heimniß redete, das ihm von Gott anvertraut worden; er werde es eröffnen, und zum Beweise, daß er die Wahr- heit spreche, vor dem versammelten Volke auf der Piazza Navona, durch einen brennenden Scheiterhaufen unverletzt hindurchgehen.
Sein Geheimniß war, daß er vorauszuwissen meinte, in Kurzem werde eine Vereinigung zwischen der griechischen und der römischen Kirche Statt finden; diese vereinte ka- tholische Kirche werde sich die Türken und alle Abgefallene wieder unterwerfen; der Papst werde ein heiliger Mensch seyn, zur allgemeinen Monarchie gelangen, und die einige vollkommene Gerechtigkeit auf Erden einführen. Von die- sem Gedanken war er bis zum Fanatismus erfüllt.
Nur fand er, daß Pius IV., dessen weltliches Thun und Treiben von seinem Ideal unendlich weit entfernt war, sich zu einem so großen Unternehmen nicht eigne. Benedetto Accolti meinte von Gott bestimmt zu seyn, die Christenheit von diesem untauglichen Oberhaupt zu be- freien.
Er faßte den Plan, den Papst selbst zu tödten. Er fand einen Gefährten, dem er die Belohnungen Gottes und des zukünftigen heiligen Monarchen zusicherte. Eines Tages machten sie sich auf. Schon sahen sie den Papst in der Mitte einer Procession herankommen: leicht zu erreichen, friedlich, ohne Verdacht noch Vertheidigung.
Accolti, statt auf ihn loszugehn, fing an zu zittern und wechselte die Farbe. Die Umgebung eines Papstes hat etwas, was auf einen so fanatisch-katholischen Menschen schlechter- dings Eindruck machen mußte. Der Papst ging vorüber.
PiusIV.
heimniß redete, das ihm von Gott anvertraut worden; er werde es eroͤffnen, und zum Beweiſe, daß er die Wahr- heit ſpreche, vor dem verſammelten Volke auf der Piazza Navona, durch einen brennenden Scheiterhaufen unverletzt hindurchgehen.
Sein Geheimniß war, daß er vorauszuwiſſen meinte, in Kurzem werde eine Vereinigung zwiſchen der griechiſchen und der roͤmiſchen Kirche Statt finden; dieſe vereinte ka- tholiſche Kirche werde ſich die Tuͤrken und alle Abgefallene wieder unterwerfen; der Papſt werde ein heiliger Menſch ſeyn, zur allgemeinen Monarchie gelangen, und die einige vollkommene Gerechtigkeit auf Erden einfuͤhren. Von die- ſem Gedanken war er bis zum Fanatismus erfuͤllt.
Nur fand er, daß Pius IV., deſſen weltliches Thun und Treiben von ſeinem Ideal unendlich weit entfernt war, ſich zu einem ſo großen Unternehmen nicht eigne. Benedetto Accolti meinte von Gott beſtimmt zu ſeyn, die Chriſtenheit von dieſem untauglichen Oberhaupt zu be- freien.
Er faßte den Plan, den Papſt ſelbſt zu toͤdten. Er fand einen Gefaͤhrten, dem er die Belohnungen Gottes und des zukuͤnftigen heiligen Monarchen zuſicherte. Eines Tages machten ſie ſich auf. Schon ſahen ſie den Papſt in der Mitte einer Proceſſion herankommen: leicht zu erreichen, friedlich, ohne Verdacht noch Vertheidigung.
Accolti, ſtatt auf ihn loszugehn, fing an zu zittern und wechſelte die Farbe. Die Umgebung eines Papſtes hat etwas, was auf einen ſo fanatiſch-katholiſchen Menſchen ſchlechter- dings Eindruck machen mußte. Der Papſt ging voruͤber.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0375"n="349"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Pius</hi><hirendition="#aq">IV.</hi></fw><lb/>
heimniß redete, das ihm von Gott anvertraut worden; er<lb/>
werde es eroͤffnen, und zum Beweiſe, daß er die Wahr-<lb/>
heit ſpreche, vor dem verſammelten Volke auf der Piazza<lb/>
Navona, durch einen brennenden Scheiterhaufen unverletzt<lb/>
hindurchgehen.</p><lb/><p>Sein Geheimniß war, daß er vorauszuwiſſen meinte,<lb/>
in Kurzem werde eine Vereinigung zwiſchen der griechiſchen<lb/>
und der roͤmiſchen Kirche Statt finden; dieſe vereinte ka-<lb/>
tholiſche Kirche werde ſich die Tuͤrken und alle Abgefallene<lb/>
wieder unterwerfen; der Papſt werde ein heiliger Menſch<lb/>ſeyn, zur allgemeinen Monarchie gelangen, und die einige<lb/>
vollkommene Gerechtigkeit auf Erden einfuͤhren. Von die-<lb/>ſem Gedanken war er bis zum Fanatismus erfuͤllt.</p><lb/><p>Nur fand er, daß Pius <hirendition="#aq">IV.</hi>, deſſen weltliches Thun<lb/>
und Treiben von ſeinem Ideal unendlich weit entfernt<lb/>
war, ſich zu einem ſo großen Unternehmen nicht eigne.<lb/>
Benedetto Accolti meinte von Gott beſtimmt zu ſeyn, die<lb/>
Chriſtenheit von dieſem untauglichen Oberhaupt zu be-<lb/>
freien.</p><lb/><p>Er faßte den Plan, den Papſt ſelbſt zu toͤdten. Er<lb/>
fand einen Gefaͤhrten, dem er die Belohnungen Gottes und<lb/>
des zukuͤnftigen heiligen Monarchen zuſicherte. Eines Tages<lb/>
machten ſie ſich auf. Schon ſahen ſie den Papſt in der<lb/>
Mitte einer Proceſſion herankommen: leicht zu erreichen,<lb/>
friedlich, ohne Verdacht noch Vertheidigung.</p><lb/><p>Accolti, ſtatt auf ihn loszugehn, fing an zu zittern und<lb/>
wechſelte die Farbe. Die Umgebung eines Papſtes hat etwas,<lb/>
was auf einen ſo fanatiſch-katholiſchen Menſchen ſchlechter-<lb/>
dings Eindruck machen mußte. Der Papſt ging voruͤber.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[349/0375]
Pius IV.
heimniß redete, das ihm von Gott anvertraut worden; er
werde es eroͤffnen, und zum Beweiſe, daß er die Wahr-
heit ſpreche, vor dem verſammelten Volke auf der Piazza
Navona, durch einen brennenden Scheiterhaufen unverletzt
hindurchgehen.
Sein Geheimniß war, daß er vorauszuwiſſen meinte,
in Kurzem werde eine Vereinigung zwiſchen der griechiſchen
und der roͤmiſchen Kirche Statt finden; dieſe vereinte ka-
tholiſche Kirche werde ſich die Tuͤrken und alle Abgefallene
wieder unterwerfen; der Papſt werde ein heiliger Menſch
ſeyn, zur allgemeinen Monarchie gelangen, und die einige
vollkommene Gerechtigkeit auf Erden einfuͤhren. Von die-
ſem Gedanken war er bis zum Fanatismus erfuͤllt.
Nur fand er, daß Pius IV., deſſen weltliches Thun
und Treiben von ſeinem Ideal unendlich weit entfernt
war, ſich zu einem ſo großen Unternehmen nicht eigne.
Benedetto Accolti meinte von Gott beſtimmt zu ſeyn, die
Chriſtenheit von dieſem untauglichen Oberhaupt zu be-
freien.
Er faßte den Plan, den Papſt ſelbſt zu toͤdten. Er
fand einen Gefaͤhrten, dem er die Belohnungen Gottes und
des zukuͤnftigen heiligen Monarchen zuſicherte. Eines Tages
machten ſie ſich auf. Schon ſahen ſie den Papſt in der
Mitte einer Proceſſion herankommen: leicht zu erreichen,
friedlich, ohne Verdacht noch Vertheidigung.
Accolti, ſtatt auf ihn loszugehn, fing an zu zittern und
wechſelte die Farbe. Die Umgebung eines Papſtes hat etwas,
was auf einen ſo fanatiſch-katholiſchen Menſchen ſchlechter-
dings Eindruck machen mußte. Der Papſt ging voruͤber.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/375>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.