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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Politische Stellung Clemens VIII.
Nöthigung. Allein es war auch eine persönliche Neigung
zur Alleinherrschaft dabei. Das Land ward in demselben
Sinne verwaltet: neue Auflagen wurden ausgeschrieben,
ohne daß man Jemand gefragt hätte, die Einkünfte der
Communen unter besondere Aufsicht genommen, die Barone
der strengsten Rechtspflege unterworfen: man achtete nicht
mehr auf Herkommen und Bevorrechtung.

So lange nun der Papst persönlich alle Geschäfte lei-
tete, ging das wohl. Die Cardinäle wenigstens, obwohl
nicht alle ihre Gedanken ihnen auf der Oberfläche lagen,
gefielen sich in Bewunderung und Unterwürfigkeit.

Allmählig aber, mit den höhern Jahren, kam der Besitz,
die Ausübung dieser monarchischen Gewalt an den päpst-
lichen Nepoten, Pietro Aldobrandino. Er war ein Sohn
jenes Pietro Aldobrandino, der sich unter den Brüdern durch
juristische Praxis ausgezeichnet hatte. Beim ersten Anblick
versprach er wenig. Er war unansehnlich, pockennarbig,
litt an Asthma, hustete immer, und in der Jugend hatte
er es selbst in den Studien nicht weit gebracht. So wie
ihn aber sein Oheim in die Geschäfte nahm, zeigte er eine
Gewandtheit und Gefügigkeit wie sie kein Mensch erwartete.
Nicht allein wußte er sich sehr gut in die Natur des Pap-
stes zu finden, sie so zu sagen zu ergänzen, seine Strenge
zu mildern, die Schwachheiten, die sich auch in ihm allmäh-
lig zeigten, weniger auffallend und unschädlich zu machen 1):
er erwarb auch das Zutrauen und die Genugthuung der

1) Relatione al Cl Este. Dove il papa inasprisce, Aldo-
brandino mitiga: dove rompe, consolida: dove comanda giustitia,
intercede per gratia.

Politiſche Stellung Clemens VIII.
Noͤthigung. Allein es war auch eine perſoͤnliche Neigung
zur Alleinherrſchaft dabei. Das Land ward in demſelben
Sinne verwaltet: neue Auflagen wurden ausgeſchrieben,
ohne daß man Jemand gefragt haͤtte, die Einkuͤnfte der
Communen unter beſondere Aufſicht genommen, die Barone
der ſtrengſten Rechtspflege unterworfen: man achtete nicht
mehr auf Herkommen und Bevorrechtung.

So lange nun der Papſt perſoͤnlich alle Geſchaͤfte lei-
tete, ging das wohl. Die Cardinaͤle wenigſtens, obwohl
nicht alle ihre Gedanken ihnen auf der Oberflaͤche lagen,
gefielen ſich in Bewunderung und Unterwuͤrfigkeit.

Allmaͤhlig aber, mit den hoͤhern Jahren, kam der Beſitz,
die Ausuͤbung dieſer monarchiſchen Gewalt an den paͤpſt-
lichen Nepoten, Pietro Aldobrandino. Er war ein Sohn
jenes Pietro Aldobrandino, der ſich unter den Bruͤdern durch
juriſtiſche Praxis ausgezeichnet hatte. Beim erſten Anblick
verſprach er wenig. Er war unanſehnlich, pockennarbig,
litt an Aſthma, huſtete immer, und in der Jugend hatte
er es ſelbſt in den Studien nicht weit gebracht. So wie
ihn aber ſein Oheim in die Geſchaͤfte nahm, zeigte er eine
Gewandtheit und Gefuͤgigkeit wie ſie kein Menſch erwartete.
Nicht allein wußte er ſich ſehr gut in die Natur des Pap-
ſtes zu finden, ſie ſo zu ſagen zu ergaͤnzen, ſeine Strenge
zu mildern, die Schwachheiten, die ſich auch in ihm allmaͤh-
lig zeigten, weniger auffallend und unſchaͤdlich zu machen 1):
er erwarb auch das Zutrauen und die Genugthuung der

1) Relatione al Cl Este. Dove il papa inasprisce, Aldo-
brandino mitiga: dove rompe, consolida: dove comanda giustitia,
intercede per gratia.
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[311/0323] Politiſche Stellung Clemens VIII. Noͤthigung. Allein es war auch eine perſoͤnliche Neigung zur Alleinherrſchaft dabei. Das Land ward in demſelben Sinne verwaltet: neue Auflagen wurden ausgeſchrieben, ohne daß man Jemand gefragt haͤtte, die Einkuͤnfte der Communen unter beſondere Aufſicht genommen, die Barone der ſtrengſten Rechtspflege unterworfen: man achtete nicht mehr auf Herkommen und Bevorrechtung. So lange nun der Papſt perſoͤnlich alle Geſchaͤfte lei- tete, ging das wohl. Die Cardinaͤle wenigſtens, obwohl nicht alle ihre Gedanken ihnen auf der Oberflaͤche lagen, gefielen ſich in Bewunderung und Unterwuͤrfigkeit. Allmaͤhlig aber, mit den hoͤhern Jahren, kam der Beſitz, die Ausuͤbung dieſer monarchiſchen Gewalt an den paͤpſt- lichen Nepoten, Pietro Aldobrandino. Er war ein Sohn jenes Pietro Aldobrandino, der ſich unter den Bruͤdern durch juriſtiſche Praxis ausgezeichnet hatte. Beim erſten Anblick verſprach er wenig. Er war unanſehnlich, pockennarbig, litt an Aſthma, huſtete immer, und in der Jugend hatte er es ſelbſt in den Studien nicht weit gebracht. So wie ihn aber ſein Oheim in die Geſchaͤfte nahm, zeigte er eine Gewandtheit und Gefuͤgigkeit wie ſie kein Menſch erwartete. Nicht allein wußte er ſich ſehr gut in die Natur des Pap- ſtes zu finden, ſie ſo zu ſagen zu ergaͤnzen, ſeine Strenge zu mildern, die Schwachheiten, die ſich auch in ihm allmaͤh- lig zeigten, weniger auffallend und unſchaͤdlich zu machen 1): er erwarb auch das Zutrauen und die Genugthuung der 1) Relatione al Cl Este. Dove il papa inasprisce, Aldo- brandino mitiga: dove rompe, consolida: dove comanda giustitia, intercede per gratia.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/323>, abgerufen am 25.11.2024.