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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Selbstständige Ausbildung der Hierarchie.
höhere deutsche Adel den größten Einfluß ausübte. Mit
einem Wort: der Papst hatte die aristokratischen Interessen
auf seiner Seite.

Aber auch selbst mit diesen Verbündeten, wie lange
und blutige Kämpfe hat es den Päpsten doch gekostet, ihr
Unternehmen durchzusetzen! Von Dänemark bis Apulien,
sagt der Lobgesang auf den heil. Anno, von Carlingen bis
nach Ungarn hat das Reich die Waffen gegen seine Ein-
geweide gekehrt. Wie oft mußten die Päpste von ihrer
Hauptstadt weichen und Gegenpäpste auf den apostolischen
Stuhl steigen sehen!

Endlich aber war es ihnen doch gelungen. Den rö-
mischen, den fränkisch-carolingischen, so vielen deutschen
Kaisern hatten die Päpste gehorchen müssen: jetzt zum er-
sten Mal standen sie der weltlichen Gewalt mit gleicher
oder überwiegender Autorität gegenüber. In der That hat-
ten sie alsdann die großartigste Stellung. Die Geist-
lichkeit war völlig in ihren Händen. Es ist der Bemer-
kung werth, daß die entschlossensten Päpste dieses Zeit-
raums, wie Gregor VII. selbst, Benedictiner waren. In-
dem sie das Cölibat einführten, verwandelten sie die ganze
Weltgeistlichkeit in eine Art von Mönchsorden. Das all-
gemeine Bisthum, das sie in Anspruch nahmen, hat eine
gewisse Aehnlichkeit mit der Gewalt eines Cluniacenser Abtes,
welcher der einzige Abt in seinem Orden war; so wollten
diese Päpste die einzigen Bischöfe der gesammten Kirche seyn.
Sie trugen kein Bedenken, in die Verwaltung aller Diö-
cesen einzugreifen 1); haben sie doch ihre Legaten selbst mit

1) Einer der Hauptpuncte, über den ich doch eine Stelle aus

Selbſtſtaͤndige Ausbildung der Hierarchie.
hoͤhere deutſche Adel den groͤßten Einfluß ausuͤbte. Mit
einem Wort: der Papſt hatte die ariſtokratiſchen Intereſſen
auf ſeiner Seite.

Aber auch ſelbſt mit dieſen Verbuͤndeten, wie lange
und blutige Kaͤmpfe hat es den Paͤpſten doch gekoſtet, ihr
Unternehmen durchzuſetzen! Von Daͤnemark bis Apulien,
ſagt der Lobgeſang auf den heil. Anno, von Carlingen bis
nach Ungarn hat das Reich die Waffen gegen ſeine Ein-
geweide gekehrt. Wie oft mußten die Paͤpſte von ihrer
Hauptſtadt weichen und Gegenpaͤpſte auf den apoſtoliſchen
Stuhl ſteigen ſehen!

Endlich aber war es ihnen doch gelungen. Den roͤ-
miſchen, den fraͤnkiſch-carolingiſchen, ſo vielen deutſchen
Kaiſern hatten die Paͤpſte gehorchen muͤſſen: jetzt zum er-
ſten Mal ſtanden ſie der weltlichen Gewalt mit gleicher
oder uͤberwiegender Autoritaͤt gegenuͤber. In der That hat-
ten ſie alsdann die großartigſte Stellung. Die Geiſt-
lichkeit war voͤllig in ihren Haͤnden. Es iſt der Bemer-
kung werth, daß die entſchloſſenſten Paͤpſte dieſes Zeit-
raums, wie Gregor VII. ſelbſt, Benedictiner waren. In-
dem ſie das Coͤlibat einfuͤhrten, verwandelten ſie die ganze
Weltgeiſtlichkeit in eine Art von Moͤnchsorden. Das all-
gemeine Bisthum, das ſie in Anſpruch nahmen, hat eine
gewiſſe Aehnlichkeit mit der Gewalt eines Cluniacenſer Abtes,
welcher der einzige Abt in ſeinem Orden war; ſo wollten
dieſe Paͤpſte die einzigen Biſchoͤfe der geſammten Kirche ſeyn.
Sie trugen kein Bedenken, in die Verwaltung aller Dioͤ-
ceſen einzugreifen 1); haben ſie doch ihre Legaten ſelbſt mit

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[29/0055] Selbſtſtaͤndige Ausbildung der Hierarchie. hoͤhere deutſche Adel den groͤßten Einfluß ausuͤbte. Mit einem Wort: der Papſt hatte die ariſtokratiſchen Intereſſen auf ſeiner Seite. Aber auch ſelbſt mit dieſen Verbuͤndeten, wie lange und blutige Kaͤmpfe hat es den Paͤpſten doch gekoſtet, ihr Unternehmen durchzuſetzen! Von Daͤnemark bis Apulien, ſagt der Lobgeſang auf den heil. Anno, von Carlingen bis nach Ungarn hat das Reich die Waffen gegen ſeine Ein- geweide gekehrt. Wie oft mußten die Paͤpſte von ihrer Hauptſtadt weichen und Gegenpaͤpſte auf den apoſtoliſchen Stuhl ſteigen ſehen! Endlich aber war es ihnen doch gelungen. Den roͤ- miſchen, den fraͤnkiſch-carolingiſchen, ſo vielen deutſchen Kaiſern hatten die Paͤpſte gehorchen muͤſſen: jetzt zum er- ſten Mal ſtanden ſie der weltlichen Gewalt mit gleicher oder uͤberwiegender Autoritaͤt gegenuͤber. In der That hat- ten ſie alsdann die großartigſte Stellung. Die Geiſt- lichkeit war voͤllig in ihren Haͤnden. Es iſt der Bemer- kung werth, daß die entſchloſſenſten Paͤpſte dieſes Zeit- raums, wie Gregor VII. ſelbſt, Benedictiner waren. In- dem ſie das Coͤlibat einfuͤhrten, verwandelten ſie die ganze Weltgeiſtlichkeit in eine Art von Moͤnchsorden. Das all- gemeine Bisthum, das ſie in Anſpruch nahmen, hat eine gewiſſe Aehnlichkeit mit der Gewalt eines Cluniacenſer Abtes, welcher der einzige Abt in ſeinem Orden war; ſo wollten dieſe Paͤpſte die einzigen Biſchoͤfe der geſammten Kirche ſeyn. Sie trugen kein Bedenken, in die Verwaltung aller Dioͤ- ceſen einzugreifen 1); haben ſie doch ihre Legaten ſelbſt mit 1) Einer der Hauptpuncte, uͤber den ich doch eine Stelle aus

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/55>, abgerufen am 04.12.2024.