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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Gewaltthätigkeiten in Frankreich.
ges vorbereitete. Sie trug, so viel sie konnte, dazu bei,
daß die Hugenotten nach Paris kamen: so zahlreich sie
auch waren, so wurden sie doch hier von einer bei wei-
tem überlegenen, militärisch organisirten, fanatisch erregba-
ren Population umgeben und festgehalten. Schon in Vor-
aus ließ sie dem Papst ziemlich deutlich anzeigen, was sie
hiemit beabsichtige. Hätte sie aber auch noch gezweifelt,
so würden die Umstände sie haben bestimmen müssen, wel-
che in diesem Momente eintraten. Den König selbst ge-
wannen die Hugenotten: das Ansehen der Mutter schienen sie
zu überwinden, zu verdrängen: in dieser persönlichen Gefahr
zögerte sie nicht länger. Mit der unwiderstehlichen und ma-
gischen Gewalt, die sie über ihre Kinder ausübte, erweckte
sie in dem Könige den ganzen Fanatismus, der in ihm
schlief: es kostete ihr ein Wort, um das Volk in die Waf-
fen zu bringen: sie sprach es aus: von den vornehmsten
Hugenotten ward jeder seinem persönlichen Feinde zugewie-
sen. Catharina hat gesagt, sie habe nur sechs Menschen um-
zubringen gewünscht: nur deren Tod nehme sie auf ihr
Gewissen: es sind bei 50000 umgebracht worden 1).

Und so überboten die Franzosen noch die niederlän-
dischen Unternehmungen der Spanier. Was Diese mit
berechnendem Calcul, unter den gesetzlichen Formen, nach
und nach vollführten, setzten Jene in der Hitze der Leiden-
schaft, ohne alle Form, mit Hülfe fanatisirter Massen ins
Werk. Der Erfolg schien derselbe zu seyn. Es war kein

1) Ich beziehe mich hiebei der Kürze wegen auf meine Ab-
handlung über die Bartholomäusnacht in der histor. polit. Zeit-
schrift II, III.
5*

Gewaltthaͤtigkeiten in Frankreich.
ges vorbereitete. Sie trug, ſo viel ſie konnte, dazu bei,
daß die Hugenotten nach Paris kamen: ſo zahlreich ſie
auch waren, ſo wurden ſie doch hier von einer bei wei-
tem uͤberlegenen, militaͤriſch organiſirten, fanatiſch erregba-
ren Population umgeben und feſtgehalten. Schon in Vor-
aus ließ ſie dem Papſt ziemlich deutlich anzeigen, was ſie
hiemit beabſichtige. Haͤtte ſie aber auch noch gezweifelt,
ſo wuͤrden die Umſtaͤnde ſie haben beſtimmen muͤſſen, wel-
che in dieſem Momente eintraten. Den Koͤnig ſelbſt ge-
wannen die Hugenotten: das Anſehen der Mutter ſchienen ſie
zu uͤberwinden, zu verdraͤngen: in dieſer perſoͤnlichen Gefahr
zoͤgerte ſie nicht laͤnger. Mit der unwiderſtehlichen und ma-
giſchen Gewalt, die ſie uͤber ihre Kinder ausuͤbte, erweckte
ſie in dem Koͤnige den ganzen Fanatismus, der in ihm
ſchlief: es koſtete ihr ein Wort, um das Volk in die Waf-
fen zu bringen: ſie ſprach es aus: von den vornehmſten
Hugenotten ward jeder ſeinem perſoͤnlichen Feinde zugewie-
ſen. Catharina hat geſagt, ſie habe nur ſechs Menſchen um-
zubringen gewuͤnſcht: nur deren Tod nehme ſie auf ihr
Gewiſſen: es ſind bei 50000 umgebracht worden 1).

Und ſo uͤberboten die Franzoſen noch die niederlaͤn-
diſchen Unternehmungen der Spanier. Was Dieſe mit
berechnendem Calcul, unter den geſetzlichen Formen, nach
und nach vollfuͤhrten, ſetzten Jene in der Hitze der Leiden-
ſchaft, ohne alle Form, mit Huͤlfe fanatiſirter Maſſen ins
Werk. Der Erfolg ſchien derſelbe zu ſeyn. Es war kein

1) Ich beziehe mich hiebei der Kuͤrze wegen auf meine Ab-
handlung uͤber die Bartholomaͤusnacht in der hiſtor. polit. Zeit-
ſchrift II, III.
5*
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[67/0079] Gewaltthaͤtigkeiten in Frankreich. ges vorbereitete. Sie trug, ſo viel ſie konnte, dazu bei, daß die Hugenotten nach Paris kamen: ſo zahlreich ſie auch waren, ſo wurden ſie doch hier von einer bei wei- tem uͤberlegenen, militaͤriſch organiſirten, fanatiſch erregba- ren Population umgeben und feſtgehalten. Schon in Vor- aus ließ ſie dem Papſt ziemlich deutlich anzeigen, was ſie hiemit beabſichtige. Haͤtte ſie aber auch noch gezweifelt, ſo wuͤrden die Umſtaͤnde ſie haben beſtimmen muͤſſen, wel- che in dieſem Momente eintraten. Den Koͤnig ſelbſt ge- wannen die Hugenotten: das Anſehen der Mutter ſchienen ſie zu uͤberwinden, zu verdraͤngen: in dieſer perſoͤnlichen Gefahr zoͤgerte ſie nicht laͤnger. Mit der unwiderſtehlichen und ma- giſchen Gewalt, die ſie uͤber ihre Kinder ausuͤbte, erweckte ſie in dem Koͤnige den ganzen Fanatismus, der in ihm ſchlief: es koſtete ihr ein Wort, um das Volk in die Waf- fen zu bringen: ſie ſprach es aus: von den vornehmſten Hugenotten ward jeder ſeinem perſoͤnlichen Feinde zugewie- ſen. Catharina hat geſagt, ſie habe nur ſechs Menſchen um- zubringen gewuͤnſcht: nur deren Tod nehme ſie auf ihr Gewiſſen: es ſind bei 50000 umgebracht worden 1). Und ſo uͤberboten die Franzoſen noch die niederlaͤn- diſchen Unternehmungen der Spanier. Was Dieſe mit berechnendem Calcul, unter den geſetzlichen Formen, nach und nach vollfuͤhrten, ſetzten Jene in der Hitze der Leiden- ſchaft, ohne alle Form, mit Huͤlfe fanatiſirter Maſſen ins Werk. Der Erfolg ſchien derſelbe zu ſeyn. Es war kein 1) Ich beziehe mich hiebei der Kuͤrze wegen auf meine Ab- handlung uͤber die Bartholomaͤusnacht in der hiſtor. polit. Zeit- ſchrift II, III. 5*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/79>, abgerufen am 24.11.2024.