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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
moralisch gute Werke hervorbringen: er könne Versuchun-
gen widerstehn: er könne sich selbst zu einem und dem an-
dern Act der Hoffnung, des Glaubens, der Liebe und der
Reue erheben 1). Wenn der Mensch so weit sey, so ge-
währe ihm alsdann Gott um des Verdienstes Christi wil-
len die Gnade 2), durch die er die übernatürlichen Wir-
kungen der Heiligung erfahre: allein ganz wie vorher
sey auch bei dem Empfangen dieser Gnade, bei ihrem
Wachsen der freie Wille unaufhörlich thätig. Auf diesen
komme doch alles an; es stehe bei uns die Hülfe Got-
tes wirksam oder unwirksam zu machen. Auf der Verei-
nigung des Willens und der Gnade beruhe die Rechtferti-
gung, sie seyen verbunden wie ein paar Männer die an
Einem Schiffe ziehen; es versteht sich nun, daß Molina
hiebei den Begriff von Prädestination, wie er bei Augusti-
nus oder Thomas von Aquino vorkommt, nicht annehmen
kann. Er findet ihn zu hart, zu grausam. Er will von
keiner andern Vorherbestimmung wissen, als einer solchen,
welche eigentlich Voraussicht sey. Nun wisse aber Gott
aus höchster Einsicht in die Natur eines jeden Willens vor-

1) Es wird hiebei immer der concursus generalis dei vor-
ausgesetzt: allein es wird damit eigentlich nur der natürliche Zu-
stand des freien Willens bezeichnet, der allerdings nicht ohne Gott
so ist wie er ist: Deus semper praesto est per concursum gene-
ralem libero arbitrio, ut naturaliter velit aut nolit prout pla-
cuerit.
Das ist ungefähr so, wie bei Bellarmin natürliches und
göttliches Recht identificirt werden, weil Gott der Urheber der Na-
tur ist.
2) Auch diese Gnade faßt er sehr natürlich auf: Disput. 54.
Dum homo expendit res credendas -- -- per notitias conciona-
toris aut aliunde comparatas, influit deus in easdem notitias in-
fluxu quodam particulari quo cognitionem illam adjuvat.

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
moraliſch gute Werke hervorbringen: er koͤnne Verſuchun-
gen widerſtehn: er koͤnne ſich ſelbſt zu einem und dem an-
dern Act der Hoffnung, des Glaubens, der Liebe und der
Reue erheben 1). Wenn der Menſch ſo weit ſey, ſo ge-
waͤhre ihm alsdann Gott um des Verdienſtes Chriſti wil-
len die Gnade 2), durch die er die uͤbernatuͤrlichen Wir-
kungen der Heiligung erfahre: allein ganz wie vorher
ſey auch bei dem Empfangen dieſer Gnade, bei ihrem
Wachſen der freie Wille unaufhoͤrlich thaͤtig. Auf dieſen
komme doch alles an; es ſtehe bei uns die Huͤlfe Got-
tes wirkſam oder unwirkſam zu machen. Auf der Verei-
nigung des Willens und der Gnade beruhe die Rechtferti-
gung, ſie ſeyen verbunden wie ein paar Maͤnner die an
Einem Schiffe ziehen; es verſteht ſich nun, daß Molina
hiebei den Begriff von Praͤdeſtination, wie er bei Auguſti-
nus oder Thomas von Aquino vorkommt, nicht annehmen
kann. Er findet ihn zu hart, zu grauſam. Er will von
keiner andern Vorherbeſtimmung wiſſen, als einer ſolchen,
welche eigentlich Vorausſicht ſey. Nun wiſſe aber Gott
aus hoͤchſter Einſicht in die Natur eines jeden Willens vor-

1) Es wird hiebei immer der concursus generalis dei vor-
ausgeſetzt: allein es wird damit eigentlich nur der natuͤrliche Zu-
ſtand des freien Willens bezeichnet, der allerdings nicht ohne Gott
ſo iſt wie er iſt: Deus semper praesto est per concursum gene-
ralem libero arbitrio, ut naturaliter velit aut nolit prout pla-
cuerit.
Das iſt ungefaͤhr ſo, wie bei Bellarmin natuͤrliches und
goͤttliches Recht identificirt werden, weil Gott der Urheber der Na-
tur iſt.
2) Auch dieſe Gnade faßt er ſehr natuͤrlich auf: Disput. 54.
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toris aut aliunde comparatas, influit deus in easdem notitias in-
fluxu quodam particulari quo cognitionem illam adjuvat.
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[296/0308] Buch VI. Innere Streitigkeiten. moraliſch gute Werke hervorbringen: er koͤnne Verſuchun- gen widerſtehn: er koͤnne ſich ſelbſt zu einem und dem an- dern Act der Hoffnung, des Glaubens, der Liebe und der Reue erheben 1). Wenn der Menſch ſo weit ſey, ſo ge- waͤhre ihm alsdann Gott um des Verdienſtes Chriſti wil- len die Gnade 2), durch die er die uͤbernatuͤrlichen Wir- kungen der Heiligung erfahre: allein ganz wie vorher ſey auch bei dem Empfangen dieſer Gnade, bei ihrem Wachſen der freie Wille unaufhoͤrlich thaͤtig. Auf dieſen komme doch alles an; es ſtehe bei uns die Huͤlfe Got- tes wirkſam oder unwirkſam zu machen. Auf der Verei- nigung des Willens und der Gnade beruhe die Rechtferti- gung, ſie ſeyen verbunden wie ein paar Maͤnner die an Einem Schiffe ziehen; es verſteht ſich nun, daß Molina hiebei den Begriff von Praͤdeſtination, wie er bei Auguſti- nus oder Thomas von Aquino vorkommt, nicht annehmen kann. Er findet ihn zu hart, zu grauſam. Er will von keiner andern Vorherbeſtimmung wiſſen, als einer ſolchen, welche eigentlich Vorausſicht ſey. Nun wiſſe aber Gott aus hoͤchſter Einſicht in die Natur eines jeden Willens vor- 1) Es wird hiebei immer der concursus generalis dei vor- ausgeſetzt: allein es wird damit eigentlich nur der natuͤrliche Zu- ſtand des freien Willens bezeichnet, der allerdings nicht ohne Gott ſo iſt wie er iſt: Deus semper praesto est per concursum gene- ralem libero arbitrio, ut naturaliter velit aut nolit prout pla- cuerit. Das iſt ungefaͤhr ſo, wie bei Bellarmin natuͤrliches und goͤttliches Recht identificirt werden, weil Gott der Urheber der Na- tur iſt. 2) Auch dieſe Gnade faßt er ſehr natuͤrlich auf: Disput. 54. Dum homo expendit res credendas — — per notitias conciona- toris aut aliunde comparatas, influit deus in easdem notitias in- fluxu quodam particulari quo cognitionem illam adjuvat.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/308>, abgerufen am 26.11.2024.