Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Kap. II. Die Kirche im Anf. des 16. Jahrh. man sich zusammennahm und sie überlegte, mußten sie her-vortreten. Von eigentlich christlicher Gesinnung und Ueberzeu- Die Schulen der Philosophen waren in Streit, ob Man darf nicht glauben, diese Gesinnung sey nur We- 1) Pomponazzo hatte hierüber sehr ernstliche Anfechtungen, wie
unter andern aus einem Auszug päpstlicher Briefe von Contelori hervorgeht. Petrus de Mantua heißt es darin asseruit, quod anima rationalis secundum propria philosophiae et mentem Aristotelis sit seu videatur mortalis, contra determinationem concilii Late- ranensis: Papa mandat ut dictus Petrus revocet: alias contra ipsum procedatur. 13 Junii 1518. Kap. II. Die Kirche im Anf. des 16. Jahrh. man ſich zuſammennahm und ſie uͤberlegte, mußten ſie her-vortreten. Von eigentlich chriſtlicher Geſinnung und Ueberzeu- Die Schulen der Philoſophen waren in Streit, ob Man darf nicht glauben, dieſe Geſinnung ſey nur We- 1) Pomponazzo hatte hieruͤber ſehr ernſtliche Anfechtungen, wie
unter andern aus einem Auszug paͤpſtlicher Briefe von Contelori hervorgeht. Petrus de Mantua heißt es darin asseruit, quod anima rationalis secundum propria philosophiae et mentem Aristotelis sit seu videatur mortalis, contra determinationem concilii Late- ranensis: Papa mandat ut dictus Petrus revocet: alias contra ipsum procedatur. 13 Junii 1518. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0098" n="72"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kap</hi>. <hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Die Kirche im Anf. des 16. Jahrh</hi>.</fw><lb/> man ſich zuſammennahm und ſie uͤberlegte, mußten ſie her-<lb/> vortreten.</p><lb/> <p>Von eigentlich chriſtlicher Geſinnung und Ueberzeu-<lb/> gung konnte unter dieſen Umſtaͤnden nicht weiter die Rede<lb/> ſeyn. Es erhob ſich vielmehr ein grader Widerſpruch gegen<lb/> dieſelbe.</p><lb/> <p>Die Schulen der Philoſophen waren in Streit, ob<lb/> die vernuͤnftige Seele zwar immateriell und unſterblich, aber<lb/> eine einzige in allen Menſchen, oder ob ſie gradezu ſterblich<lb/> ſey. Das letzte zu behaupten, entſchied ſich der namhaf-<lb/> teſte der damaligen Philoſophen, Pietro Pomponazzo. Er<lb/> verglich ſich mit dem Prometheus, deſſen Herz der Geyer<lb/> freſſe, weil er dem Jupiter ſein Feuer ſtehlen wolle. Aber<lb/> mit aller dieſer ſchmerzvollen Anſtrengung, mit allem die-<lb/> ſen Scharfſinn gelangte er zu keinem andern Reſultat, „als<lb/> daß, wenn der Geſetzgeber feſtgeſtellt, daß die Seele un-<lb/> ſterblich, er dieß gethan habe, ohne ſich um die Wahrheit<lb/> zu bekuͤmmern“ <note place="foot" n="1)">Pomponazzo hatte hieruͤber ſehr ernſtliche Anfechtungen, wie<lb/> unter andern aus einem Auszug paͤpſtlicher Briefe von Contelori<lb/> hervorgeht. <hi rendition="#aq">Petrus de Mantua</hi> heißt es darin <hi rendition="#aq">asseruit, quod anima<lb/> rationalis secundum propria philosophiae et mentem Aristotelis<lb/> sit seu videatur mortalis, contra determinationem concilii Late-<lb/> ranensis: Papa mandat ut dictus Petrus revocet: alias contra<lb/> ipsum procedatur. 13 Junii</hi> 1518.</note>.</p><lb/> <p>Man darf nicht glauben, dieſe Geſinnung ſey nur We-<lb/> nigen eigen geweſen oder verheimlicht worden. Erasmus<lb/> iſt erſtaunt, welche Gotteslaͤſterungen er anzuhoͤren bekam;<lb/> man ſuchte ihm, einem Fremden, aus Plinius zu bewei-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0098]
Kap. II. Die Kirche im Anf. des 16. Jahrh.
man ſich zuſammennahm und ſie uͤberlegte, mußten ſie her-
vortreten.
Von eigentlich chriſtlicher Geſinnung und Ueberzeu-
gung konnte unter dieſen Umſtaͤnden nicht weiter die Rede
ſeyn. Es erhob ſich vielmehr ein grader Widerſpruch gegen
dieſelbe.
Die Schulen der Philoſophen waren in Streit, ob
die vernuͤnftige Seele zwar immateriell und unſterblich, aber
eine einzige in allen Menſchen, oder ob ſie gradezu ſterblich
ſey. Das letzte zu behaupten, entſchied ſich der namhaf-
teſte der damaligen Philoſophen, Pietro Pomponazzo. Er
verglich ſich mit dem Prometheus, deſſen Herz der Geyer
freſſe, weil er dem Jupiter ſein Feuer ſtehlen wolle. Aber
mit aller dieſer ſchmerzvollen Anſtrengung, mit allem die-
ſen Scharfſinn gelangte er zu keinem andern Reſultat, „als
daß, wenn der Geſetzgeber feſtgeſtellt, daß die Seele un-
ſterblich, er dieß gethan habe, ohne ſich um die Wahrheit
zu bekuͤmmern“ 1).
Man darf nicht glauben, dieſe Geſinnung ſey nur We-
nigen eigen geweſen oder verheimlicht worden. Erasmus
iſt erſtaunt, welche Gotteslaͤſterungen er anzuhoͤren bekam;
man ſuchte ihm, einem Fremden, aus Plinius zu bewei-
1) Pomponazzo hatte hieruͤber ſehr ernſtliche Anfechtungen, wie
unter andern aus einem Auszug paͤpſtlicher Briefe von Contelori
hervorgeht. Petrus de Mantua heißt es darin asseruit, quod anima
rationalis secundum propria philosophiae et mentem Aristotelis
sit seu videatur mortalis, contra determinationem concilii Late-
ranensis: Papa mandat ut dictus Petrus revocet: alias contra
ipsum procedatur. 13 Junii 1518.
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