Frühere Päpste hatten wohl aller Gesetze überhoben zu seyn geglaubt, die Verwaltung der höchsten Würde in Genuß zu verwandeln gesucht: der Geist der damaligen Zeit ließ das nicht mehr zu. Die Persönlichkeit mußte sich fügen, zurücktreten: das Amt war alles. Ohne ein der Idee desselben entsprechendes Betragen hätte man es weder erlangt noch verwalten können.
Es liegt am Tage, daß hiemit die Kraft des Insti- tutes selber unendlich wuchs. So lange allein sind mensch- liche Institutionen überhaupt stark, als ihr Geist in den Lebenden wohnt, in den Inhabern der Gewalt, die sie schaf- fen, sich zugleich darstellt.
Absolution Heinrichs IV.
Und nun fragte es sich vor allem, wie dieser Papst, so voll von Talent, Thätigkeit und Kraft, und übrigens ohne Tadel, die wichtigste Frage die es in Europa gab, die französische, verstehn, behandeln würde.
Sollte er sich, wie seine unmittelbaren Vorgänger un- bedingt an Spanien anschließen? Er hatte dazu weder Ver- pflichtung in seinen bisherigen Verhältnissen noch auch Nei- gung. Es entging ihm nicht, daß die spanische Uebermacht auch das Papstthum drücken, und es besonders seiner poli- tischen Unabhängigkeit berauben werde.
Oder sollte er die Partei Heinrichs IV. ergreifen?
move S. Sta con gran zelo dell' onor di dio e con gran desi- derio del ben publico.
BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Fruͤhere Paͤpſte hatten wohl aller Geſetze uͤberhoben zu ſeyn geglaubt, die Verwaltung der hoͤchſten Wuͤrde in Genuß zu verwandeln geſucht: der Geiſt der damaligen Zeit ließ das nicht mehr zu. Die Perſoͤnlichkeit mußte ſich fuͤgen, zuruͤcktreten: das Amt war alles. Ohne ein der Idee deſſelben entſprechendes Betragen haͤtte man es weder erlangt noch verwalten koͤnnen.
Es liegt am Tage, daß hiemit die Kraft des Inſti- tutes ſelber unendlich wuchs. So lange allein ſind menſch- liche Inſtitutionen uͤberhaupt ſtark, als ihr Geiſt in den Lebenden wohnt, in den Inhabern der Gewalt, die ſie ſchaf- fen, ſich zugleich darſtellt.
Abſolution Heinrichs IV.
Und nun fragte es ſich vor allem, wie dieſer Papſt, ſo voll von Talent, Thaͤtigkeit und Kraft, und uͤbrigens ohne Tadel, die wichtigſte Frage die es in Europa gab, die franzoͤſiſche, verſtehn, behandeln wuͤrde.
Sollte er ſich, wie ſeine unmittelbaren Vorgaͤnger un- bedingt an Spanien anſchließen? Er hatte dazu weder Ver- pflichtung in ſeinen bisherigen Verhaͤltniſſen noch auch Nei- gung. Es entging ihm nicht, daß die ſpaniſche Uebermacht auch das Papſtthum druͤcken, und es beſonders ſeiner poli- tiſchen Unabhaͤngigkeit berauben werde.
Oder ſollte er die Partei Heinrichs IV. ergreifen?
move S. Stà con gran zelo dell’ onor di dio e con gran desi- derio del ben publico.
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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
Fruͤhere Paͤpſte hatten wohl aller Geſetze uͤberhoben
zu ſeyn geglaubt, die Verwaltung der hoͤchſten Wuͤrde in
Genuß zu verwandeln geſucht: der Geiſt der damaligen
Zeit ließ das nicht mehr zu. Die Perſoͤnlichkeit mußte ſich
fuͤgen, zuruͤcktreten: das Amt war alles. Ohne ein der
Idee deſſelben entſprechendes Betragen haͤtte man es weder
erlangt noch verwalten koͤnnen.
Es liegt am Tage, daß hiemit die Kraft des Inſti-
tutes ſelber unendlich wuchs. So lange allein ſind menſch-
liche Inſtitutionen uͤberhaupt ſtark, als ihr Geiſt in den
Lebenden wohnt, in den Inhabern der Gewalt, die ſie ſchaf-
fen, ſich zugleich darſtellt.
Abſolution Heinrichs IV.
Und nun fragte es ſich vor allem, wie dieſer Papſt,
ſo voll von Talent, Thaͤtigkeit und Kraft, und uͤbrigens
ohne Tadel, die wichtigſte Frage die es in Europa gab,
die franzoͤſiſche, verſtehn, behandeln wuͤrde.
Sollte er ſich, wie ſeine unmittelbaren Vorgaͤnger un-
bedingt an Spanien anſchließen? Er hatte dazu weder Ver-
pflichtung in ſeinen bisherigen Verhaͤltniſſen noch auch Nei-
gung. Es entging ihm nicht, daß die ſpaniſche Uebermacht
auch das Papſtthum druͤcken, und es beſonders ſeiner poli-
tiſchen Unabhaͤngigkeit berauben werde.
Oder ſollte er die Partei Heinrichs IV. ergreifen?
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2) move S. Stà con gran zelo dell’ onor di dio e con gran desi-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/248>, abgerufen am 21.11.2024.
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