ger-kirchlich-gesinnten erfuhr Richelieu lebhafte Angriffe 1). Zwar fand er dagegen eine Stütze in den gallicanischen Grundsätzen, Vertheidigung bei den Parlamenten: -- je- doch er durfte es nicht wagen den Papst lange zum Feinde zu haben. Das katholische Prinzip war zu genau mit dem wiederhergestellten Königthum verbunden: wer konnte dem Cardinal für den Eindruck stehn, welchen die geistlichen Ermahnungen auf seinen Fürsten hervorbringen mochten?
In Frankreich selbst demnach sah sich Richelieu ange- griffen, und zwar durch die beiden entgegengesetzten Par- teien zugleich. Was er auch immer gegen Spanien aus- richten mochte, so war dieß doch eine Stellung, die sich nicht halten ließ: er mußte eilen aus ihr herauszukommen.
Und wie nun bei dem Angriff das Genie der Welt- umfassung, des kühnen vordringenden Entwurfes, so zeigte er in diesem Augenblick die treulose Gewandtheit Verbün- dete nur zu seinem Werkzeug zu machen und dann zu ver- lassen, die ihm sein Lebelang eigen war.
Er brachte zuerst seine neuen Bundesgenossen dahin, ihm wider Soubise beizustehn. Er selbst hatte keine Seemacht: mit protestantischen Streitkräften aus fremden Ländern, mit holländischen und englischen Schiffen überwältigte er im September 1625 seine protestantischen Gegner in der Hei- math. Er benutzte ihre Vermittelung dazu, die Hugenot- ten zu einer unvortheilhaften Abkunft zu nöthigen. Sie zweifelten nicht, daß er, sobald er sich dieser Feinde entle- digt habe, den allgemeinen Angriff erneuern werde.
Allein wie erstaunten sie, als statt dessen plötzlich die
1)Memoires du cardinal Richelieu: Petitot 23, p. 20.
politiſcher Verhaͤltniſſe.
ger-kirchlich-geſinnten erfuhr Richelieu lebhafte Angriffe 1). Zwar fand er dagegen eine Stuͤtze in den gallicaniſchen Grundſaͤtzen, Vertheidigung bei den Parlamenten: — je- doch er durfte es nicht wagen den Papſt lange zum Feinde zu haben. Das katholiſche Prinzip war zu genau mit dem wiederhergeſtellten Koͤnigthum verbunden: wer konnte dem Cardinal fuͤr den Eindruck ſtehn, welchen die geiſtlichen Ermahnungen auf ſeinen Fuͤrſten hervorbringen mochten?
In Frankreich ſelbſt demnach ſah ſich Richelieu ange- griffen, und zwar durch die beiden entgegengeſetzten Par- teien zugleich. Was er auch immer gegen Spanien aus- richten mochte, ſo war dieß doch eine Stellung, die ſich nicht halten ließ: er mußte eilen aus ihr herauszukommen.
Und wie nun bei dem Angriff das Genie der Welt- umfaſſung, des kuͤhnen vordringenden Entwurfes, ſo zeigte er in dieſem Augenblick die treuloſe Gewandtheit Verbuͤn- dete nur zu ſeinem Werkzeug zu machen und dann zu ver- laſſen, die ihm ſein Lebelang eigen war.
Er brachte zuerſt ſeine neuen Bundesgenoſſen dahin, ihm wider Soubiſe beizuſtehn. Er ſelbſt hatte keine Seemacht: mit proteſtantiſchen Streitkraͤften aus fremden Laͤndern, mit hollaͤndiſchen und engliſchen Schiffen uͤberwaͤltigte er im September 1625 ſeine proteſtantiſchen Gegner in der Hei- math. Er benutzte ihre Vermittelung dazu, die Hugenot- ten zu einer unvortheilhaften Abkunft zu noͤthigen. Sie zweifelten nicht, daß er, ſobald er ſich dieſer Feinde entle- digt habe, den allgemeinen Angriff erneuern werde.
Allein wie erſtaunten ſie, als ſtatt deſſen ploͤtzlich die
1)Mémoires du cardinal Richelieu: Petitot 23, p. 20.
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politiſcher Verhaͤltniſſe.
ger-kirchlich-geſinnten erfuhr Richelieu lebhafte Angriffe 1).
Zwar fand er dagegen eine Stuͤtze in den gallicaniſchen
Grundſaͤtzen, Vertheidigung bei den Parlamenten: — je-
doch er durfte es nicht wagen den Papſt lange zum Feinde
zu haben. Das katholiſche Prinzip war zu genau mit dem
wiederhergeſtellten Koͤnigthum verbunden: wer konnte dem
Cardinal fuͤr den Eindruck ſtehn, welchen die geiſtlichen
Ermahnungen auf ſeinen Fuͤrſten hervorbringen mochten?
In Frankreich ſelbſt demnach ſah ſich Richelieu ange-
griffen, und zwar durch die beiden entgegengeſetzten Par-
teien zugleich. Was er auch immer gegen Spanien aus-
richten mochte, ſo war dieß doch eine Stellung, die ſich
nicht halten ließ: er mußte eilen aus ihr herauszukommen.
Und wie nun bei dem Angriff das Genie der Welt-
umfaſſung, des kuͤhnen vordringenden Entwurfes, ſo zeigte
er in dieſem Augenblick die treuloſe Gewandtheit Verbuͤn-
dete nur zu ſeinem Werkzeug zu machen und dann zu ver-
laſſen, die ihm ſein Lebelang eigen war.
Er brachte zuerſt ſeine neuen Bundesgenoſſen dahin, ihm
wider Soubiſe beizuſtehn. Er ſelbſt hatte keine Seemacht:
mit proteſtantiſchen Streitkraͤften aus fremden Laͤndern, mit
hollaͤndiſchen und engliſchen Schiffen uͤberwaͤltigte er im
September 1625 ſeine proteſtantiſchen Gegner in der Hei-
math. Er benutzte ihre Vermittelung dazu, die Hugenot-
ten zu einer unvortheilhaften Abkunft zu noͤthigen. Sie
zweifelten nicht, daß er, ſobald er ſich dieſer Feinde entle-
digt habe, den allgemeinen Angriff erneuern werde.
Allein wie erſtaunten ſie, als ſtatt deſſen ploͤtzlich die
1) Mémoires du cardinal Richelieu: Petitot 23, p. 20.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/523>, abgerufen am 26.11.2024.
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