
2)"Ejus verba in utramque partem pie satis posse exponi." Paleotto bei Mendham: Memoirs of the council of Trent p. 262.
3)Pallavicini 23, 6, 5.
BuchIII.Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
Der Weg war geebnet. Man konnte nunmehr, ſagt er ſelbſt, auf die Schwierigkeiten eingehen, die in der Sache lagen.
Noch ſchwebte die alte Streitfrage uͤber die Nothwen- digkeit der Reſidenz und das goͤttliche Recht der Biſchoͤfe. Lange zeigten ſich die Spanier in ihren Lehrſaͤtzen hieruͤber unerſchuͤtterlich: noch im Juli 1563 erklaͤrten ſie dieſelben fuͤr eben ſo unfehlbar, als die zehn Gebote; der Erzbiſchof von Granada wuͤnſchte alle Buͤcher verboten zu ſehen, in denen das Gegentheil behauptet werde 1): bei der Redac- tion des Decretes ließen ſie ſich hierauf dennoch gefallen, daß ihre Meinung nicht ausgeſprochen wurde. Man nahm jedoch eine Faſſung an, bei der es ihnen auch noch ferner moͤglich blieb, ihre Anſicht zu verfechten. Grade dieſe Dop- peldeutigkeit fand Lainez an dem Decrete lobenswuͤrdig 2).
Auf aͤhnliche Weiſe ging es mit der andern Streitig- keit, uͤber die Initiative, das „proponentibus legatis.“ Der Papſt erklaͤrte, ein Jeder ſolle fordern und ſagen duͤr- fen, was ihm nach den alten Concilien zu fordern und zu ſagen zuſtehe: doch huͤtete er ſich wohl, das Wort vor- ſchlagen hierbei zu gebrauchen 3). Es ward eine Auskunft getroffen, mit der ſich die Spanier begnuͤgten, ohne daß darum der Papſt das Mindeſte aufgegeben haͤtte.
Nachdem der Ruͤckhalt der politiſchen Tendenzen weg-
1)Scrittura nelle lettere e memorie del Nuncio Visconti II, 174.
2)„Ejus verba in utramque partem pie satis posse exponi.“ Paleotto bei Mendham: Memoirs of the council of Trent p. 262.
3)Pallavicini 23, 6, 5.
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Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
Der Weg war geebnet. Man konnte nunmehr, ſagt
er ſelbſt, auf die Schwierigkeiten eingehen, die in der Sache
lagen.
Noch ſchwebte die alte Streitfrage uͤber die Nothwen-
digkeit der Reſidenz und das goͤttliche Recht der Biſchoͤfe.
Lange zeigten ſich die Spanier in ihren Lehrſaͤtzen hieruͤber
unerſchuͤtterlich: noch im Juli 1563 erklaͤrten ſie dieſelben
fuͤr eben ſo unfehlbar, als die zehn Gebote; der Erzbiſchof
von Granada wuͤnſchte alle Buͤcher verboten zu ſehen, in
denen das Gegentheil behauptet werde 1): bei der Redac-
tion des Decretes ließen ſie ſich hierauf dennoch gefallen,
daß ihre Meinung nicht ausgeſprochen wurde. Man nahm
jedoch eine Faſſung an, bei der es ihnen auch noch ferner
moͤglich blieb, ihre Anſicht zu verfechten. Grade dieſe Dop-
peldeutigkeit fand Lainez an dem Decrete lobenswuͤrdig 2).
Auf aͤhnliche Weiſe ging es mit der andern Streitig-
keit, uͤber die Initiative, das „proponentibus legatis.“
Der Papſt erklaͤrte, ein Jeder ſolle fordern und ſagen duͤr-
fen, was ihm nach den alten Concilien zu fordern und zu
ſagen zuſtehe: doch huͤtete er ſich wohl, das Wort vor-
ſchlagen hierbei zu gebrauchen 3). Es ward eine Auskunft
getroffen, mit der ſich die Spanier begnuͤgten, ohne daß
darum der Papſt das Mindeſte aufgegeben haͤtte.
Nachdem der Ruͤckhalt der politiſchen Tendenzen weg-
1) Scrittura nelle lettere e memorie del Nuncio Visconti
II, 174.
2) „Ejus verba in utramque partem pie satis posse exponi.“
Paleotto bei Mendham: Memoirs of the council of Trent p. 262.
3) Pallavicini 23, 6, 5.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/366>, abgerufen am 24.11.2024.
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