so hat er doch den Papst einmal erinnern lassen, er möge nicht erproben, was ein aufs Aeußerste gebrachter Fürst zu thun vermöge.
Auf das tiefste empfand das der Papst seinerseits wieder. Oft fühlte er sich unglücklich in seiner Würde. Er sagte: er sey müde zu leben: da er ohne Rücksicht verfahre, habe er sich Feinde gemacht: seit er Papst sey, erlebe er lauter Unannehmlichkeiten und Verfolgungen.
Allein wie dem auch sey, und obwohl es Pius V. so wenig wie ein andrer Mensch zu voller Befriedigung und Genugthuung brachte, so ist doch gewiß, daß seine Haltung und Sinnesweise einen unermeßlichen Einfluß auf seine Zeitgenossen und die ganze Entwickelung seiner Kirche ausgeübt hat. Nachdem so viel geschehen, um eine geist- lichere Tendenz hervorzurufen, zu befördern; nachdem so viele Beschlüsse gefaßt worden, um dieselbe zu allgemei- ner Herrschaft zu erheben, gehörte ein Papst wie dieser dazu, damit sie allenthalben nicht allein verkündigt, son- dern auch eingeführt würde: sein Eifer, so wie sein Bei- spiel war dazu unendlich wirksam.
Man sah die so oft besprochene Reformation des Ho- fes, wenn auch nicht in den Formen, welche man vorge- schlagen, aber in der That eintreten. Die Ausgaben der päpstlichen Haushaltung wurden ungemein beschränkt: Pius V. bedurfte wenig für sich: und oft hat er gesagt, "wer regieren wolle, müsse mit sich selber anfangen." Seine Diener, welche ihm, wie er glaubte, ohne Hoffnung auf Belohnung, bloß aus Liebe, sein ganzes Leben treu geblie- ben, versorgte er wohl nicht ohne Freigebigkeit, doch seine
BuchIII.Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
ſo hat er doch den Papſt einmal erinnern laſſen, er moͤge nicht erproben, was ein aufs Aeußerſte gebrachter Fuͤrſt zu thun vermoͤge.
Auf das tiefſte empfand das der Papſt ſeinerſeits wieder. Oft fuͤhlte er ſich ungluͤcklich in ſeiner Wuͤrde. Er ſagte: er ſey muͤde zu leben: da er ohne Ruͤckſicht verfahre, habe er ſich Feinde gemacht: ſeit er Papſt ſey, erlebe er lauter Unannehmlichkeiten und Verfolgungen.
Allein wie dem auch ſey, und obwohl es Pius V. ſo wenig wie ein andrer Menſch zu voller Befriedigung und Genugthuung brachte, ſo iſt doch gewiß, daß ſeine Haltung und Sinnesweiſe einen unermeßlichen Einfluß auf ſeine Zeitgenoſſen und die ganze Entwickelung ſeiner Kirche ausgeuͤbt hat. Nachdem ſo viel geſchehen, um eine geiſt- lichere Tendenz hervorzurufen, zu befoͤrdern; nachdem ſo viele Beſchluͤſſe gefaßt worden, um dieſelbe zu allgemei- ner Herrſchaft zu erheben, gehoͤrte ein Papſt wie dieſer dazu, damit ſie allenthalben nicht allein verkuͤndigt, ſon- dern auch eingefuͤhrt wuͤrde: ſein Eifer, ſo wie ſein Bei- ſpiel war dazu unendlich wirkſam.
Man ſah die ſo oft beſprochene Reformation des Ho- fes, wenn auch nicht in den Formen, welche man vorge- ſchlagen, aber in der That eintreten. Die Ausgaben der paͤpſtlichen Haushaltung wurden ungemein beſchraͤnkt: Pius V. bedurfte wenig fuͤr ſich: und oft hat er geſagt, „wer regieren wolle, muͤſſe mit ſich ſelber anfangen.“ Seine Diener, welche ihm, wie er glaubte, ohne Hoffnung auf Belohnung, bloß aus Liebe, ſein ganzes Leben treu geblie- ben, verſorgte er wohl nicht ohne Freigebigkeit, doch ſeine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0384"n="358"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">III.</hi><hirendition="#g">Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh</hi>.</fw><lb/>ſo hat er doch den Papſt einmal erinnern laſſen, er moͤge<lb/>
nicht erproben, was ein aufs Aeußerſte gebrachter Fuͤrſt<lb/>
zu thun vermoͤge.</p><lb/><p>Auf das tiefſte empfand das der Papſt ſeinerſeits<lb/>
wieder. Oft fuͤhlte er ſich ungluͤcklich in ſeiner Wuͤrde.<lb/>
Er ſagte: er ſey muͤde zu leben: da er ohne Ruͤckſicht<lb/>
verfahre, habe er ſich Feinde gemacht: ſeit er Papſt ſey,<lb/>
erlebe er lauter Unannehmlichkeiten und Verfolgungen.</p><lb/><p>Allein wie dem auch ſey, und obwohl es Pius <hirendition="#aq">V.</hi><lb/>ſo wenig wie ein andrer Menſch zu voller Befriedigung<lb/>
und Genugthuung brachte, ſo iſt doch gewiß, daß ſeine<lb/>
Haltung und Sinnesweiſe einen unermeßlichen Einfluß auf<lb/>ſeine Zeitgenoſſen und die ganze Entwickelung ſeiner Kirche<lb/>
ausgeuͤbt hat. Nachdem ſo viel geſchehen, um eine geiſt-<lb/>
lichere Tendenz hervorzurufen, zu befoͤrdern; nachdem ſo<lb/>
viele Beſchluͤſſe gefaßt worden, um dieſelbe zu allgemei-<lb/>
ner Herrſchaft zu erheben, gehoͤrte ein Papſt wie dieſer<lb/>
dazu, damit ſie allenthalben nicht allein verkuͤndigt, ſon-<lb/>
dern auch eingefuͤhrt wuͤrde: ſein Eifer, ſo wie ſein Bei-<lb/>ſpiel war dazu unendlich wirkſam.</p><lb/><p>Man ſah die ſo oft beſprochene Reformation des Ho-<lb/>
fes, wenn auch nicht in den Formen, welche man vorge-<lb/>ſchlagen, aber in der That eintreten. Die Ausgaben der<lb/>
paͤpſtlichen Haushaltung wurden ungemein beſchraͤnkt: Pius<lb/><hirendition="#aq">V.</hi> bedurfte wenig fuͤr ſich: und oft hat er geſagt, „wer<lb/>
regieren wolle, muͤſſe mit ſich ſelber anfangen.“ Seine<lb/>
Diener, welche ihm, wie er glaubte, ohne Hoffnung auf<lb/>
Belohnung, bloß aus Liebe, ſein ganzes Leben treu geblie-<lb/>
ben, verſorgte er wohl nicht ohne Freigebigkeit, doch ſeine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[358/0384]
Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
ſo hat er doch den Papſt einmal erinnern laſſen, er moͤge
nicht erproben, was ein aufs Aeußerſte gebrachter Fuͤrſt
zu thun vermoͤge.
Auf das tiefſte empfand das der Papſt ſeinerſeits
wieder. Oft fuͤhlte er ſich ungluͤcklich in ſeiner Wuͤrde.
Er ſagte: er ſey muͤde zu leben: da er ohne Ruͤckſicht
verfahre, habe er ſich Feinde gemacht: ſeit er Papſt ſey,
erlebe er lauter Unannehmlichkeiten und Verfolgungen.
Allein wie dem auch ſey, und obwohl es Pius V.
ſo wenig wie ein andrer Menſch zu voller Befriedigung
und Genugthuung brachte, ſo iſt doch gewiß, daß ſeine
Haltung und Sinnesweiſe einen unermeßlichen Einfluß auf
ſeine Zeitgenoſſen und die ganze Entwickelung ſeiner Kirche
ausgeuͤbt hat. Nachdem ſo viel geſchehen, um eine geiſt-
lichere Tendenz hervorzurufen, zu befoͤrdern; nachdem ſo
viele Beſchluͤſſe gefaßt worden, um dieſelbe zu allgemei-
ner Herrſchaft zu erheben, gehoͤrte ein Papſt wie dieſer
dazu, damit ſie allenthalben nicht allein verkuͤndigt, ſon-
dern auch eingefuͤhrt wuͤrde: ſein Eifer, ſo wie ſein Bei-
ſpiel war dazu unendlich wirkſam.
Man ſah die ſo oft beſprochene Reformation des Ho-
fes, wenn auch nicht in den Formen, welche man vorge-
ſchlagen, aber in der That eintreten. Die Ausgaben der
paͤpſtlichen Haushaltung wurden ungemein beſchraͤnkt: Pius
V. bedurfte wenig fuͤr ſich: und oft hat er geſagt, „wer
regieren wolle, muͤſſe mit ſich ſelber anfangen.“ Seine
Diener, welche ihm, wie er glaubte, ohne Hoffnung auf
Belohnung, bloß aus Liebe, ſein ganzes Leben treu geblie-
ben, verſorgte er wohl nicht ohne Freigebigkeit, doch ſeine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/384>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.