Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Kap. II. Die Kirche im Anf. d. 16ten Jahrh. übrigen italienischen Mächte um das Uebergewicht in diesenLandschaften oder ihren Besitz, und wenn hier von Recht die Rede war, so hatte der Papst offenbar ein besseres Recht als die übrigen. Nur war er ihnen an Staatskräften und Kriegsmitteln bei weitem nicht gewachsen. Er trug kein Bedenken, seine geistliche Gewalt, ihrer Natur und Be- stimmung nach erhaben über alles Irdische, seinen weltlichen Absichten dienstbar zu machen, und in die Verwickelungen des Augenblicks, in welche ihn diese verflochten, herabzu- ziehen. Da ihm vorzüglich die Medici im Wege waren, ließ er sich in die florentinischen Irrungen ein, und lud, wie man weiß, den Verdacht auf sich, als habe er um die Verschwörung der Pazzi gewußt, um den Mordanfall, den Diese vor dem Altare einer Cathedrale ausführten, als habe er um so etwas mitgewußt, er der Vater der Gläu- bigen. -- -- Als die Venezianer aufhörten, die Unterneh- mungen des Neffen zu begünstigen, wie sie eine Zeitlang gethan hatten, war es dem Papste nicht genug, sie in ei- nem Kriege zu verlassen, zu dem er sie selber angetrieben hatte; er ging so weit, sie zu excommuniciren, als sie den- selben fortsetzten 1). -- -- Nicht minder gewaltsam ver- fuhr er in Rom. Die Gegner des Riario, die Colonna, verfolgte er mit wildem Ingrimme; er entriß ihnen Ma- rino; den Protonotar Colonna ließ er überdieß in seinem ei- genen Hause bestürmen, gefangennehmen und hinrichten. 1) Ueber den ferrarischen Krieg sind 1829 die Commentarii di
Marino Sanuto zu Venedig gedruckt worden; p. 56. berührt er den Abfall des Papstes. Er verweist auf die Reden des venezianischen Gesandten, "Tutti vedranno, aver noi cominciato questa guerra di volonta del Papa: egli pero si mosse a rompere la lega." Kap. II. Die Kirche im Anf. d. 16ten Jahrh. uͤbrigen italieniſchen Maͤchte um das Uebergewicht in dieſenLandſchaften oder ihren Beſitz, und wenn hier von Recht die Rede war, ſo hatte der Papſt offenbar ein beſſeres Recht als die uͤbrigen. Nur war er ihnen an Staatskraͤften und Kriegsmitteln bei weitem nicht gewachſen. Er trug kein Bedenken, ſeine geiſtliche Gewalt, ihrer Natur und Be- ſtimmung nach erhaben uͤber alles Irdiſche, ſeinen weltlichen Abſichten dienſtbar zu machen, und in die Verwickelungen des Augenblicks, in welche ihn dieſe verflochten, herabzu- ziehen. Da ihm vorzuͤglich die Medici im Wege waren, ließ er ſich in die florentiniſchen Irrungen ein, und lud, wie man weiß, den Verdacht auf ſich, als habe er um die Verſchwoͤrung der Pazzi gewußt, um den Mordanfall, den Dieſe vor dem Altare einer Cathedrale ausfuͤhrten, als habe er um ſo etwas mitgewußt, er der Vater der Glaͤu- bigen. — — Als die Venezianer aufhoͤrten, die Unterneh- mungen des Neffen zu beguͤnſtigen, wie ſie eine Zeitlang gethan hatten, war es dem Papſte nicht genug, ſie in ei- nem Kriege zu verlaſſen, zu dem er ſie ſelber angetrieben hatte; er ging ſo weit, ſie zu excommuniciren, als ſie den- ſelben fortſetzten 1). — — Nicht minder gewaltſam ver- fuhr er in Rom. Die Gegner des Riario, die Colonna, verfolgte er mit wildem Ingrimme; er entriß ihnen Ma- rino; den Protonotar Colonna ließ er uͤberdieß in ſeinem ei- genen Hauſe beſtuͤrmen, gefangennehmen und hinrichten. 1) Ueber den ferrariſchen Krieg ſind 1829 die Commentarii di
Marino Sanuto zu Venedig gedruckt worden; p. 56. beruͤhrt er den Abfall des Papſtes. Er verweiſt auf die Reden des venezianiſchen Geſandten, „Tutti vedranno, aver noi cominciato questa guerra di volontà del Papa: egli però si mosse a rompere la lega.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0072" n="46"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kap</hi>. <hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Die Kirche im Anf. d. 16ten Jahrh</hi>.</fw><lb/> uͤbrigen italieniſchen Maͤchte um das Uebergewicht in dieſen<lb/> Landſchaften oder ihren Beſitz, und wenn hier von Recht die<lb/> Rede war, ſo hatte der Papſt offenbar ein beſſeres Recht<lb/> als die uͤbrigen. Nur war er ihnen an Staatskraͤften und<lb/> Kriegsmitteln bei weitem nicht gewachſen. Er trug kein<lb/> Bedenken, ſeine geiſtliche Gewalt, ihrer Natur und Be-<lb/> ſtimmung nach erhaben uͤber alles Irdiſche, ſeinen weltlichen<lb/> Abſichten dienſtbar zu machen, und in die Verwickelungen<lb/> des Augenblicks, in welche ihn dieſe verflochten, herabzu-<lb/> ziehen. Da ihm vorzuͤglich die Medici im Wege waren,<lb/> ließ er ſich in die florentiniſchen Irrungen ein, und lud,<lb/> wie man weiß, den Verdacht auf ſich, als habe er um<lb/> die Verſchwoͤrung der Pazzi gewußt, um den Mordanfall,<lb/> den Dieſe vor dem Altare einer Cathedrale ausfuͤhrten, als<lb/> habe er um ſo etwas mitgewußt, er der Vater der Glaͤu-<lb/> bigen. — — Als die Venezianer aufhoͤrten, die Unterneh-<lb/> mungen des Neffen zu beguͤnſtigen, wie ſie eine Zeitlang<lb/> gethan hatten, war es dem Papſte nicht genug, ſie in ei-<lb/> nem Kriege zu verlaſſen, zu dem er ſie ſelber angetrieben<lb/> hatte; er ging ſo weit, ſie zu excommuniciren, als ſie den-<lb/> ſelben fortſetzten <note place="foot" n="1)">Ueber den ferrariſchen Krieg ſind 1829 die <hi rendition="#aq">Commentarii di<lb/> Marino Sanuto</hi> zu Venedig gedruckt worden; <hi rendition="#aq">p.</hi> 56. beruͤhrt er den<lb/> Abfall des Papſtes. Er verweiſt auf die Reden des venezianiſchen<lb/> Geſandten, <hi rendition="#aq">„Tutti vedranno, aver noi cominciato questa guerra<lb/> di volontà del Papa: egli però si mosse a rompere la lega.“</hi></note>. — — Nicht minder gewaltſam ver-<lb/> fuhr er in Rom. Die Gegner des Riario, die Colonna,<lb/> verfolgte er mit wildem Ingrimme; er entriß ihnen Ma-<lb/> rino; den Protonotar Colonna ließ er uͤberdieß in ſeinem ei-<lb/> genen Hauſe beſtuͤrmen, gefangennehmen und hinrichten.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0072]
Kap. II. Die Kirche im Anf. d. 16ten Jahrh.
uͤbrigen italieniſchen Maͤchte um das Uebergewicht in dieſen
Landſchaften oder ihren Beſitz, und wenn hier von Recht die
Rede war, ſo hatte der Papſt offenbar ein beſſeres Recht
als die uͤbrigen. Nur war er ihnen an Staatskraͤften und
Kriegsmitteln bei weitem nicht gewachſen. Er trug kein
Bedenken, ſeine geiſtliche Gewalt, ihrer Natur und Be-
ſtimmung nach erhaben uͤber alles Irdiſche, ſeinen weltlichen
Abſichten dienſtbar zu machen, und in die Verwickelungen
des Augenblicks, in welche ihn dieſe verflochten, herabzu-
ziehen. Da ihm vorzuͤglich die Medici im Wege waren,
ließ er ſich in die florentiniſchen Irrungen ein, und lud,
wie man weiß, den Verdacht auf ſich, als habe er um
die Verſchwoͤrung der Pazzi gewußt, um den Mordanfall,
den Dieſe vor dem Altare einer Cathedrale ausfuͤhrten, als
habe er um ſo etwas mitgewußt, er der Vater der Glaͤu-
bigen. — — Als die Venezianer aufhoͤrten, die Unterneh-
mungen des Neffen zu beguͤnſtigen, wie ſie eine Zeitlang
gethan hatten, war es dem Papſte nicht genug, ſie in ei-
nem Kriege zu verlaſſen, zu dem er ſie ſelber angetrieben
hatte; er ging ſo weit, ſie zu excommuniciren, als ſie den-
ſelben fortſetzten 1). — — Nicht minder gewaltſam ver-
fuhr er in Rom. Die Gegner des Riario, die Colonna,
verfolgte er mit wildem Ingrimme; er entriß ihnen Ma-
rino; den Protonotar Colonna ließ er uͤberdieß in ſeinem ei-
genen Hauſe beſtuͤrmen, gefangennehmen und hinrichten.
1) Ueber den ferrariſchen Krieg ſind 1829 die Commentarii di
Marino Sanuto zu Venedig gedruckt worden; p. 56. beruͤhrt er den
Abfall des Papſtes. Er verweiſt auf die Reden des venezianiſchen
Geſandten, „Tutti vedranno, aver noi cominciato questa guerra
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