Eben so wenig ward Bologna unterjocht. Es hat allezeit mit den Formen auch viele wesentliche Attribute municipaler Unabhängigkeit behauptet. Frei verwaltete es seine Einkünfte: es hielt seine eigenen Truppen; der Legat des Papstes nahm eine Besoldung von der Stadt.
In dem venezianischen Kriege eroberte Julius II. die Städte der Romagna. Er hat keine einzige an sich ge- bracht, ohne beschränkende Bedingungen einzugehen, oder ohne bestimmte neue Vorrechte zu gewähren; auf die Ca- pitulationen, die sie damals schlossen, sind sie später immer zurückgekommen. Das staatsrechtliche Verhältniß, in das sie traten, bezeichneten sie mit dem Titel der kirchlichen Freiheit 1).
Fassen wir den Staat, der auf diese Weise zusammen- kam, im Ganzen, so hat er eine große Aehnlichkeit mit dem venezianischen. In dem einen wie in dem andern war die Staatsgewalt bisher in den Händen der Communen gewesen, die in der Regel andere kleinere Gemeinheiten unterworfen hatten und beherrschten. Im Venezianischen begaben sich diese regierenden Municipalitäten, ohne darum ihre Unabhängigkeit in allen Stücken einzubüßen, auf sehr genau bestimmte Bedingungen unter die Herrschaft der Nobili von Venedig. Im Kirchenstaat geriethen sie unter das Gemeinwesen der Curie. Denn ein Gemeinwesen, wie dort der Adel, bildete hier der Hof. Zwar war die Würde der Prälatur, während der ersten Hälfte dieses Jahrhun-
derts,
1) Rainaldus gedenkt dessen, aber sehr kurz. Ueber Ravenna Hieronymi Rubei Historiarum Ravennatum lib. VIII, p. 660.
BuchIV.Staat und Hof.
Eben ſo wenig ward Bologna unterjocht. Es hat allezeit mit den Formen auch viele weſentliche Attribute municipaler Unabhaͤngigkeit behauptet. Frei verwaltete es ſeine Einkuͤnfte: es hielt ſeine eigenen Truppen; der Legat des Papſtes nahm eine Beſoldung von der Stadt.
In dem venezianiſchen Kriege eroberte Julius II. die Staͤdte der Romagna. Er hat keine einzige an ſich ge- bracht, ohne beſchraͤnkende Bedingungen einzugehen, oder ohne beſtimmte neue Vorrechte zu gewaͤhren; auf die Ca- pitulationen, die ſie damals ſchloſſen, ſind ſie ſpaͤter immer zuruͤckgekommen. Das ſtaatsrechtliche Verhaͤltniß, in das ſie traten, bezeichneten ſie mit dem Titel der kirchlichen Freiheit 1).
Faſſen wir den Staat, der auf dieſe Weiſe zuſammen- kam, im Ganzen, ſo hat er eine große Aehnlichkeit mit dem venezianiſchen. In dem einen wie in dem andern war die Staatsgewalt bisher in den Haͤnden der Communen geweſen, die in der Regel andere kleinere Gemeinheiten unterworfen hatten und beherrſchten. Im Venezianiſchen begaben ſich dieſe regierenden Municipalitaͤten, ohne darum ihre Unabhaͤngigkeit in allen Stuͤcken einzubuͤßen, auf ſehr genau beſtimmte Bedingungen unter die Herrſchaft der Nobili von Venedig. Im Kirchenſtaat geriethen ſie unter das Gemeinweſen der Curie. Denn ein Gemeinweſen, wie dort der Adel, bildete hier der Hof. Zwar war die Wuͤrde der Praͤlatur, waͤhrend der erſten Haͤlfte dieſes Jahrhun-
derts,
1) Rainaldus gedenkt deſſen, aber ſehr kurz. Ueber Ravenna Hieronymi Rubei Historiarum Ravennatum lib. VIII, p. 660.
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Buch IV. Staat und Hof.
Eben ſo wenig ward Bologna unterjocht. Es hat
allezeit mit den Formen auch viele weſentliche Attribute
municipaler Unabhaͤngigkeit behauptet. Frei verwaltete es
ſeine Einkuͤnfte: es hielt ſeine eigenen Truppen; der Legat
des Papſtes nahm eine Beſoldung von der Stadt.
In dem venezianiſchen Kriege eroberte Julius II. die
Staͤdte der Romagna. Er hat keine einzige an ſich ge-
bracht, ohne beſchraͤnkende Bedingungen einzugehen, oder
ohne beſtimmte neue Vorrechte zu gewaͤhren; auf die Ca-
pitulationen, die ſie damals ſchloſſen, ſind ſie ſpaͤter immer
zuruͤckgekommen. Das ſtaatsrechtliche Verhaͤltniß, in das
ſie traten, bezeichneten ſie mit dem Titel der kirchlichen
Freiheit 1).
Faſſen wir den Staat, der auf dieſe Weiſe zuſammen-
kam, im Ganzen, ſo hat er eine große Aehnlichkeit mit
dem venezianiſchen. In dem einen wie in dem andern war
die Staatsgewalt bisher in den Haͤnden der Communen
geweſen, die in der Regel andere kleinere Gemeinheiten
unterworfen hatten und beherrſchten. Im Venezianiſchen
begaben ſich dieſe regierenden Municipalitaͤten, ohne darum
ihre Unabhaͤngigkeit in allen Stuͤcken einzubuͤßen, auf
ſehr genau beſtimmte Bedingungen unter die Herrſchaft der
Nobili von Venedig. Im Kirchenſtaat geriethen ſie unter
das Gemeinweſen der Curie. Denn ein Gemeinweſen, wie
dort der Adel, bildete hier der Hof. Zwar war die Wuͤrde
der Praͤlatur, waͤhrend der erſten Haͤlfte dieſes Jahrhun-
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1) Rainaldus gedenkt deſſen, aber ſehr kurz. Ueber Ravenna
Hieronymi Rubei Historiarum Ravennatum lib. VIII, p. 660.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/410>, abgerufen am 24.11.2024.
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