Mariana, sprachen öffentlich ihren Tadel aus. Bei wei- tem lebhafter aber nahmen die Dominicaner ihren Patriar- chen in Schutz. Sie schrieben und predigten gegen Molina, in ihren Vorlesungen griffen sie ihn an. Endlich veranstal- tete man am 4. Merz 1594 in Valladolid eine Disputa- tion zwischen beiden Theilen. Die Dominicaner, die sich im Besitze der Rechtgläubigkeit glaubten, wurden heftig. "Sind denn", rief ein Jesuit aus, "die Schlüssel der Weisheit etwa bei Euch?" Die Dominicaner schrien auf: sie nahmen dieß für einen Angriff auf S. Thomas selbst.
Seitdem trennten sich die beiden Orden völlig. Die Dominicaner wollten nichts mehr mit den Jesuiten zu thun haben. Die Jesuiten nahmen, wo nicht alle, doch bei wei- tem zum größten Theil für Molina Partei. Aquaviva selbst, seine Assistenten waren für denselben.
Aber schon griff auch hier die Inquisition ein. Der Großinquisitor -- es war eben jener Hieronymus Manri- que, der zum Visitator des Ordens bestimmt gewesen -- machte Miene Molina zu verdammen: er ließ ihm bemer- ken, sein Buch dürfte wohl nicht mit einer einfachen Ver- werfung wegkommen, sondern zum Feuer verurtheilt wer- den. Gegenklagen Molinas wider die Dominicaner wei- gerte er sich anzunehmen.
Eine Streitigkeit welche die ganze katholische Welt sowohl der Lehren als ihrer Verfechter halber in Bewegung setzte, und die jenen Angriff auf das jesuitische Institut, der sich in Spanien erhoben, um vieles verstärkte.
Eben hiedurch trat nun aber die sonderbare Erschei-
BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Mariana, ſprachen oͤffentlich ihren Tadel aus. Bei wei- tem lebhafter aber nahmen die Dominicaner ihren Patriar- chen in Schutz. Sie ſchrieben und predigten gegen Molina, in ihren Vorleſungen griffen ſie ihn an. Endlich veranſtal- tete man am 4. Merz 1594 in Valladolid eine Disputa- tion zwiſchen beiden Theilen. Die Dominicaner, die ſich im Beſitze der Rechtglaͤubigkeit glaubten, wurden heftig. „Sind denn“, rief ein Jeſuit aus, „die Schluͤſſel der Weisheit etwa bei Euch?“ Die Dominicaner ſchrien auf: ſie nahmen dieß fuͤr einen Angriff auf S. Thomas ſelbſt.
Seitdem trennten ſich die beiden Orden voͤllig. Die Dominicaner wollten nichts mehr mit den Jeſuiten zu thun haben. Die Jeſuiten nahmen, wo nicht alle, doch bei wei- tem zum groͤßten Theil fuͤr Molina Partei. Aquaviva ſelbſt, ſeine Aſſiſtenten waren fuͤr denſelben.
Aber ſchon griff auch hier die Inquiſition ein. Der Großinquiſitor — es war eben jener Hieronymus Manri- que, der zum Viſitator des Ordens beſtimmt geweſen — machte Miene Molina zu verdammen: er ließ ihm bemer- ken, ſein Buch duͤrfte wohl nicht mit einer einfachen Ver- werfung wegkommen, ſondern zum Feuer verurtheilt wer- den. Gegenklagen Molinas wider die Dominicaner wei- gerte er ſich anzunehmen.
Eine Streitigkeit welche die ganze katholiſche Welt ſowohl der Lehren als ihrer Verfechter halber in Bewegung ſetzte, und die jenen Angriff auf das jeſuitiſche Inſtitut, der ſich in Spanien erhoben, um vieles verſtaͤrkte.
Eben hiedurch trat nun aber die ſonderbare Erſchei-
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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
Mariana, ſprachen oͤffentlich ihren Tadel aus. Bei wei-
tem lebhafter aber nahmen die Dominicaner ihren Patriar-
chen in Schutz. Sie ſchrieben und predigten gegen Molina,
in ihren Vorleſungen griffen ſie ihn an. Endlich veranſtal-
tete man am 4. Merz 1594 in Valladolid eine Disputa-
tion zwiſchen beiden Theilen. Die Dominicaner, die ſich
im Beſitze der Rechtglaͤubigkeit glaubten, wurden heftig.
„Sind denn“, rief ein Jeſuit aus, „die Schluͤſſel der
Weisheit etwa bei Euch?“ Die Dominicaner ſchrien auf:
ſie nahmen dieß fuͤr einen Angriff auf S. Thomas ſelbſt.
Seitdem trennten ſich die beiden Orden voͤllig. Die
Dominicaner wollten nichts mehr mit den Jeſuiten zu thun
haben. Die Jeſuiten nahmen, wo nicht alle, doch bei wei-
tem zum groͤßten Theil fuͤr Molina Partei. Aquaviva
ſelbſt, ſeine Aſſiſtenten waren fuͤr denſelben.
Aber ſchon griff auch hier die Inquiſition ein. Der
Großinquiſitor — es war eben jener Hieronymus Manri-
que, der zum Viſitator des Ordens beſtimmt geweſen —
machte Miene Molina zu verdammen: er ließ ihm bemer-
ken, ſein Buch duͤrfte wohl nicht mit einer einfachen Ver-
werfung wegkommen, ſondern zum Feuer verurtheilt wer-
den. Gegenklagen Molinas wider die Dominicaner wei-
gerte er ſich anzunehmen.
Eine Streitigkeit welche die ganze katholiſche Welt
ſowohl der Lehren als ihrer Verfechter halber in Bewegung
ſetzte, und die jenen Angriff auf das jeſuitiſche Inſtitut,
der ſich in Spanien erhoben, um vieles verſtaͤrkte.
Eben hiedurch trat nun aber die ſonderbare Erſchei-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/310>, abgerufen am 26.11.2024.
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