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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Erweiterung des Kirchenstaates.
der Kirche, des päpstlichen Stuhles selber. Andere Päpste
hatten ihren Nepoten, ihren Söhnen Fürstenthümer zu ver-
schaffen gesucht: er ließ es seinen ganzen Ehrgeiz seyn, den
Staat der Kirche zu erweitern. Er muß als der Gründer
desselben betrachtet werden.

Er traf das gesammte Gebiet in der äußersten Ver-
wirrung an. Es waren Alle zurückgekommen, die vor Ce-
sar noch hatten entfliehen können; Orsini und Colonnen,
Vitelli und Baglioni, Varani, Malatesta und Montefeltri;
in allen Theilen des Landes waren die Parteien erwacht;
bis in den Borgo von Rom befehdeten sie sich. Man hat
Julius mit dem virgilischen Neptun verglichen, der mit
beruhigendem Antlitz aus den Wogen emporsteigt und ihr
Toben besänftigt 1). Er war gewandt genug, um sich
selbst Cesar Borgia's zu entledigen, und die Schlösser des-
selben an sich zu bringen; er nahm sein Herzogthum ein.
Die minder mächtigen Barone wußte er im Zaum zu
halten, wie ihm dieser denn den Weg dazu gebahnt; er
hütete sich wohl, ihnen etwa in Cardinälen Oberhäupter
zu geben, deren Ehrgeiz die alte Widerspenstigkeit hätte
entflammen können 2); die mächtigeren, die ihm den Ge-
horsam versagten, griff er ohne weiteres an. Auch reichte
seine Ankunft hin, um den Baglione, der sich Perugia's
wieder bemächtigt hatte, in die Schranken einer gesetzli-

1) Tomaso Inghirami bei Fea Notizie intorno Rafaele San-
zio da Urbino p.
57.
2) Machiavelli (Principe c. XI,) bemerkt dieß nicht allein.
Auch bei Jovius Vita Pompeji Columnae p. 140 klagen die römi-
schen Barone unter Julius II.: principes urbis familias solito pur-
purei galeri honore pertinaci pontificum livore privari.

Erweiterung des Kirchenſtaates.
der Kirche, des paͤpſtlichen Stuhles ſelber. Andere Paͤpſte
hatten ihren Nepoten, ihren Soͤhnen Fuͤrſtenthuͤmer zu ver-
ſchaffen geſucht: er ließ es ſeinen ganzen Ehrgeiz ſeyn, den
Staat der Kirche zu erweitern. Er muß als der Gruͤnder
deſſelben betrachtet werden.

Er traf das geſammte Gebiet in der aͤußerſten Ver-
wirrung an. Es waren Alle zuruͤckgekommen, die vor Ce-
ſar noch hatten entfliehen koͤnnen; Orſini und Colonnen,
Vitelli und Baglioni, Varani, Malateſta und Montefeltri;
in allen Theilen des Landes waren die Parteien erwacht;
bis in den Borgo von Rom befehdeten ſie ſich. Man hat
Julius mit dem virgiliſchen Neptun verglichen, der mit
beruhigendem Antlitz aus den Wogen emporſteigt und ihr
Toben beſaͤnftigt 1). Er war gewandt genug, um ſich
ſelbſt Ceſar Borgia’s zu entledigen, und die Schloͤſſer deſ-
ſelben an ſich zu bringen; er nahm ſein Herzogthum ein.
Die minder maͤchtigen Barone wußte er im Zaum zu
halten, wie ihm dieſer denn den Weg dazu gebahnt; er
huͤtete ſich wohl, ihnen etwa in Cardinaͤlen Oberhaͤupter
zu geben, deren Ehrgeiz die alte Widerſpenſtigkeit haͤtte
entflammen koͤnnen 2); die maͤchtigeren, die ihm den Ge-
horſam verſagten, griff er ohne weiteres an. Auch reichte
ſeine Ankunft hin, um den Baglione, der ſich Perugia’s
wieder bemaͤchtigt hatte, in die Schranken einer geſetzli-

1) Tomaso Inghirami bei Fea Notizie intorno Rafaele San-
zio da Urbino p.
57.
2) Machiavelli (Principe c. XI,) bemerkt dieß nicht allein.
Auch bei Jovius Vita Pompeji Columnae p. 140 klagen die roͤmi-
ſchen Barone unter Julius II.: principes urbis familias solito pur-
purei galeri honore pertinaci pontificum livore privari.
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[53/0079] Erweiterung des Kirchenſtaates. der Kirche, des paͤpſtlichen Stuhles ſelber. Andere Paͤpſte hatten ihren Nepoten, ihren Soͤhnen Fuͤrſtenthuͤmer zu ver- ſchaffen geſucht: er ließ es ſeinen ganzen Ehrgeiz ſeyn, den Staat der Kirche zu erweitern. Er muß als der Gruͤnder deſſelben betrachtet werden. Er traf das geſammte Gebiet in der aͤußerſten Ver- wirrung an. Es waren Alle zuruͤckgekommen, die vor Ce- ſar noch hatten entfliehen koͤnnen; Orſini und Colonnen, Vitelli und Baglioni, Varani, Malateſta und Montefeltri; in allen Theilen des Landes waren die Parteien erwacht; bis in den Borgo von Rom befehdeten ſie ſich. Man hat Julius mit dem virgiliſchen Neptun verglichen, der mit beruhigendem Antlitz aus den Wogen emporſteigt und ihr Toben beſaͤnftigt 1). Er war gewandt genug, um ſich ſelbſt Ceſar Borgia’s zu entledigen, und die Schloͤſſer deſ- ſelben an ſich zu bringen; er nahm ſein Herzogthum ein. Die minder maͤchtigen Barone wußte er im Zaum zu halten, wie ihm dieſer denn den Weg dazu gebahnt; er huͤtete ſich wohl, ihnen etwa in Cardinaͤlen Oberhaͤupter zu geben, deren Ehrgeiz die alte Widerſpenſtigkeit haͤtte entflammen koͤnnen 2); die maͤchtigeren, die ihm den Ge- horſam verſagten, griff er ohne weiteres an. Auch reichte ſeine Ankunft hin, um den Baglione, der ſich Perugia’s wieder bemaͤchtigt hatte, in die Schranken einer geſetzli- 1) Tomaso Inghirami bei Fea Notizie intorno Rafaele San- zio da Urbino p. 57. 2) Machiavelli (Principe c. XI,) bemerkt dieß nicht allein. Auch bei Jovius Vita Pompeji Columnae p. 140 klagen die roͤmi- ſchen Barone unter Julius II.: principes urbis familias solito pur- purei galeri honore pertinaci pontificum livore privari.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/79>, abgerufen am 04.12.2024.