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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Jesuitische Bewegungen.
den 1): wohl auch Mitglieder von minderm Verdienst,
Coadjutoren, die nicht alle Berechtigungen genossen: die
dann, die einen wie die andern, ihre Stütze in dem Gene-
ral sahen: endlich Landsleute, Neapolitaner 2).

Die alten, gelehrten, erfahrnen Patres sahen sich nicht
allein von der höchsten allgemeinen Würde, sondern auch
von den Aemtern in den Provinzen entfernt. Aquaviva
gab vor, ihre Fehler seyen daran Schuld: der eine sey cho-
lerisch, der andere melancholisch: natürlich, sagt Mariana,
ausgezeichnete Leute pflegen wohl auch mit einem Mangel
behaftet zu seyn: doch war der eigentliche Grund, daß er
sie fürchtete, und zur Ausführung seiner Befehle gefügi-
gere Werkzeuge haben wollte. In der Regel bedarf der
Mensch der Genugthuung selbstthätigen Antheil an den öf-
fentlichen Dingen zu nehmen, und am wenigsten wird man
sich ruhig aus seinem Besitze treiben lassen. Es entstanden
Reibungen in allen Collegien. Mit stummer Animosität
wurden die neuen Obern aufgenommen: sie konnten nichts
wesentliches durchsetzen: sie waren nur froh wenn sie ohne

1) Mariana c. XII. Ponen en los gobiernos homes mozos
-- -- porque son mas entremetidos saben lamer a sus tiempos.
2) Außer Mariana sind hierüber auch noch die Eingaben an Cle-
mens VIII. wichtig: abgedruckt in der tuba magnum clangens so-
num ad Clementem XI p. 583. Videmus cum magno detri-
mento religionis nostrae et scandalo mundi quod generalis nulla
habita ratione nec antiquitatis nec laborum nec meritorum facit
quos vult superiores et ut plurimum juvenes et novicios, qui
sine ullis meritis et sine ulla experientia cum maxima arrogan-
tia praesunt senioribns: -- -- et denique generalis, quia homo
est, habet etiam suos affectus particulares, -- -- et quia est
Neapolitanus, melioris conditionis sunt Neapolitani.

Jeſuitiſche Bewegungen.
den 1): wohl auch Mitglieder von minderm Verdienſt,
Coadjutoren, die nicht alle Berechtigungen genoſſen: die
dann, die einen wie die andern, ihre Stuͤtze in dem Gene-
ral ſahen: endlich Landsleute, Neapolitaner 2).

Die alten, gelehrten, erfahrnen Patres ſahen ſich nicht
allein von der hoͤchſten allgemeinen Wuͤrde, ſondern auch
von den Aemtern in den Provinzen entfernt. Aquaviva
gab vor, ihre Fehler ſeyen daran Schuld: der eine ſey cho-
leriſch, der andere melancholiſch: natuͤrlich, ſagt Mariana,
ausgezeichnete Leute pflegen wohl auch mit einem Mangel
behaftet zu ſeyn: doch war der eigentliche Grund, daß er
ſie fuͤrchtete, und zur Ausfuͤhrung ſeiner Befehle gefuͤgi-
gere Werkzeuge haben wollte. In der Regel bedarf der
Menſch der Genugthuung ſelbſtthaͤtigen Antheil an den oͤf-
fentlichen Dingen zu nehmen, und am wenigſten wird man
ſich ruhig aus ſeinem Beſitze treiben laſſen. Es entſtanden
Reibungen in allen Collegien. Mit ſtummer Animoſitaͤt
wurden die neuen Obern aufgenommen: ſie konnten nichts
weſentliches durchſetzen: ſie waren nur froh wenn ſie ohne

1) Mariana c. XII. Ponen en los gobiernos homes mozos
— — porque son mas entremetidos saben lamer a sus tiempos.
2) Außer Mariana ſind hieruͤber auch noch die Eingaben an Cle-
mens VIII. wichtig: abgedruckt in der tuba magnum clangens so-
num ad Clementem XI p. 583. Videmus cum magno detri-
mento religionis nostrae et scandalo mundi quod generalis nulla
habita ratione nec antiquitatis nec laborum nec meritorum facit
quos vult superiores et ut plurimum juvenes et novicios, qui
sine ullis meritis et sine ulla experientia cum maxima arrogan-
tia praesunt senioribns: — — et denique generalis, quia homo
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Neapolitanus, melioris conditionis sunt Neapolitani.
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[285/0297] Jeſuitiſche Bewegungen. den 1): wohl auch Mitglieder von minderm Verdienſt, Coadjutoren, die nicht alle Berechtigungen genoſſen: die dann, die einen wie die andern, ihre Stuͤtze in dem Gene- ral ſahen: endlich Landsleute, Neapolitaner 2). Die alten, gelehrten, erfahrnen Patres ſahen ſich nicht allein von der hoͤchſten allgemeinen Wuͤrde, ſondern auch von den Aemtern in den Provinzen entfernt. Aquaviva gab vor, ihre Fehler ſeyen daran Schuld: der eine ſey cho- leriſch, der andere melancholiſch: natuͤrlich, ſagt Mariana, ausgezeichnete Leute pflegen wohl auch mit einem Mangel behaftet zu ſeyn: doch war der eigentliche Grund, daß er ſie fuͤrchtete, und zur Ausfuͤhrung ſeiner Befehle gefuͤgi- gere Werkzeuge haben wollte. In der Regel bedarf der Menſch der Genugthuung ſelbſtthaͤtigen Antheil an den oͤf- fentlichen Dingen zu nehmen, und am wenigſten wird man ſich ruhig aus ſeinem Beſitze treiben laſſen. Es entſtanden Reibungen in allen Collegien. Mit ſtummer Animoſitaͤt wurden die neuen Obern aufgenommen: ſie konnten nichts weſentliches durchſetzen: ſie waren nur froh wenn ſie ohne 1) Mariana c. XII. Ponen en los gobiernos homes mozos — — porque son mas entremetidos saben lamer a sus tiempos. 2) Außer Mariana ſind hieruͤber auch noch die Eingaben an Cle- mens VIII. wichtig: abgedruckt in der tuba magnum clangens so- num ad Clementem XI p. 583. Videmus cum magno detri- mento religionis nostrae et scandalo mundi quod generalis nulla habita ratione nec antiquitatis nec laborum nec meritorum facit quos vult superiores et ut plurimum juvenes et novicios, qui sine ullis meritis et sine ulla experientia cum maxima arrogan- tia praesunt senioribns: — — et denique generalis, quia homo est, habet etiam suos affectus particulares, — — et quia est Neapolitanus, melioris conditionis sunt Neapolitani.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/297>, abgerufen am 20.05.2024.