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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VII. Kap. 4.

Hiedurch ist es geschehen, daß sich die Staaten auf bei-
den Seiten zu großen kirchlich politischen Individualitäten
ausgebildet haben; schon auf der katholischen nach dem
Maaße der Ergebenheit gegen den römischen Stuhl, der
Duldung oder Ausschließung der Nichtkatholiken; noch mehr
aber bei den Protestanten, wo die Abweichung der symbo-
lischen Bücher die man beschwört, die Mischung des lu-
therischen und des reformirten Bekenntnisses, die größere
oder geringere Annäherung an die bischöfliche Verfassung
eben so viele in die Augen fallende Verschiedenheiten be-
gründen. Es wird die erste Frage bei jedem Lande, wel-
ches die herrschende Religion daselbst ist. In mannigfalti-
gen Gestalten erscheint das Christenthum. So groß auch
die Gegensätze derselben sind, so kann kein Theil dem an-
dern abstreiten, daß auch er den Grund des Glaubens be-
sitze. Vielmehr sind die verschiedenen Formen durch Ver-
träge und Friedensschlüsse, an denen Alle Theil haben,
Grundgesetze gleichsam einer allgemeinen Republik, gewähr-
leistet. Es kann nicht mehr daran gedacht werden das eine
oder das andere Bekenntniß zu einer universalen Herrschaft
zu erheben. Nur darauf kommt es an, wie jeder Staat,
jedes Volk von seiner politisch religiösen Grundlage aus seine
Kräfte zu entwickeln vermögen wird. Darauf beruht nun-
mehr die Zukunft der Welt.




Gedruckt bei A. W.Schade.


Buch VII. Kap. 4.

Hiedurch iſt es geſchehen, daß ſich die Staaten auf bei-
den Seiten zu großen kirchlich politiſchen Individualitaͤten
ausgebildet haben; ſchon auf der katholiſchen nach dem
Maaße der Ergebenheit gegen den roͤmiſchen Stuhl, der
Duldung oder Ausſchließung der Nichtkatholiken; noch mehr
aber bei den Proteſtanten, wo die Abweichung der ſymbo-
liſchen Buͤcher die man beſchwoͤrt, die Miſchung des lu-
theriſchen und des reformirten Bekenntniſſes, die groͤßere
oder geringere Annaͤherung an die biſchoͤfliche Verfaſſung
eben ſo viele in die Augen fallende Verſchiedenheiten be-
gruͤnden. Es wird die erſte Frage bei jedem Lande, wel-
ches die herrſchende Religion daſelbſt iſt. In mannigfalti-
gen Geſtalten erſcheint das Chriſtenthum. So groß auch
die Gegenſaͤtze derſelben ſind, ſo kann kein Theil dem an-
dern abſtreiten, daß auch er den Grund des Glaubens be-
ſitze. Vielmehr ſind die verſchiedenen Formen durch Ver-
traͤge und Friedensſchluͤſſe, an denen Alle Theil haben,
Grundgeſetze gleichſam einer allgemeinen Republik, gewaͤhr-
leiſtet. Es kann nicht mehr daran gedacht werden das eine
oder das andere Bekenntniß zu einer univerſalen Herrſchaft
zu erheben. Nur darauf kommt es an, wie jeder Staat,
jedes Volk von ſeiner politiſch religioͤſen Grundlage aus ſeine
Kraͤfte zu entwickeln vermoͤgen wird. Darauf beruht nun-
mehr die Zukunft der Welt.




Gedruckt bei A. W.Schade.


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[576/0588] Buch VII. Kap. 4. Hiedurch iſt es geſchehen, daß ſich die Staaten auf bei- den Seiten zu großen kirchlich politiſchen Individualitaͤten ausgebildet haben; ſchon auf der katholiſchen nach dem Maaße der Ergebenheit gegen den roͤmiſchen Stuhl, der Duldung oder Ausſchließung der Nichtkatholiken; noch mehr aber bei den Proteſtanten, wo die Abweichung der ſymbo- liſchen Buͤcher die man beſchwoͤrt, die Miſchung des lu- theriſchen und des reformirten Bekenntniſſes, die groͤßere oder geringere Annaͤherung an die biſchoͤfliche Verfaſſung eben ſo viele in die Augen fallende Verſchiedenheiten be- gruͤnden. Es wird die erſte Frage bei jedem Lande, wel- ches die herrſchende Religion daſelbſt iſt. In mannigfalti- gen Geſtalten erſcheint das Chriſtenthum. So groß auch die Gegenſaͤtze derſelben ſind, ſo kann kein Theil dem an- dern abſtreiten, daß auch er den Grund des Glaubens be- ſitze. Vielmehr ſind die verſchiedenen Formen durch Ver- traͤge und Friedensſchluͤſſe, an denen Alle Theil haben, Grundgeſetze gleichſam einer allgemeinen Republik, gewaͤhr- leiſtet. Es kann nicht mehr daran gedacht werden das eine oder das andere Bekenntniß zu einer univerſalen Herrſchaft zu erheben. Nur darauf kommt es an, wie jeder Staat, jedes Volk von ſeiner politiſch religioͤſen Grundlage aus ſeine Kraͤfte zu entwickeln vermoͤgen wird. Darauf beruht nun- mehr die Zukunft der Welt. Gedruckt bei A. W.Schade.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/588>, abgerufen am 24.11.2024.