die Italiener durch den Vertrag lange nicht zufrieden ge- stellt: aber was das Wichtigste ist, in Frankreich kamen Männer an das Ruder, welche die Opposition gegen Spa- nien nicht mehr auf fremde Bitten als Hülfsmacht, son- dern aus eigenem freien Antrieb als den hauptgesichts- punkt der französischen Politik wieder aufnahmen, Vieu- ville und Richelieu.
Vielleicht liegt hierin weniger Willkühr, als man an- zunehmen geneigt ist. Auch Frankreich war wie Oestreich- Spanien in einer Zunahme aller seiner Kräfte begriffen: durch die Siege über die Hugenotten war die königliche Macht, die Einheit und das Selbstgefühl der Nation un- endlich gestiegen: und wie nun mit der Kraft auch die An- sprüche wachsen, so trieb alles dahin, eine kühnere Poli- tik zu ergreifen als die bisher befolgte: diese natürliche Tendenz rief sich ihre Organe hervor, Männer, welche sie durchzusetzen geneigt und fähig waren. Von Anfang an war Richelieu entschlossen der Autorität welche das Haus Oestreich noch immer behauptet und damals verjüngt und erhöht hatte, entgegenzutreten, und den Kampf um das oberste Ansehen in Europa mit demselben einzugehn.
Ein Entschluß der nun eine noch viel gefährlichere Spaltung in die katholische Welt brachte, als die frühere gewesen war. Die beiden Hauptmächte mußten in offenen Krieg gerathen. An die Ausführung jenes römischen Trac- tates war nicht mehr zu denken, und vergeblich bemühte sich Urban VIII. die Franzosen bei ihren Zugeständnissen festzuhalten. Aber eine Verbindung mit der katholischen Opposition genügte den Franzosen noch nicht. Obwohl
BuchVII.Kap. 3. Gegenſatz
die Italiener durch den Vertrag lange nicht zufrieden ge- ſtellt: aber was das Wichtigſte iſt, in Frankreich kamen Maͤnner an das Ruder, welche die Oppoſition gegen Spa- nien nicht mehr auf fremde Bitten als Huͤlfsmacht, ſon- dern aus eigenem freien Antrieb als den hauptgeſichts- punkt der franzoͤſiſchen Politik wieder aufnahmen, Vieu- ville und Richelieu.
Vielleicht liegt hierin weniger Willkuͤhr, als man an- zunehmen geneigt iſt. Auch Frankreich war wie Oeſtreich- Spanien in einer Zunahme aller ſeiner Kraͤfte begriffen: durch die Siege uͤber die Hugenotten war die koͤnigliche Macht, die Einheit und das Selbſtgefuͤhl der Nation un- endlich geſtiegen: und wie nun mit der Kraft auch die An- ſpruͤche wachſen, ſo trieb alles dahin, eine kuͤhnere Poli- tik zu ergreifen als die bisher befolgte: dieſe natuͤrliche Tendenz rief ſich ihre Organe hervor, Maͤnner, welche ſie durchzuſetzen geneigt und faͤhig waren. Von Anfang an war Richelieu entſchloſſen der Autoritaͤt welche das Haus Oeſtreich noch immer behauptet und damals verjuͤngt und erhoͤht hatte, entgegenzutreten, und den Kampf um das oberſte Anſehen in Europa mit demſelben einzugehn.
Ein Entſchluß der nun eine noch viel gefaͤhrlichere Spaltung in die katholiſche Welt brachte, als die fruͤhere geweſen war. Die beiden Hauptmaͤchte mußten in offenen Krieg gerathen. An die Ausfuͤhrung jenes roͤmiſchen Trac- tates war nicht mehr zu denken, und vergeblich bemuͤhte ſich Urban VIII. die Franzoſen bei ihren Zugeſtaͤndniſſen feſtzuhalten. Aber eine Verbindung mit der katholiſchen Oppoſition genuͤgte den Franzoſen noch nicht. Obwohl
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Buch VII. Kap. 3. Gegenſatz
die Italiener durch den Vertrag lange nicht zufrieden ge-
ſtellt: aber was das Wichtigſte iſt, in Frankreich kamen
Maͤnner an das Ruder, welche die Oppoſition gegen Spa-
nien nicht mehr auf fremde Bitten als Huͤlfsmacht, ſon-
dern aus eigenem freien Antrieb als den hauptgeſichts-
punkt der franzoͤſiſchen Politik wieder aufnahmen, Vieu-
ville und Richelieu.
Vielleicht liegt hierin weniger Willkuͤhr, als man an-
zunehmen geneigt iſt. Auch Frankreich war wie Oeſtreich-
Spanien in einer Zunahme aller ſeiner Kraͤfte begriffen:
durch die Siege uͤber die Hugenotten war die koͤnigliche
Macht, die Einheit und das Selbſtgefuͤhl der Nation un-
endlich geſtiegen: und wie nun mit der Kraft auch die An-
ſpruͤche wachſen, ſo trieb alles dahin, eine kuͤhnere Poli-
tik zu ergreifen als die bisher befolgte: dieſe natuͤrliche
Tendenz rief ſich ihre Organe hervor, Maͤnner, welche ſie
durchzuſetzen geneigt und faͤhig waren. Von Anfang an
war Richelieu entſchloſſen der Autoritaͤt welche das Haus
Oeſtreich noch immer behauptet und damals verjuͤngt und
erhoͤht hatte, entgegenzutreten, und den Kampf um das oberſte
Anſehen in Europa mit demſelben einzugehn.
Ein Entſchluß der nun eine noch viel gefaͤhrlichere
Spaltung in die katholiſche Welt brachte, als die fruͤhere
geweſen war. Die beiden Hauptmaͤchte mußten in offenen
Krieg gerathen. An die Ausfuͤhrung jenes roͤmiſchen Trac-
tates war nicht mehr zu denken, und vergeblich bemuͤhte
ſich Urban VIII. die Franzoſen bei ihren Zugeſtaͤndniſſen
feſtzuhalten. Aber eine Verbindung mit der katholiſchen
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/518>, abgerufen am 26.11.2024.
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