Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Fortgang derselben in Deutschland. Städte.
hielt er sorgsam ausgeschlossen 1). Welche Bedrückungen
erfuhren die Evangelischen in Cöln und Aachen! Der Rath
von Cöln erklärte, er habe Kaiser und Churfürsten verspro-
chen keine andere Religion zu dulden als die katholische:
das Anhören einer protestantischen Predigt bestrafte er zu-
weilen mit Thurm und Geldbuße 2). Auch in Augsburg
bekamen die Katholiken die Oberhand: bei der Einführung
des neuen Kalenders entstanden Streitigkeiten: im J. 1586
wurde erst der evangelische Superintendent, dann elf Geist-
liche auf einmal, endlich eine Anzahl der hartnäckigsten
Bürger aus der Stadt getrieben. Um verwandter Gründe
willen erfolgte etwas Aehnliches 1587 in Regensburg. Schon
machten auch die Städte auf das Reformationsrecht An-
sprüche; ja selbst einzelne Grafen und Herrn, einzelne
Reichsritter, die etwa so eben von einem Jesuiten bekehrt
worden, glaubten sich desselben bedienen zu dürfen und un-
ternahmen in ihrem kleinen Gebiete die Wiederherstellung
des Katholicismus.

Es war eine unermeßliche Reaction. Wie der Pro-
testantismus vorgedrungen, so ward er jetzt zurückgewor-
fen. Predigt und Lehre wirkten auch hiebei, aber noch
bei weitem mehr Anordnung, Befehl und die offne Gewalt.

Wie einst die italienischen Protestanten sich über die
Alpen nach der Schweiz und nach Deutschland geflüchtet,
so wandten sich auch deutsche Flüchtlinge, und in noch viel
größern Schaaren, vom westlichen und südlichen Deutsch-
land verdrängt nach dem nördlichen und östlichen. So wi-

1) Lehmann de pace religionis II, p. 268. 480.
2) Lehmann 436. 270.

Fortgang derſelben in Deutſchland. Staͤdte.
hielt er ſorgſam ausgeſchloſſen 1). Welche Bedruͤckungen
erfuhren die Evangeliſchen in Coͤln und Aachen! Der Rath
von Coͤln erklaͤrte, er habe Kaiſer und Churfuͤrſten verſpro-
chen keine andere Religion zu dulden als die katholiſche:
das Anhoͤren einer proteſtantiſchen Predigt beſtrafte er zu-
weilen mit Thurm und Geldbuße 2). Auch in Augsburg
bekamen die Katholiken die Oberhand: bei der Einfuͤhrung
des neuen Kalenders entſtanden Streitigkeiten: im J. 1586
wurde erſt der evangeliſche Superintendent, dann elf Geiſt-
liche auf einmal, endlich eine Anzahl der hartnaͤckigſten
Buͤrger aus der Stadt getrieben. Um verwandter Gruͤnde
willen erfolgte etwas Aehnliches 1587 in Regensburg. Schon
machten auch die Staͤdte auf das Reformationsrecht An-
ſpruͤche; ja ſelbſt einzelne Grafen und Herrn, einzelne
Reichsritter, die etwa ſo eben von einem Jeſuiten bekehrt
worden, glaubten ſich deſſelben bedienen zu duͤrfen und un-
ternahmen in ihrem kleinen Gebiete die Wiederherſtellung
des Katholicismus.

Es war eine unermeßliche Reaction. Wie der Pro-
teſtantismus vorgedrungen, ſo ward er jetzt zuruͤckgewor-
fen. Predigt und Lehre wirkten auch hiebei, aber noch
bei weitem mehr Anordnung, Befehl und die offne Gewalt.

Wie einſt die italieniſchen Proteſtanten ſich uͤber die
Alpen nach der Schweiz und nach Deutſchland gefluͤchtet,
ſo wandten ſich auch deutſche Fluͤchtlinge, und in noch viel
groͤßern Schaaren, vom weſtlichen und ſuͤdlichen Deutſch-
land verdraͤngt nach dem noͤrdlichen und oͤſtlichen. So wi-

1) Lehmann de pace religionis II, p. 268. 480.
2) Lehmann 436. 270.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0147" n="135"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fortgang der&#x017F;elben in Deut&#x017F;chland. Sta&#x0364;dte</hi>.</fw><lb/>
hielt er &#x017F;org&#x017F;am ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Lehmann de pace religionis II, p.</hi> 268. 480.</note>. Welche Bedru&#x0364;ckungen<lb/>
erfuhren die Evangeli&#x017F;chen in Co&#x0364;ln und Aachen! Der Rath<lb/>
von Co&#x0364;ln erkla&#x0364;rte, er habe Kai&#x017F;er und Churfu&#x0364;r&#x017F;ten ver&#x017F;pro-<lb/>
chen keine andere Religion zu dulden als die katholi&#x017F;che:<lb/>
das Anho&#x0364;ren einer prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Predigt be&#x017F;trafte er zu-<lb/>
weilen mit Thurm und Geldbuße <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Lehmann</hi> 436. 270.</note>. Auch in Augsburg<lb/>
bekamen die Katholiken die Oberhand: bei der Einfu&#x0364;hrung<lb/>
des neuen Kalenders ent&#x017F;tanden Streitigkeiten: im J. 1586<lb/>
wurde er&#x017F;t der evangeli&#x017F;che Superintendent, dann elf Gei&#x017F;t-<lb/>
liche auf einmal, endlich eine Anzahl der hartna&#x0364;ckig&#x017F;ten<lb/>
Bu&#x0364;rger aus der Stadt getrieben. Um verwandter Gru&#x0364;nde<lb/>
willen erfolgte etwas Aehnliches 1587 in Regensburg. Schon<lb/>
machten auch die Sta&#x0364;dte auf das Reformationsrecht An-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;che; ja &#x017F;elb&#x017F;t einzelne Grafen und Herrn, einzelne<lb/>
Reichsritter, die etwa &#x017F;o eben von einem Je&#x017F;uiten bekehrt<lb/>
worden, glaubten &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;elben bedienen zu du&#x0364;rfen und un-<lb/>
ternahmen in ihrem kleinen Gebiete die Wiederher&#x017F;tellung<lb/>
des Katholicismus.</p><lb/>
          <p>Es war eine unermeßliche Reaction. Wie der Pro-<lb/>
te&#x017F;tantismus vorgedrungen, &#x017F;o ward er jetzt zuru&#x0364;ckgewor-<lb/>
fen. Predigt und Lehre wirkten auch hiebei, aber noch<lb/>
bei weitem mehr Anordnung, Befehl und die offne Gewalt.</p><lb/>
          <p>Wie ein&#x017F;t die italieni&#x017F;chen Prote&#x017F;tanten &#x017F;ich u&#x0364;ber die<lb/>
Alpen nach der Schweiz und nach Deut&#x017F;chland geflu&#x0364;chtet,<lb/>
&#x017F;o wandten &#x017F;ich auch deut&#x017F;che Flu&#x0364;chtlinge, und in noch viel<lb/>
gro&#x0364;ßern Schaaren, vom we&#x017F;tlichen und &#x017F;u&#x0364;dlichen Deut&#x017F;ch-<lb/>
land verdra&#x0364;ngt nach dem no&#x0364;rdlichen und o&#x0364;&#x017F;tlichen. So wi-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0147] Fortgang derſelben in Deutſchland. Staͤdte. hielt er ſorgſam ausgeſchloſſen 1). Welche Bedruͤckungen erfuhren die Evangeliſchen in Coͤln und Aachen! Der Rath von Coͤln erklaͤrte, er habe Kaiſer und Churfuͤrſten verſpro- chen keine andere Religion zu dulden als die katholiſche: das Anhoͤren einer proteſtantiſchen Predigt beſtrafte er zu- weilen mit Thurm und Geldbuße 2). Auch in Augsburg bekamen die Katholiken die Oberhand: bei der Einfuͤhrung des neuen Kalenders entſtanden Streitigkeiten: im J. 1586 wurde erſt der evangeliſche Superintendent, dann elf Geiſt- liche auf einmal, endlich eine Anzahl der hartnaͤckigſten Buͤrger aus der Stadt getrieben. Um verwandter Gruͤnde willen erfolgte etwas Aehnliches 1587 in Regensburg. Schon machten auch die Staͤdte auf das Reformationsrecht An- ſpruͤche; ja ſelbſt einzelne Grafen und Herrn, einzelne Reichsritter, die etwa ſo eben von einem Jeſuiten bekehrt worden, glaubten ſich deſſelben bedienen zu duͤrfen und un- ternahmen in ihrem kleinen Gebiete die Wiederherſtellung des Katholicismus. Es war eine unermeßliche Reaction. Wie der Pro- teſtantismus vorgedrungen, ſo ward er jetzt zuruͤckgewor- fen. Predigt und Lehre wirkten auch hiebei, aber noch bei weitem mehr Anordnung, Befehl und die offne Gewalt. Wie einſt die italieniſchen Proteſtanten ſich uͤber die Alpen nach der Schweiz und nach Deutſchland gefluͤchtet, ſo wandten ſich auch deutſche Fluͤchtlinge, und in noch viel groͤßern Schaaren, vom weſtlichen und ſuͤdlichen Deutſch- land verdraͤngt nach dem noͤrdlichen und oͤſtlichen. So wi- 1) Lehmann de pace religionis II, p. 268. 480. 2) Lehmann 436. 270.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/147
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/147>, abgerufen am 19.05.2024.