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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Sixtus V.

In welchem Zustande die Familie war, sieht man
wohl, wenn z. B. das Kind in einen Teich fällt, und
die Tante, die an dem Teiche wäscht, es herauszieht; der
Knabe muß das Obst bewachen, ja die Schweine hüten;
die Buchstaben lernt er aus den Fibeln kennen, welche an-
dere Kinder, die über Feld nach der Schule gegangen und
von da zurückkommen, bei ihm liegen lassen: der Vater
hat nicht die fünf Bajocchi übrig, die der nächste Schul-
meister monatlich fordert. Glücklicherweise hat die Familie
ein Mitglied in dem geistlichen Stande, einen Franzisca-
ner Fra Salvatore, der sich endlich erweichen läßt, das
Schulgeld zu zahlen. Dann ging auch der junge Felix
mit den übrigen zum Unterricht: er bekam ein Stück Brot
mit; zu Mittag setzte er sich an den Brunnen, der ihm
das Wasser dazu gab. Trotz so kümmerlicher Umstände
waren doch die Hoffnungen des Vaters auch bald auf den
Sohn übergegangen: als dieser sehr früh, im zwölften Jahr,
denn noch verbot kein tridentinisches Concilium so frühe
Gelübde, in den Franciscanerorden trat, behielt er den Na-
men Felix bei. Fra Salvatore hielt ihn streng; er brauchte
die Autorität eines Oheims, der zugleich Vatersstelle ver-
tritt; doch schickte er ihn auch auf Schulen. Oft studirte

Sixtus. Anus senio confecta Romam deferri voluit, cupida ve-
nerari eum in summo rerum humanarum fastigio positum, quem
olitoris sui filium paupere victu domi suae natum aluerat.
Ue-
brigens "pavisse puerum pecus et Picentes memorant et ipse
adeo non diffitetur, ut etiam prae se ferat."
Auf der Ambro-
siana R.
124 findet sich F. Radice dell' origine di Sisto V., eine
Information, datirt Rom 4. Mai 1585, die indeß nur wenig sa-
gen will.
Sixtus V.

In welchem Zuſtande die Familie war, ſieht man
wohl, wenn z. B. das Kind in einen Teich faͤllt, und
die Tante, die an dem Teiche waͤſcht, es herauszieht; der
Knabe muß das Obſt bewachen, ja die Schweine huͤten;
die Buchſtaben lernt er aus den Fibeln kennen, welche an-
dere Kinder, die uͤber Feld nach der Schule gegangen und
von da zuruͤckkommen, bei ihm liegen laſſen: der Vater
hat nicht die fuͤnf Bajocchi uͤbrig, die der naͤchſte Schul-
meiſter monatlich fordert. Gluͤcklicherweiſe hat die Familie
ein Mitglied in dem geiſtlichen Stande, einen Franzisca-
ner Fra Salvatore, der ſich endlich erweichen laͤßt, das
Schulgeld zu zahlen. Dann ging auch der junge Felix
mit den uͤbrigen zum Unterricht: er bekam ein Stuͤck Brot
mit; zu Mittag ſetzte er ſich an den Brunnen, der ihm
das Waſſer dazu gab. Trotz ſo kuͤmmerlicher Umſtaͤnde
waren doch die Hoffnungen des Vaters auch bald auf den
Sohn uͤbergegangen: als dieſer ſehr fruͤh, im zwoͤlften Jahr,
denn noch verbot kein tridentiniſches Concilium ſo fruͤhe
Geluͤbde, in den Franciscanerorden trat, behielt er den Na-
men Felix bei. Fra Salvatore hielt ihn ſtreng; er brauchte
die Autoritaͤt eines Oheims, der zugleich Vatersſtelle ver-
tritt; doch ſchickte er ihn auch auf Schulen. Oft ſtudirte

Sixtus. Anus senio confecta Romam deferri voluit, cupida ve-
nerari eum in summo rerum humanarum fastigio positum, quem
olitoris sui filium paupere victu domi suae natum aluerat.
Ue-
brigens „pavisse puerum pecus et Picentes memorant et ipse
adeo non diffitetur, ut etiam prae se ferat.“
Auf der Ambro-
siana R.
124 findet ſich F. Radice dell’ origine di Sisto V., eine
Information, datirt Rom 4. Mai 1585, die indeß nur wenig ſa-
gen will.
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[439/0465] Sixtus V. In welchem Zuſtande die Familie war, ſieht man wohl, wenn z. B. das Kind in einen Teich faͤllt, und die Tante, die an dem Teiche waͤſcht, es herauszieht; der Knabe muß das Obſt bewachen, ja die Schweine huͤten; die Buchſtaben lernt er aus den Fibeln kennen, welche an- dere Kinder, die uͤber Feld nach der Schule gegangen und von da zuruͤckkommen, bei ihm liegen laſſen: der Vater hat nicht die fuͤnf Bajocchi uͤbrig, die der naͤchſte Schul- meiſter monatlich fordert. Gluͤcklicherweiſe hat die Familie ein Mitglied in dem geiſtlichen Stande, einen Franzisca- ner Fra Salvatore, der ſich endlich erweichen laͤßt, das Schulgeld zu zahlen. Dann ging auch der junge Felix mit den uͤbrigen zum Unterricht: er bekam ein Stuͤck Brot mit; zu Mittag ſetzte er ſich an den Brunnen, der ihm das Waſſer dazu gab. Trotz ſo kuͤmmerlicher Umſtaͤnde waren doch die Hoffnungen des Vaters auch bald auf den Sohn uͤbergegangen: als dieſer ſehr fruͤh, im zwoͤlften Jahr, denn noch verbot kein tridentiniſches Concilium ſo fruͤhe Geluͤbde, in den Franciscanerorden trat, behielt er den Na- men Felix bei. Fra Salvatore hielt ihn ſtreng; er brauchte die Autoritaͤt eines Oheims, der zugleich Vatersſtelle ver- tritt; doch ſchickte er ihn auch auf Schulen. Oft ſtudirte 1) 1) Sixtus. Anus senio confecta Romam deferri voluit, cupida ve- nerari eum in summo rerum humanarum fastigio positum, quem olitoris sui filium paupere victu domi suae natum aluerat. Ue- brigens „pavisse puerum pecus et Picentes memorant et ipse adeo non diffitetur, ut etiam prae se ferat.“ Auf der Ambro- siana R. 124 findet ſich F. Radice dell’ origine di Sisto V., eine Information, datirt Rom 4. Mai 1585, die indeß nur wenig ſa- gen will.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/465>, abgerufen am 22.11.2024.