so geistreiche Männer, wie Bibbiena und Machiavell, ha- ben ihren komischen Arbeiten die volle Anerkennung der späteren Zeiten nicht sichern können. In andern Gattun- gen finden wir einen gewissen Widerstreit des antiken und des modernen Elementes. Wie sonderbar nimmt sich in der Arcadia des Sannazar die weitschweifige, lateinartige Periodologie der Prosa neben der Einfalt, Innigkeit und Musik der Verse aus.
Wenn es nun hier, so weit man es auch brachte, nicht völlig gelang, so kann man sich nicht verwundern. Immer ward ein großes Beispiel gegeben, ein Versuch ge- macht, der unendlich fruchtbar geworden ist, allein in den classischen Formen bewegte sich das moderne Element nicht mit völliger Freiheit. Der Geist wurde von einer außer ihm vorhandenen, nicht zum Canon seiner Natur geworde- nen Regel beherrscht.
Wie könnte man auch überhaupt mit Nachahmung ausreichen? Es giebt eine Wirkung der Muster, der gro- ßen Werke, aber sie ist eine Wirkung des Geistes auf den Geist. Heut zu Tage kommen wir alle überein, daß die schöne Form erziehen, bilden, erwecken soll: unterjochen darf sie nicht.
Die merkwürdigste Hervorbringung mußte es geben, wenn ein der Bestrebungen der damaligen Zeit theilhafter Genius sich in einem Werke versuchte, wo Stoff und Form vom Alterthum abwich, und nur die innerliche Wirkung desselben hervortreten konnte.
Das romantische Epos ist deshalb so eigenthümlich, weil dieß mit ihm der Fall war. Man hatte eine christ-
5
Geiſtige Richtung.
ſo geiſtreiche Maͤnner, wie Bibbiena und Machiavell, ha- ben ihren komiſchen Arbeiten die volle Anerkennung der ſpaͤteren Zeiten nicht ſichern koͤnnen. In andern Gattun- gen finden wir einen gewiſſen Widerſtreit des antiken und des modernen Elementes. Wie ſonderbar nimmt ſich in der Arcadia des Sannazar die weitſchweifige, lateinartige Periodologie der Proſa neben der Einfalt, Innigkeit und Muſik der Verſe aus.
Wenn es nun hier, ſo weit man es auch brachte, nicht voͤllig gelang, ſo kann man ſich nicht verwundern. Immer ward ein großes Beiſpiel gegeben, ein Verſuch ge- macht, der unendlich fruchtbar geworden iſt, allein in den claſſiſchen Formen bewegte ſich das moderne Element nicht mit voͤlliger Freiheit. Der Geiſt wurde von einer außer ihm vorhandenen, nicht zum Canon ſeiner Natur geworde- nen Regel beherrſcht.
Wie koͤnnte man auch uͤberhaupt mit Nachahmung ausreichen? Es giebt eine Wirkung der Muſter, der gro- ßen Werke, aber ſie iſt eine Wirkung des Geiſtes auf den Geiſt. Heut zu Tage kommen wir alle uͤberein, daß die ſchoͤne Form erziehen, bilden, erwecken ſoll: unterjochen darf ſie nicht.
Die merkwuͤrdigſte Hervorbringung mußte es geben, wenn ein der Beſtrebungen der damaligen Zeit theilhafter Genius ſich in einem Werke verſuchte, wo Stoff und Form vom Alterthum abwich, und nur die innerliche Wirkung deſſelben hervortreten konnte.
Das romantiſche Epos iſt deshalb ſo eigenthuͤmlich, weil dieß mit ihm der Fall war. Man hatte eine chriſt-
5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0091"n="65"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Geiſtige Richtung</hi>.</fw><lb/>ſo geiſtreiche Maͤnner, wie Bibbiena und Machiavell, ha-<lb/>
ben ihren komiſchen Arbeiten die volle Anerkennung der<lb/>ſpaͤteren Zeiten nicht ſichern koͤnnen. In andern Gattun-<lb/>
gen finden wir einen gewiſſen Widerſtreit des antiken und<lb/>
des modernen Elementes. Wie ſonderbar nimmt ſich in<lb/>
der Arcadia des Sannazar die weitſchweifige, lateinartige<lb/>
Periodologie der Proſa neben der Einfalt, Innigkeit und<lb/>
Muſik der Verſe aus.</p><lb/><p>Wenn es nun hier, ſo weit man es auch brachte,<lb/>
nicht voͤllig gelang, ſo kann man ſich nicht verwundern.<lb/>
Immer ward ein großes Beiſpiel gegeben, ein Verſuch ge-<lb/>
macht, der unendlich fruchtbar geworden iſt, allein in den<lb/>
claſſiſchen Formen bewegte ſich das moderne Element nicht<lb/>
mit voͤlliger Freiheit. Der Geiſt wurde von einer außer<lb/>
ihm vorhandenen, nicht zum Canon ſeiner Natur geworde-<lb/>
nen Regel beherrſcht.</p><lb/><p>Wie koͤnnte man auch uͤberhaupt mit Nachahmung<lb/>
ausreichen? Es giebt eine Wirkung der Muſter, der gro-<lb/>
ßen Werke, aber ſie iſt eine Wirkung des Geiſtes auf den<lb/>
Geiſt. Heut zu Tage kommen wir alle uͤberein, daß die<lb/>ſchoͤne Form erziehen, bilden, erwecken ſoll: unterjochen<lb/>
darf ſie nicht.</p><lb/><p>Die merkwuͤrdigſte Hervorbringung mußte es geben,<lb/>
wenn ein der Beſtrebungen der damaligen Zeit theilhafter<lb/>
Genius ſich in einem Werke verſuchte, wo Stoff und Form<lb/>
vom Alterthum abwich, und nur die innerliche Wirkung<lb/>
deſſelben hervortreten konnte.</p><lb/><p>Das romantiſche Epos iſt deshalb ſo eigenthuͤmlich,<lb/>
weil dieß mit ihm der Fall war. Man hatte eine chriſt-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">5</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[65/0091]
Geiſtige Richtung.
ſo geiſtreiche Maͤnner, wie Bibbiena und Machiavell, ha-
ben ihren komiſchen Arbeiten die volle Anerkennung der
ſpaͤteren Zeiten nicht ſichern koͤnnen. In andern Gattun-
gen finden wir einen gewiſſen Widerſtreit des antiken und
des modernen Elementes. Wie ſonderbar nimmt ſich in
der Arcadia des Sannazar die weitſchweifige, lateinartige
Periodologie der Proſa neben der Einfalt, Innigkeit und
Muſik der Verſe aus.
Wenn es nun hier, ſo weit man es auch brachte,
nicht voͤllig gelang, ſo kann man ſich nicht verwundern.
Immer ward ein großes Beiſpiel gegeben, ein Verſuch ge-
macht, der unendlich fruchtbar geworden iſt, allein in den
claſſiſchen Formen bewegte ſich das moderne Element nicht
mit voͤlliger Freiheit. Der Geiſt wurde von einer außer
ihm vorhandenen, nicht zum Canon ſeiner Natur geworde-
nen Regel beherrſcht.
Wie koͤnnte man auch uͤberhaupt mit Nachahmung
ausreichen? Es giebt eine Wirkung der Muſter, der gro-
ßen Werke, aber ſie iſt eine Wirkung des Geiſtes auf den
Geiſt. Heut zu Tage kommen wir alle uͤberein, daß die
ſchoͤne Form erziehen, bilden, erwecken ſoll: unterjochen
darf ſie nicht.
Die merkwuͤrdigſte Hervorbringung mußte es geben,
wenn ein der Beſtrebungen der damaligen Zeit theilhafter
Genius ſich in einem Werke verſuchte, wo Stoff und Form
vom Alterthum abwich, und nur die innerliche Wirkung
deſſelben hervortreten konnte.
Das romantiſche Epos iſt deshalb ſo eigenthuͤmlich,
weil dieß mit ihm der Fall war. Man hatte eine chriſt-
5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/91>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.